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FahrsportAlex Sievers aus Weyer war ein Pferdemädchen und fährt nun von Titel zu Titel

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt die wilde Fahrt durch ein Wasserhindernis.

In ihrem Pferd Lucy hat Alex Sievers eine verlässliche Partnerin, hier bei der WM im vergangenen Jahr.

Alex Sievers ist seit 2013 siebenmal deutsche Meisterin und zweimal Vizemeisterin geworden. Auch Weltermeisterin war sie schon mehrfach.

Es gibt kaum eine Frage, bei der Alex Sievers mit der Antwort zögert. Die 37-Jährige ist offen, präzise, kommunikativ. Doch jetzt muss sie kurz überlegen, nimmt schließlich die Finger zu Hilfe, um mitzuzählen. Alex Sievers ist Para-Sportlerin, auf dem Kutschbock fährt sie von Sieg zu Sieg.

Wie viele Deutsche-Meister-Titel und Weltmeistertitel hat sie denn nun? Die Erfolge auf nationaler Ebene fasst sie einfach mal zusammen: Seit 2013 war sie siebenmal deutsche Meisterin und zweimal Vizemeisterin. Mit den Weltmeistertiteln ist es ein bisschen schwieriger. 2014 in Sandringham (Großbritannien) gab es Einzel- und Mannschaftsgold, ebenso 2023 in Exloo (Niederlande). Dazu kommt Mannschaftsgold 2021, Mannschafts- und Einzelsilber 2018, Mannschaftsgold und Einzelsilber 2016.

Fahrsport: Zwölfjährige Stute Lucy ist der Erfolgsgarant

Im Fahrsport ist sie bisher unter ihrem Mädchennamen Röder bekannt. Und eigentlich heißt sie Alexandra, aber: „So nennt mich nur meine Mutter.“ Vor einigen Monaten ist die 37-Jährige mit ihrem Mann nach Mechernich-Weyer gezogen, hinter dem Haus bauen sie gerade einen Stall für die Sportpartner. Die zwölfjährige Stute Lucy ist derzeit der Erfolgsgarant, mit ihr auf der Weide steht ihr Vorgänger, der mittlerweile in Rente ist. Ihr junger Nachfolger lernt gerade das kleine Einmaleins des Reit- und Fahrpferds.

Die kleine Alexandra war ein echtes Pferdemädchen. Mit drei Jahren saß sie zum ersten Mal auf dem Pferd, fing an zu voltigieren. Sie war acht, als bei ihr Krebs diagnostiziert wurde, ein Osteosarkom am Knie. Chemotherapie ohne nennenswerten Erfolg, schließlich die Amputation, ein Jahr Krankenhaus mit kurzen Unterbrechungen. Der Unterschenkel wurde an den Oberschenkel verpflanzt – Umkehrplastik heißt der Fachausdruck –, dazu kommt eine Prothese. „Ich fühle mich nicht eingeschränkt“, sagt Alex Röder.

Das Bild zeigt Alex Sievers beim Wettbewerb in Zülpich. Sie sitzt auf einer Kutsche.

Die Rheinischen Meisterschaften in Zülpich waren gewissermaßen ein Heimspiel. Die Peitsche wird bei der Siegerehrung zum Gruß erhoben.

Sie wollte schnell wieder in den Sattel, mit 18 erfüllten die Eltern ihr den Traum vom eigenen Pferd: Manfred, ein Rheinisch-Deutsches Kaltblut. Manfred war es denn auch, der den Spaß am Fahren weckte. Im Winter 2003, erinnert Alex Sievers sich, lag viel Schnee. Da wurde der Kaltblüter mit einem improvisierten Geschirr vor den Rodelschlitten gespannt. „Ich weiß noch, was für ein schönes Gefühl das war.“ Es folgten der erste Fahrkurs und wenig später das erste Turnier.

Mit Manfred errang die junge Frau Platzierungen bis zu Klasse M, mehr als ungewöhnlich für ein Kaltblut. Der Ehrgeiz war geweckt. Doch der Weg nach ganz oben ist steinig. „Ich kann mir kein Pferd für 40.000 Euro kaufen“, weiß Alex Sievers: „Aber ich kann mir eines machen. Das kostet viel Zeit. Und viele Tränen.“ Denn in der Ausbildung eines Pferdes gebe es immer wieder Rückschritte. „Man macht zehn Schritte vor und sechs oder sieben zurück. In der Ausbildung wie im Leben.“

Pferd und Sportlerin kennen sich in- und auswendig

Ihre Stute Lucy hat sie dreijährig gekauft. „Wir sind sehr eng miteinander. Ich kann sie lesen, und sie liest mich“, beschreibt die Sportlerin das Verhältnis zu dem Pferd. Und doch seien sie beide irgendwann an den Punkt gekommen, wo nichts mehr gegangen sei. Ein halbes Jahr habe es gedauert, bis sie wieder „eine Richtung gefunden“ hätten. Seitdem laufe es besser als je zuvor.

„Du kannst nichts erzwingen“, sagt Sievers, die ihr Geld in der Unternehmenskommunikation der Telekom verdient, aber nebenbei anderen Fahrunterricht erteilt: „Ungeduld macht unfair.“ Von dieser Haltung soll auch Nachwuchspferd Frans profitieren, das mit fünf Jahren gerade die ersten Male vor die Kutsche gespannt worden ist. Frans soll die Zeit bekommen, die er braucht.

Natürlich habe sie Ehrgeiz, stellt Alex Sievers klar. Sie fahre auf Turniere, um ihr Bestes zu geben. Und: „Ich sehe gern Fortschritte bei mir.“ Und natürlich möchte sie, dass ihre Pferde Fortschritte machen. Das gehe aber nur einvernehmlich: „Es macht mir Spaß, mit einem Tier zu arbeiten – wenn das Tier es möchte.“

Anders als in vielen anderen Sportarten können Para-Fahrer mit Konkurrenten ohne Einschränkungen mithalten. Auf der Kutsche sei der Unterschied viel geringer als im Sattel, sagt Sievers. Deshalb gibt es auch jährlich nur ein Paraturnier in Deutschland, alle anderen Starts finden auf Regelturnieren statt. Wie bei den Rheinischen Meisterschaften, die in diesem Jahr der Fahrverein St. Medardus Zülpich ausgerichtet hatte. Alex Sievers belegt dort den zweiten Platz bei den Großpferde-Einspännern. Und sieht damit mal wieder ihre Überzeugung bestätigt: „Man lernt beim Sport, dass es keine Grenzen gibt.“