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HochwasserschutzIn zehn Jahren eine neue Talsperre in Hellenthal?

Lesezeit 6 Minuten
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Der Zusammenfluss von Prether Bach und Platißbach ist als Standort vorgesehen.  

Hellenthal/Schleiden – Die Idee ist wahrlich nicht neu. Doch dass sie jemals realisiert und tatsächlich eine Talsperre an Prether Bach und Platißbach gebaut werden könnte, erschien lange undenkbar. „Unsere Altvorderen haben mehr als visionär gedacht. Jetzt sind wir sehr froh darüber“, fasste es Dr. Joachim Reichert, Vorstand des Wasserversorgungsverbands Eifel-Rur (WVER) zusammen, als er am Mittwoch gemeinsam mit zahlreichen weiteren Protagonisten bekanntgab, in den Prozess Platißbachtalsperre einzusteigen.

Der Startschuss

Darüber, dass es aus ganz unterschiedlichen Gründen und für genauso unterschiedliche Interessengruppen mehr als sinnvoll wäre, am Zusammenfluss der beiden Bäche in der Gemeinde Hellenthal eine neue Talsperre zu bauen, waren sich alle einig. Doch ob sie nun gebaut und – falls ja – wie sie aussehen und wo sie genau platziert wird, steht noch alles in den Sternen.

Am Anfang des Prozesses steht die Machbarkeitsstudie, mit der die Experten des WVER nun loslegen. Etwa zwei bis drei Jahre sind alleine dafür laut Dr. Gerd Demny, Dezernent für Gewässer und Investitionsprojekte beim WVER, zu veranschlagen. Haben sich alle Beteiligten dann auf Standort und Bauart verständigt, folgen die behördlichen Verfahren, die Planungen der Ingenieure und die Finanzierung, so dass, – falls alles läuft wie am Schnürchen – zehn Jahre ins Land gehen, bis tatsächlich gebaut werden könnte.

Der Hintergrund

Hintergrund der nun akut werdenden Pläne ist weniger die Tatsache, dass diese Talsperre seit Jahrzehnten bereits im Regionalplan vorgesehen ist, dieser derzeit neu aufgestellt wird und dort tunlichst auch drin bleiben sollte. Vor dem Hintergrund des Klimawandels sind Hellenthals Bürgermeister Rudolf Westerburg und Landtagsabgeordneter Dr. Ralf Nolten bereits seit mehreren Jahren in diesem Thema unterwegs.

Dynamik ist infolge der Flutkatastrophe entstanden, als klar geworden ist, dass weitere Hochwasserschutzmaßnahmen in der Region installiert werden müssen. Eine Talsperre ist laut der Experten vom WVER in den Mittelgebirgstälern die einzige Option, Hochwasserereignisse signifikant zu entschärfen. Natürliche Retentionsflächen reichen demnach in den engen Tälern bei Weitem nicht aus.

Das Schutzkonzept

Ein gemeinsames Hochwasserschutzkonzept gehen die Kommunen Hellenthal, Schleiden, Nettersheim, Kall, Blankenheim und Dahlem nun an. Koordination und fachliche Erarbeitung übernimmt dabei der WVER. Auch der Kreis Euskirchen als übergeordnete Behörde ist mit im Boot. Das Großprojekt Talsperre wird dabei nicht die einzige Maßnahme sein – auch wenn deren Effekt für das gesamte Oleftal im Bereich Schleiden und Hellenthal deutlich sein wird.

Hochwasserschutz

Wassermassen in der Flutnacht

Unvorstellbare Wassermassen haben die Flutkatastrophe vom 14. Juli ausgelöst, so Dr. Gerd Demny. Die Scheitelwerte lagen an der Olef in Schleiden bei 3,70 Metern, in Kall am Sportplatz bei 3,55 Metern und in Gemünd am Zusammenfluss von Urft und Olef bei 5,61 Metern. Dort sind in der Spitze mehr als 500 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durchgerauscht. (rha)

Unregulierte Zuflüsse

Die Oleftalsperre hat ihre Funktion im Hochwasserschutz erfüllt und etwa den oberen Bereich Hellenthals vor Schlimmerem bewahrt. Jedoch sind die Nebenflüsse im weiteren Verlauf – Reifferscheider und Wolferter Bach, Prether und Platißbach sowie der Dieffenbach nicht reguliert und haben Unmengen an Wasser in die Olef transportiert. (rha)

Wirkung der Platißbachtalsperre

Die mögliche Wirkung der Platißtalsperre veranschaulichte Demny: Im Bereich Hellenthal sind 56 Prozent durch die Oleftalsperre regulierbar – mit beiden Talsperren wären es 96 Prozent. Geringer sind die Zahlen für Schleiden und Gemünd, jedoch würde auch hier der Hochwasserschutz deutlich erhöht. Der durch die Oleftalsperre derzeit regulierbare Anteil liegt in Schleiden laut Demny bei 27, in Gemünd bei 25 Prozent. Sie würden durch die zweite Talsperre auf 47 beziehungsweise 42 Prozent steigen. (rha)

Regenrückhaltebecken beispielsweise könnten deutlich schneller realisiert werden. Kommende Woche könnten bei einem gemeinsamen Workshop der Protagonisten erste Weichen gestellt werden.

