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100 Tage im AmtLandrat Markus Ramers zieht erste Bilanz

Lesezeit 7 Minuten

Von der Terrasse seines Büros aus hat Landrat Markus Ramers einen guten Blick auf die Stadt Euskirchen.

Euskirchen – Für den 34-Jährigen ist kaum etwas so, wie er es sich bei seiner Kandidatur vorgestellt hatte – politisch und persönlich.

Herr Landrat, wie erklären Sie Ihrem fünfjährigen Sohn, was Papa auf der Arbeit macht?

Markus Ramers: Das war als Lehrer sicherlich einfacher. Was ihn natürlich interessiert, sind Sachen, die mit Polizei oder Feuerwehr zu tun haben. Das ist für ihn spannend. Ansonsten weiß er natürlich, dass ich tagsüber im Kreishaus bin. Auch seine Schwester, die eineinhalb Jahre alt ist, kann das Wort „Kreishaus“ fast schon aussprechen. Auch Videokonferenzen , die ich von zuhause aus mache, kriegen sie schon mal mit.

Als Sie im Mai 2019 Ihre Kandidatur öffentlich gemacht hatten, konnten Sie nicht ahnen, wie Ihre Arbeit als Landrat mal aussehen würde. Hat Corona den Welpenschutz verhindert?

Ja klar, ich habe mir das damals natürlich anders vorgestellt. Nach der Wahl konnte ich mich aber darauf einstellen, dass Corona zunächst das prägende Thema sein wird. Aber selbst beim Amtsantritt konnte ich nicht wissen, welche Dynamik die zweite Welle und auch das Thema Impfen aufnehmen wird. Es gab bisher noch keinen Tag, an dem Corona nicht das Hauptthema war.

Was war das Schwierigste dabei?

Die vielen Todesfälle. Das ist durchaus belastend. Als wir um Weihnachten herum im Krisenstab von vermehrten Fällen in den Seniorenheimen erfuhren und keine Möglichkeit hatten zu helfen, das war nicht einfach. Das geht einem schon an die Nieren. Schwierig war auch, als die Nachricht eintraf, dass sich der Impfstart in Marmagen verzögert und dass die Anmeldung für viele ältere Mitbürger so schleppend lief. Das Chaos bei der Terminvergabe, als Menschen hier anriefen und weinten, war schon belastend. Und man konnte ihnen nicht helfen.

Corona bestimmt die Tagesordnung. Fühlen Sie sich da mehr getrieben als agierend?

Das ist eine Jahrhundertkrise, die wir jetzt haben. Das ist jetzt meine Aufgabe, und ich kann auf ein gutes Team bauen. Da ist man manchmal reagierend, aber – um den Leiter unseres Führungsstabes, Udo Crespin, zu zitieren –: Wir müssen alles tun, um vor die Lage zu kommen.

Haben Sie auch positive Erfahrungen gemacht?

Als wir Mitte Dezember mitteilen konnten, dass das Regionale Impfzentrum nach nur drei Wochen startklar ist, war es sehr bewegend, an diesem Tag die Mitglieder des zuständigen Führungsstabes und die vielen Ehrenamtlichen zu sehen. Das hat mir das Gefühl gegeben: Es gibt Menschen hier, auf die kann man sich einfach immer 100-prozentig verlassen.

Wegen Corona ist der repräsentative Teil Ihres Amts noch gar nicht hervorgetreten. Wie sehr fehlen Ihnen die Vereinsfeiern, Jubiläen oder Kulturveranstaltungen?

Sehr. Das sind Dinge, die mir liegen und Spaß machen. Der Prinzenempfang im Kreishaus oder andere karnevalistischen Veranstaltungen, die ich besucht hätte, vermisse ich schon. Die Bürgernähe ist mir wichtig, das muss man jetzt anders ausgleichen, indem man etwa digital ansprechbar ist. Ich würde auch mal wieder gerne ein Bier mit anderen trinken.

Sie sind der zweitjüngste Landrat in Deutschland. Ihre Mitarbeiter sind teils Jahrzehnte älter und Jahrzehnte länger in der Verwaltung tätig als Sie. Lässt man Sie das spüren?

Nein. Es ist mir bisher nicht aufgefallen, dass das im Haus ein Thema wäre. Wir diskutieren die Dinge, und ich bin froh, auf die Erfahrung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückgreifen zu können. Ich muss auch niemanden erklären oder gar darauf pochen, was hier meine Rolle ist. Ich finde es gut, wenn die Führungskräfte offen mit mir diskutieren und wenn es auch mal unterschiedliche Meinungen gibt. Am Ende muss ich dann aber entscheiden und die Verantwortung tragen. Hier im Haus herrscht eine große Loyalität. Mit Herrn Poth (Allgemeiner Vertreter des Landrats, d. Red.) funktioniert das hervorragend. Von seiner Erfahrung und der der anderen Mitarbeiter profitiere ich sehr. Ich wäre ja verrückt, wenn ich das für mich nicht nutzen würde.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Es gibt Dinge, da ist mir eine klare Ansage wichtig, das ist aber keine Einbahnstraße. Auch ich bin nicht immer festgelegt. Eine gute Entscheidung muss dann im Gespräch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern reifen. Im Dialog ermuntere ich die Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren. Widerspruch ist durchaus erwünscht, das bringt die Diskussion weiter.

