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Wiederaufbau nach der FlutFamilie aus Kall schafft Wohlfühlgarten für Mensch und Tier

Lesezeit 4 Minuten
Sonja König (l.) führt eine Besuchergruppe durch ihren Naturgarten.

Den Mitgliedern der Initiative „Kall blüht auf“ erklärt Sonja König (l.) die „geordnete Unordnung“ ihres preisgekrönten Naturgartens, den sie mit ihrem 14-jährigen Sohn Ben gestaltet hat.

Ein erfolgreicher Neuaufbau nach der Flut: Familie König aus Kall wurde für die naturnahe Gestaltung ihres Gartens ausgezeichnet.

Als Refugium für Mensch und Tier hat Familie König aus Kall im Jahr 2021 einen großen Garten angelegt – ein grünes Idyll direkt an der Urft. „Als alles fertig war, wurde der Garten jedoch beinahe komplett durch die Flut zerstört“, berichtet Sonja König: „Das Wasser stand knapp zwei Meter hoch draußen am Haus, bevor die Fenster barsten und die braune Brühe das Erdgeschoss flutete.“ Die Schäden am Wohnhaus der Familie: immens. Und auch vom liebevoll angelegten Garten blieb nicht viel mehr als eine Müll- und Geröllwüste übrig.

„Noch bevor alle Schäden im Haus beseitigt waren, haben wir mit dem Aufbau des Gartens begonnen, was viele Nachbarn und Freunde vielleicht etwas irritiert hat“, berichtet Sonja König beim Besuch der Initiative „Kall blüht auf“, in der sie sich zusammen mit Sohn Ben (14) engagiert. „Aber in dieser unruhigen Zeit, mit den Handwerkern und dem Lärm im Haus, haben wir dringend einen Rückzugsort gebraucht.“

14-Jähriger aus Kall überrascht mit breitem Gartenwissen

Wer gepflegte Blumenbeete, sauber in Reih und Glied wachsendes Gemüse und einen englischen Rasen erwartet, wird allerdings herbe enttäuscht: Wenn man den wild wuchernden Naturgarten hinter dem Haus der Königs heute betritt, wird man von mannshohen Disteln und Brennnesseln empfangen.

Hier wurden auf besonders einfallsreiche und kreative Art und Weise viele unterschiedliche Lebensräume für Tiere und Pflanzen angelegt.
Friede Röcher, Initiatorin von „Kall blüht auf“

„Seit dem Jahr 2022 haben wir den Garten Stück für Stück wieder neu aufgebaut“, sagt Ben, der sich mit seinen 14 Jahren eine erstaunliche Fülle an Gartenwissen angelesen hat: „Dieses Mal sind wir jedoch einen etwas anderen Weg in der Planung gegangen.“

Üppig bewachsene Hochbeete in einem Garten. Im Hintergrund sind einige Besucher und ein Folientunnel zu sehen.

Wegen der natürlichen Bleibelastung hat Familie König für Kräuter und Gemüse Hochbeete im Garten angelegt.

Die bestehenden Trampelpfade wurden als Grundgerüst für die neuen Wege genommen. „Wir gestalten jetzt unsere Räume um die wilden Pflanzen herum, lassen der Natur noch viel mehr Raum und greifen nur minimal lenkend ein“, erklärt Ben das neue Konzept. Um sich die meist nicht so geläufigen Namen der Wildpflanzen zu merken, hat Sonja König entsprechende Schiefertafeln angefertigt: „Mit der Zeit bleibt dann doch so manches hängen.“

Garten aus Kall im Frühjahr mit einer Goldmedaille ausgezeichnet

Mit ihren zahlreichen Gartenideen haben die beiden Gartengestalter aus der Familie, die bei der Umsetzung auch tatkräftig von Vater Arnold und Tochter Ina unterstützt wurden, jetzt sogar einen Preis gewonnen: Im Rahmen des bundesweiten Projekts „Tausende Gärten, tausende Arten“ wurde der Garten der Königs in diesem Frühjahr für seine naturnahe Gestaltung mit einer Gold-Medaille ausgezeichnet. „Die Bewertungskommission kam schon recht früh im Jahr zu uns“, erinnert sich Sonja König an den Besuch: „Ich dachte schon: Das war's jetzt, denn außer ein paar frühen Löwenzähnen hat da noch gar nichts bei uns geblüht.“ Die Gartenexperten waren trotzdem begeistert.

