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„Kollektiv Wolkenborn“ in Hellenthal-Wittscheidd Eine Zukunft für kleine Bauernhöfe

Lesezeit 4 Minuten

Charolais-Limousin-Kreuzungen wie Anna werden auf dem Lindenhof gezüchtet. Romy (l.) und Katharina Linden wollen nach dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft künftig auch Gemüse anbauen.

  1. „Wachsen oder weichen“ hieß es jahrzehntelang für kleine Höfe – bis es nichts mehr zu wachsen oder zu weichen gab.
  2. Romy und Katharina Linden wollen mit solidarischer Landwirtschaft dagegen ankämpfen.
  3. Was damit gemeint ist und wie es funktionieren kann, hat sich Stephan Everling angeschaut.

Hellenthal-Wittscheid – Der Wolkenborn macht seinem Namen alle Ehre. Sanft steigt der Abendnebel aus der Wiese, die auf dem Berg über dem kleinen Ort Wittscheid liegt. Hier sind Romy und Katharina Linden aufgewachsen, auf dem elterlichen Hof. Hier haben sie ihre Kindheit verbracht, hier planen sie auch ihre Zukunft. „Kollektiv Wolkenborn“ heißt das Projekt, benannt nach dem Flurstück am Waldrand.

Trotz aller Probleme in der Landwirtschaftsbranche nimmt der Lindenhof, den Katharina Linden zurzeit mit ihren Eltern im Nebenerwerb bewirtschaftet, eine zentrale Rolle in dieser Planung ein. „Wachsen oder weichen“ hieß es jahrzehntelang für die kleinen Höfe – bis es nichts mehr zu wachsen oder zu weichen gab. Die Maschinen werden immer größer, die chemischen Eingriffe immer ausgeklügelter. Nach industriellen Maßstäben werden Lebensmittel erzeugt, auch wenn es Tiere sind, die Besseres verdient hätten als ein Dasein im Kastenstand oder tagelange Transporte.

„Solawi“ als Antwort auf die Krise

Für die Wittscheider Schwestern heißt die Antwort „Solawi“. Damit ist weder ein westafrikanischer Staat noch ein neu entdecktes tibetanisches Superfood gemeint: Solawi ist die Abkürzung für Solidarische Landwirtschaft. Es bezeichnet eine Änderung des Vermarktungssystems, mit dem der so produzierende Bauernhof agiert.

„Gnadenbrotkuh“ Ella (vorne) ist so etwas wie das heimliche Maskottchen des Hofs.

Romy Linden beschreibt das Prinzip so: „Nicht das Lebensmittel an sich wird bezahlt, sondern die Produktion.“ Eine Gruppe von Konsumenten schließt sich zusammen, um die Produktionskosten eines landwirtschaftlichen Betriebs zu finanzieren.Dieses Konzept ist also nicht an der Menge des erzeugten Produkts orientiert – der Kunde trägt Krisen mit und profitiert auch von Erntespitzen. Auf dem Lindenhof wurde das Konzept bei einem Info-Abend vorgestellt. Das Interesse war groß: Rund 120 Zuhörer kamen, um sich im Kuhstall des Hofes über die neue Wirtschaftsform informieren zu lassen.

Hoch über dem Lindenhof liegt „Wolkenborn“, der seinem Namen alle Ehre macht.

Das Vorhaben klingt visionär. Auf zwei bisher als Grünland genutzten Fluren des Hofes soll demnächst Gemüse angebaut werden. 1,7 Hektar ist die Fläche groß, die so bearbeitet werden soll. „Romana Wolf, mit der wir das Konzept für unser Solawi-Projekt gemeinsam entwickelt haben, ist derzeit auf einem Hof in Nordschweden, wo Gemüse angebaut wird“, berichtet Romy Linden. Dort sei die Vegetation ähnlich wie in der Eifel: „Erntezeit ist dort mithilfe von Folientunneln und Gewächshäusern von Mai bis Oktober.“

„Ich will, dass die Menschen einen Bezug zum Lebensmittel haben“

Mit dem Projekt wollen die beiden Frauen auch ein wenig Vorreiter sein. „Wir wollen, dass kleine Höfe eine Zukunft haben“, so Katharina Linden. Sie betreibt mit den Eltern den Hof in Mutterkuhhaltung. Die Rinder werden direkt auf dem Hof geschlachtet und vermarktet, Transporte gibt es nicht.

„Ich will, dass die Menschen einen Bezug zum Lebensmittel haben“, sagt sie. Die Leute seien weit weg, keiner sehe das Tier. Aber jedes Fleisch habe ein Gesicht – also erhalten die Kunden mit dem Fleisch auch ein Foto der Kuh, von der es stammt. „Es kann nicht sein, dass ein Milchkalb acht Euro kostet und eine Schachtel Zigaretten sieben“, kritisiert sie. Mit ihrer Schwester will sie zeigen, dass es auch anders geht.

Solawi

„Community supported agriculture“, zu Deutsch gemeinschaftlich unterstützte Landwirtschaft, heißt das Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi). Entstanden ist es in den 1960er-Jahren in Japan, wo es als Teikei bekannt ist. Seit den 1980er-Jahren ist das Prinzip auch in Europa bekannt. Es gewinnt in den vergangenen Jahren auch in Nachbarländern wie Österreich, Schweiz oder Frankreich immer mehr Anhänger.

In Deutschland ist es der Verein Solawi, der für eine Vernetzung sorgt. „2011 waren es in Deutschland 25 Höfe, die so gewirtschaftet haben, heute sind es 300, 80 weitere sind in Gründung“, so Katharina Linden. (sev)

Und so ist Ella, die „Gnadenbrotkuh“, so etwas wie das heimliche Maskottchen des Lindenhofs. Auch wenn die Fleischerzeugung nichts mit dem Solawi-Projekt zu tun hat, wie die beiden Schwestern betonen. Seit 2011 beschäftigt sich Katharina mit der Idee, ihren Hof so zu bewirtschaften.

Es wartet viel Arbeit

Bevor das erste Gemüse geerntet und unter den Genossenschaftsmitgliedern verteilt ist, wartet viel Arbeit auf die Frauen. Die Gründung der Genossenschaft, die den Gemüseanbau finanzieren soll, muss gestemmt werden.

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Es muss ein Gärtner gefunden werden, der sich um den Anbau kümmert, und die Infrastruktur muss aufgebaut werden. Die Schwestern selbst wollen die Initiatoren sein. „Die Genossenschaftsmitglieder sollen bei Helfertagen mitarbeiten, um ein Gefühl für die Arbeit zu bekommen, die in die Erzeugung eines Lebensmittels fließt“, so Katharina Linden.

Informationen zum Projekt gibt es unter Tel. 0160/5508628 oder per E-Mail.post@kollektiv-wolkenborn.de