Durch Hochwasser zerstörtTraditionshaus Mode Knie in Kall schließt nach 134 Jahren
Kall – Es ist eine Ära, die Anfang März zu Ende gehen wird: Nach knapp 134 Jahren schließt mit Mode Knie eines der wenigen verbliebenen, inhabergeführten Modehäuser im Kreis Euskirchen.
„Es ist schade, dass die Tradition nun zu Ende geht. Aber das ist halt Schicksal“, erklärt Inhaber Manfred Knie mit feuchten Augen. Seine Ehefrau Silke, die das Geschäft mit ihm in der vierten Generation führt, betont: „Wir haben nach der Flut nicht die Kraft, alles wieder aufzubauen und den Laden neu zu eröffnen.“ Der Räumungsverkauf läuft noch bis zum 5. März. In die Räume zieht danach eine Zahnarztpraxis ein.
1888 in Urft gegründet
„Mein Urgroßvater Matthias hat das Unternehmen 1888 in Urft gegründet“, erzählt Manfred Knie. „Ich habe diese Tradition gerne fortgeführt. Aber der Onlinehandel, die Dauer-Baustelle vor unserer Tür und die Corona-Pandemie haben es uns in den vergangenen Jahren ohnehin nicht leicht gemacht“, sagt der 56-Jährige.
Dann sei auch noch die Flut gekommen. „Die Zerstörungen waren letztlich so groß, dass wir den Geschäftsbetrieb nicht wieder aufnehmen werden“, sagt der Inhaber, der seit mehr als 30 Jahren an Multipler Sklerose leidet.
Acht Immobilien der Familie sind von der Flut betroffen. Knie spricht von einem Schaden im siebenstelligen Bereich. Alle Gebäude sollen so schnell wie möglich wieder hergerichtet werden. Das gleich neben dem Modehaus liegende Döner- und Pizzahaus wird für einen Restaurantbereich um rund 70 Quadratmeter vergrößert.
Zu alt, um weiterzumachen
„Wenn wir zehn Jahre jünger gewesen wären, hätten wir vielleicht weitergemacht“, sagt Silke Knie. Um den Wiederaufbau kümmere sich nun Sohn Luis. „Er kommt zwar auch aus der Modebranche. Doch für ihn kam die Option, dass Geschäft zu übernehmen, jetzt zu früh und zu plötzlich“, erläutert die 53-Jährige.
Die Geschichte von Mode Knie
Die Geschichte von Mode Knie
In Urft gründete Matthias Knie am 1. Oktober 1888 eine Textil-Manufaktur. Erst 1911 wurde ein Verkaufsgeschäft eröffnet. Nach dem Tod des Vaters übernahm Sohn Hermann Knie den Betrieb und vergrößerte ihn in den folgenden Jahren. An das Geschäft wurde eine Schneiderei angebunden, in der in Spitzenzeiten bis zu 30 Gesellen und Näherinnen in Schichtarbeit beschäftigt waren. Neben Maßanfertigungen wurden dort auch Kostüme, Röcke, Hosen, Anzüge und Mäntel sowie Arbeitskleidung hergestellt.
1949 trat dann Hermann Josef Knie, ein gelernter Schneider und Enkel des Firmengründers, als Teilhaber in das Unternehmen ein. Drei Jahre später zogen das Geschäft und die Schneiderei an den heutigen Standort an die Kaller Hindenburgstraße um. Die Textil-Manufaktur stellte in den Folgejahren die Produktion allmählich ein. Hermann Josef Knie machte sich 1963 selbstständig und führte, unterstützt von seiner Ehefrau Mathilde, das Textilgeschäft weiter. Sohn Manfred Knie stieg 1986 in den Familienbetrieb ein und übernahm Mitte der 90er Jahre mit seiner Frau Silke die Geschäftsführung.
Im Rahmen eines Umbaus wurde die Geschäftsfläche 1999 auf 400 Quadratmeter verdoppelt. Das 125-jährige Bestehen der Firma wurde im Jahr 2013 groß gefeiert.
Manfred Knie hatte bei Robert Ley in Euskirchen eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gemacht und war Mitte der 80er-Jahre in das Geschäft seines Vaters Hermann Josef eingestiegen. „Mit ihm bin ich auch noch auf Märkte gefahren, um Berufskleidung und Hüte zu verkaufen“, erinnert sich der Kaller.
Ehefrau Silke ist seit 1992 im Betrieb. Die gelernte Steuerfachgehilfin kümmerte sich zuerst um die Buchhaltung, „bis das irgendwann zu viel wurde“.
„Mode war unser Leben, und es war immer schön, neue Kollektionen auszusuchen“, erzählt Silke Knie. Der Kontakt zu den Kunden sei ihr, ihrem Mann und auch den Mitarbeiterinnen stets sehr wichtig gewesen. „Dabei haben wir auch schon mal das eine oder andere Alltagsproblem besprochen.“ Der Umgang, auch mit den Lieferanten, sei stets sehr familiär gewesen.
Kunden bedauern das Aus
Viele Kunden bedauern, dass jetzt Schluss ist. „Eine Frau rief an und sagte, dass sie so gerne noch einmal kommen wolle, aber sie sei gerade an der Hüfte operiert worden“, berichtet Silke Knie: „Die Frau sagte, sie habe sich bei uns im Laden immer so wohl gefühlt.“
„Wir hatten zunächst einen anderen Plan und standen kurz vor Abschluss mit einem Interessenten, der unser Modehaus fortführen wollte. Doch am Ende haben wir uns anders entscheiden“, führt Manfred Knie aus: „Das ist uns wirklich schwer gefallen. Mode war unser Leben. Perspektivisch ist es für uns aber der richtige Weg.“
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Nun werden die Räume langfristig an einen Zahnarzt vermietet. „In Zukunft werden wir uns um die Hausverwaltung kümmern und die freie Zeit genießen, die wir bislang kaum hatten“, freut sich Silke Knie. Die Hobbygolferin hat nun auch etwas mehr Zeit, um ihr Handicap zu verbessern: „Außerdem werden wir sicherlich auch mehr verreisen.“