Aufgestapelte Klinkersteine liegen in einem Garten.

„Die übrig gebliebenen Klinker haben wir extra mit Lücken aufgestapelt. So finden Kleintiere einen Unterschlupf“, erklärt Gartenexperte Ben.

An einem Holzstapel ist eine Schiefertafel mit der Aufschrift „Große Klette“ angebracht, auf die Sonja König mit ausgestrecktem Arm zeigt.

Namenstafeln an den Pflanzen erleichtern die Wiedererkennung.

Und auch Friede Röcher, eine der Initiatorinnen von „Kall blüht auf“, freut sich über den Erfolg ihrer gartenbegeisterten Mitstreiter: „Hier wurden auf besonders einfallsreiche und kreative Art und Weise viele unterschiedliche Lebensräume für Tiere und Pflanzen angelegt.“

Wer seinen Garten ebenfalls naturnah gestalten möchte, kann mit geringem Aufwand zahlreiche Ideen von Ben und Sonja König im eigenen Garten umsetzen. Kleintiere und Insekten finden zum Beispiel in den zahlreichen Holz- und Reisighaufen, die sich über das gesamte Gartengelände verteilen, Nahrung und Unterschlupf. „Wir haben das ganze Holz, das bei der Flut angespült wurde, einfach aufgestapelt“, erklärt Ben. Auch verschiedene Steinhaufen finden sich auf dem Gelände.

Naturgarten in Kall als Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten

Leere Schneckenhäuser auf dem Boden sowie mit Heu- und Stroh gefüllte Tontöpfe, die kopfüber aufgehängt sind, bieten verschiedenen Insektenarten ebenfalls einen neuen Lebensraum. „Anderen Tierarten dienen dann wiederum diese Insekten als Nahrung“, erklärt Ben weiter. Unter dem Giebel des Wohnhauses wurden Fledermauskästen installiert, die Nistkästen in den zahlreichen Obstbäumen werden regelmäßig von verschiedenen Vogelarten bezogen, die ihren Nachwuchs im Garten der Königs großziehen.

Vor einem Holzstapel steht ein Metall-Windrad mit roten Flügeln.

Noch ein Lebensraum: Das bei der Flut angeschwemmte Holz wurde zu großen Stapeln aufgeschichtet.

Weitere Lebensräume im Garten sind ein Lehmtümpel und eine Lehmpfütze. Hier finden zum Beispiel Schwalben Material für den Nestbau. Auf den großen, aufgebockten Wassertanks, in denen das Regenwasser gesammelt wird, wurde ein Steingarten angelegt, darunter befindet sich weiteres Trockenmaterial von abgestorbenen Pflanzen.

Wegen der Bleibelastung in Kall wurden Hochbeete für Gemüse angelegt

„Ähnlich wie bei Staudenpflanzen ist es auch bei Brennnesseln und anderen wildwachsenden Pflanzen wichtig, die Stängel über den Winter stehen zu lassen und erst im Frühjahr abzuräumen: So können darin Insekten und andere Tiere überwintern“, weiß Ben, der sich im Garten mit seinen vielen Nischen und geschützten Winkeln auch selbst sichtlich wohlfühlt.

Aber auch der Mensch muss von etwas leben, daher haben die Königs zudem mit dem Anbau von Kartoffeln, Kräutern und etwas Gemüse begonnen. „Weil der Boden hier eine natürliche Bleibelastung aufweist, haben wir dafür allerdings Hochbeete angelegt“, sagt Sonja König. Das Pflanzenmaterial aus diesen Beeten landet daher auch auf einem extra Komposthaufen: „Der eine ist bleifrei, der andere nicht.“

Rat und Unterstützung in allen Fragen rund um den Garten finden Interessierte bei den regelmäßigen Treffen der Initiative „Kall blüht auf“. Aktuelle Termine findet man auf der Internetseite der Initiative.