Die Trinkwasserversorgung

Mehrere Funktionen sind für die Platißbachtalsperre vorgesehen. Neben dem Hochwasserschutz spielt auch die Trinkwasserversorgung eine entscheidende Rolle. Und hier könnte eine neue Talsperre die Oleftalsperre, das Trinkwasserreservoir der gesamten Region, entlasten, wie Dr. Arno Lehmkühler vom Wasserverband Oleftal erklärt. Im Winter wird in der Talsperre das Wasser gesammelt, das in der Sommersaison von April bis November abgegeben wird. Gerade angesichts der extrem trockenen Sommer der vergangenen Jahre hält er einen weiteren Wasserspeicher für sehr hilfreich.

Der müsste nicht mal zwingend notwendig für Trinkwasser vorgesehen sein. Denn aus der Oleftalsperre muss kontinuierlich Wasser abgegeben werden, um die Gewässerökologie der Olef sicherzustellen. Dies könnte etwa aus der Platißbachtalsperre geschehen, so dass mehr Trinkwasser in der Oleftalsperre bleibt.

Der Forst und die Industrie

Weitere Wassernutzer haben am Mittwoch nicht nur ihre Unterstützung des Projekts bekundet, sondern auch dargelegt, dass sie ein vitales Interesse daran haben. Dr. Martin Rothfuchs als Geschäftsführer der Arenberg-Gruppe, eines großen Waldbesitzers in der Region, könnte sich eine Bewässerung der Forstkulturen vorstellen, die unter der Trockenheit extrem leiden und Neuanpflanzungen äußerst schwierig machen.

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Die Bedeutung einer neuen Talsperre unterstrichen zahlreiche Protagonisten aus Verbänden, Kommunen und Politik am Mittwoch.

Aufgrund des vernetzten Talsperrensystems wäre ein weiterer Wasserspeicher auch für die Papierindustrie, die ihren Schwerpunkt in Düren hat, laut Dr. Stefan Cuypers, Geschäftsführer der Vereinigten Industrieverbände Düren und Euskirchen, vorteilhaft.

Der Tourismus

Das Wort Tourismus in Bezug auf die Talsperre mochte Westerburg nicht so gerne verwenden. Erlebbar machen sei da viel eher das Stichwort: Ein Infozentrum mit Bildungsangeboten ist genannt worden. Doch verlockend ist an einem Gewässer natürlich auch, mal hineinspringen zu dürfen – was an der Oleftalsperre nicht erlaubt ist. Ob es dazu – etwa in Form eines Naturschwimmbads – kommt, ist noch völlig unklar. Recht deutlich machte Reichert jedoch, dass eine touristische Nutzung mit Segelrevier oder Ähnlichem nicht im Vordergrund stehen werde: „Wir müssen uns davor hüten, die eierlegende Wollmilchsau haben zu wollen.“

Der Naturschutz

Naturschutzfachliche Aspekte sind bei Bauvorhaben immer zu beachten. Die Planer des A1-Lückenschlusses etwa können ein Lied davon singen, dass ein großes Infrastrukturprojekt nicht vorangeht – das Haselhuhn lässt grüßen.

Für den potenziellen Talsperrenbereich gibt Prof. Wolfgang Schumacher eine erste Entwarnung, wenn auch in diesem Bereich die wissenschaftlichen Studien noch ausstehen. Das Tal kenne er sehr gut. Eine ökologische Bedeutung habe es durchaus, jedoch sei die weit geringer als die von etwa einem halben Dutzend anderer Täler in der Region.

Dort wachse zwar die Weiße Pestwurz, die ansonsten in NRW nur im Sauerland oder in Rheinland-Pfalz im Prümtal heimisch ist. Die wäre durch eine Flutung aber nicht unwiederbringlich verloren. Das habe er bereits ausprobiert und sie im Bereich Oberreifferscheid mal gepflanzt. Das habe prima funktioniert. Zudem sei ohnehin klar, dass Ausgleichsmaßnahmen auch bei einem Talsperrenbau vorgenommen werden müssen.

Die Optionen

In der Machbarkeitsstudie wird nun ergebnisoffen geschaut, welche Optionen für den Talsperrenbau bestehen könnten. Am Ende dieses Prozesses werden laut Demny sicherlich mehrere Möglichkeiten stehen. Ob eine Variante mit einem Becken oder kaskadenartig mit mehreren Becken geplant werden soll, ist eine Frage, die zu klären sein wird. Genauso, welche Art Damm gebaut wird und wie hoch der wird.

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Vom genauen Standort wird auch abhängen, ob und wie viele Menschen von der Talsperre betroffen sein könnten. Und ob Umsiedlungen notwendig würden. Auch das Volumen steht längst nicht fest. Die vom WVER angegebene Bandbreite ist mit 1,5 bis 23 Millionen Kubikmeter Wasser, die gestaut werden könnten, noch sehr weitgerfächert.