Aber das durchgängige Duzen, wie in vielen Firmen, haben Sie nicht veranlasst?

Nein. Ich duze mich aber weiter mit den Leuten im Haus, mit denen ich mich auch vorher geduzt habe. Ich fände es auch befremdlich, wenn sie Herr Ramers oder Herr Landrat sagen würden.

Im Büro stehen weniger Akten als bei Ihrem Vorgänger...

. auch die Schränke sind leer. Da hängt nur ein Ersatzhemd drin, falls ich mich mal bekleckere. Ich arbeite fast ausschließlich digital. Es ist unser Anspruch, dass wir uns als Kreisverwaltung digitaler aufstellen.

Zucken Sie noch zusammen, wenn Sie mit Herr Landrat angesprochen werden?

Ich finde das immer noch ungewöhnlich. Im Haus bevorzuge ich es, wenn ich mit meinem Namen angesprochen werde. Die wissen ja, dass ich der Landrat bin (lacht).

Zweitjüngster Landrat in Deutschland

Laut dem Netzwerk „Junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister“ ist Markus Ramers der zweitjüngste Landrat in Deutschland und sogar der jüngste, der direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt worden ist. Der 34-jährige Freilinger hat im September die Wahl deutlich gewonnen. Am gestrigen Dienstag war er 100 Tage im Amt. Die Corona-Krise ließ ihm kaum Zeit, sich einzugewöhnen.

Zudem hat der Sozialdemokrat keine Hausmacht im Kreistag, wo sich CDU, FDP und UWV zusammengetan haben. Bislang sind aber noch keine großen Streitthemen aufgetreten. (sch)

Auch über dem politischen Geschehen liegt die Corona-Glocke. Sitzungen finden nur statt, wenn unbedingt nötig. Sie haben erst wenig zu spüren bekommen, dass im Kreistag eine Koalition herrscht, der Ihre Partei, die SPD, nicht angehört. Irgendwann aber werden die Parteien mal ihre Profile schärfen wollen. Wie gehen Sie damit um?

Ich kenne die Politik lange genug, um zu wissen, dass sich die Fraktionen mal profilieren möchten und dass dabei auch mal die Abgrenzung zum Landrat eine Rolle bei einigen spielen könnte. Das ist völlig natürlich. Ich pflege aber eine offene Kommunikation mit den Fraktionen. Auch über wesentliche Personalentscheidungen, die in meiner Verantwortung liegen, informiere ich die Fraktionen – auch um zu zeigen: Mir ist an Transparenz gelegen.

Ihr Anliegen, die Energieberatung um eine halbe Stelle auszubauen, hat die Mehrheit erst mal auf Eis gelegt. Wie geht es in dieser Frage weiter?

Es ist legitim, dass die Mehrheit diese Frage erst mal zurückgestellt hat. Wir werden das in die Stellenplanberatungen einbringen. Da schreiben wir nur Stellen hinein, die wir auch brauchen. Klar ist, dass wir uns den politischen Zukunftsfragen wie Digitalisierung und Klimaschutz widmen müssen. Das muss immer auch personell gestemmt werden. Denn hier im Haus liegt keiner auf der faulen Haut.

Spätestens wenn die Nachfolge von Manfred Poth ansteht, könnte Ihnen die Kreistagsmehrheit zeigen, wer die Hosen anhat. Befürchten Sie das?

Nein, mein Eindruck ist, dass sich alle dem Kreis und der Arbeit in der Verwaltung verpflichtet fühlen. Ich glaube nicht, dass man sich da mit Muskelspielchen einen Gefallen tut. Das würde auch die Öffentlichkeit nicht durchgehen lassen. Mein Eindruck ist, dass da alle sehr konstruktiv sind.

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Ihre Persönliche Referentin, Rita Witt, musste nach zwei Monaten ihren Posten räumen. Dabei hätten Sie beide gerne weiter zusammengearbeitet. Es gab Gründe, auf die Sie keinen Einfluss hatten. Bekamen Sie da die Grenzen ihres Amtes zu spüren?

Das war persönlich ein belastender Moment. Von Grenzen würde ich da nicht sprechen. Es gab Umstände, die ich nicht beeinflussen konnte. Ich bin aber froh, dass wir jetzt eine gute Nachfolgeregelung gefunden haben. Sabine Haas, die bisherige Leiterin des Kreistagsbüros, wird das übernehmen.

Wie war das für Sie, von heute auf morgen einen Stab um sich zu haben: Sekretariat, Pressestab, Fahrer?

Man gewöhnt sich schnell an einen solchen Luxus. Aber ich empfinde das immer noch als ein großes Privileg und betrachte das mit Demut, dass ich diese ehrenvolle Aufgabe als Landrat ausüben darf und dass ich einen Stab habe, der dafür sorgt, dass ich meinen Job gut machen kann. Als mein Fahrer Werner Krebs mich aber am Anfang fragte, ob ich hinten oder vorne sitzen wolle, habe ich schon geschluckt. Da war ich erst mal überfordert.

Mit ihrem Fahrer in einer Band zu spielen wie ihr Vorgänger, das ist aber nicht geplant?

Nein, da kann ich alle beruhigen. Dazu fehlt mir einfach das musikalische Talent.