- Das Hochwasser stellt viele Projekte infrage. F&S concept will bei Neubaugebieten einen neuen Weg gehen.
- Zu jedem Veedel wird es künftig eine eigene Erdwärmepumpe und einen Solarpark geben.
- Ökologie steht im Vordergrund: Revolutionäre Lampe gegen Insektensterben.
Kreis Euskirchen. – Ein komplettes Neubaugebiet klimaneutral gestalten? Also kein Ausstoß von klimarelevanten Gasen, beispielsweise Kohlendioxid (CO2), in einem gesamten Wohnquartier? Geht es nach Georg Schmiedel, Geschäftsführer des Projektentwicklers F&S concept, ist das möglich. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Sofort. Im Kreis Euskirchen.
Schmiedel geht sogar noch weiter. „Wir wollen bei unseren Baugebieten den Eingriff so gering wie möglich halten.“ Und, so der Geschäftsführer: Man wolle ökologisch nach dem Erstellen des Quartiers besser dastehen als vorher. Der letzte Punkt sei beim Erarbeiten des Konzepts „Klimaneutrale Wohnquartiere“ besonders herausfordernd gewesen. Dank der Erfahrungen der vergangenen Jahre, aber vor allem durch die intensive Zusammenarbeit mit dem Naturschutzbund (Nabu), sei es gelungen, auch hinter diesem Vorhaben einen Haken zu machen.
Erdwärmepumpe
Der Projektentwickler hat sich weitere Hilfe geholt. Durch die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut in Dortmund setzt F&S künftig auf eine Erdwärmepumpe. Sie nutzt vorhandene Wärme aus der Erde zum Heizen der Wohnräume sowie zur Warmwasserbereitung. Sie funktioniert nach dem Prinzip eines Kühlschranks – nur umgekehrt. Vereinfacht gesagt, nimmt das Gerät vorhandene Wärmeenergie aus der Erde auf, verdichtet sie und transportiert sie ins Haus. Schon in wenigen Metern Tiefe liegt die Temperatur des Bodens konstant bei mehr als zehn Grad – unabhängig von der Jahreszeit. Durch den Einsatz von gasförmigem Kühlmittel, das durch Metallrohre im Erdreich strömt, entsteht laut Schmiedel ein Temperaturunterschied von etwa 22 Grad.
Spezielle Lampen
Der Euskirchener Projektentwickler F&S concept, der beispielsweise in Mechernich und Zülpich zahlreiche Baugebiete umsetzt, ist unter die Erfinder gegangen. Mit dem sauerländischen Unternehmen Trilux und dem Nabu hat die Euskirchener Firma ein ökologisches Lampenkonzept entwickelt.
Die LED-Straßenlaternen bestehen aus zwei Leuchtkörpern. Einer mit Amberlicht – ein sehr gelbes Licht. „Das ist extrem insektenfreundlich, weil es keinen Blaulichtanteil hat und deshalb keine Insekten anlockt“, erklärt Georg Schmiedel, Geschäftsführer von F&S.
Das Problem sei aber, dass das Licht nicht der DIN-Norm entspreche, um einen Gehweg vernünftig auszuleuchten. Deshalb werde in den Lampen ein Bewegungssensor verbaut. Er erkennt, wenn sich ein Mensch der Lampe nähert. Dann springe der zweite Leuchtkörper, eine helle LED-Lampe, an. „Das helle Licht folgt der Person, die da langgeht. Die eine Lampe fährt hoch, die andere runter“, berichtet Schmiedel: „Vor und hinter ihm ist immer das gelbe Licht, und das Tolle ist, dass die Lampe erkennt, ob da ein Mensch kommt oder ein Auto.“
Die Lampen werden nun im Baugebiet in Firmenich, dort entstehen 33 Häuser, getestet. „Bewehren sie sich, gehen die Lampen in die Großproduktion“, so Schmiedel.
Das Konzept „Klimaneutrale Wohnquartiere“ will F&S concept allen Kommunen anbieten, damit künftige Wohnquartiere wesentlich nachhaltiger realisiert werden. „Wenn wir klimaneutral werden wollen, müssen wir jetzt damit anfangen“, so Georg Schmiedel. (tom)
Das Kühlmittel werde innerhalb der Wärmepumpe komprimiert, so entstehe die Wärme, mit der das Haus geheizt werden könne. „Das Besondere ist, dass nicht jeder an seinem Haus nach der Wärme bohrt, sondern dass wir in zentralen Feldern alle Bohrungen absetzen, die für das gesamte Quartier erforderlich sind, und an einer Stelle bündeln“, erklärt Schmiedel. Über ein sogenanntes kaltes Nahwärmenetz wird die Energie im Wohnquartier verteilt.
Im Kreis Euskirchen geht das Unternehmen eine Kooperation mit e-regio ein, die die Anlagen als Energieversorger komplett betreiben wird, so Schmiedel. Das Nutzen der Energiequelle Erdwärmepumpe sei Voraussetzung, um ein Grundstück von F&S zu erhalten, so Schmiedel. Die Erdwärmepumpe werde im Grundbuch eingetragen. Dies gelte für alle neu geplanten Neubaugebiete – auch die in den Stadtgebieten Bad Münstereifel und Mechernich, die Schmiedel in der kommenden Woche vorstellen wird.
Eigener Solarpark
Um den Strom zu produzieren, den die Wärmepumpen benötigen, will F&S künftig nach eigenen Angaben neben jedem Wohnquartier einen eigenen Solarpark errichten. Dafür habe man bereits die Zusage der Bezirksregierung, da er der Versorgung des Gebiets mit Strom diene. „Man kann ja sonst nicht wahllos einen Solarpark bauen. Aber: Es wird von uns künftig kein Wohngebiet mehr ohne Solarpark geben. Eine Ausnahme ist höchstens, dass das Gebiet sehr klein ist, dann machen wir alles über die Anlagen auf den Dächern“, sagt Schmiedel. Auf einer Fläche von einem Hektar sei man in der Lage, einen Solarpark zu bauen, der etwa 900 000 Kilowatt-Stunden Strom produziere. „Damit kann ich 150 Drei-Personen-Haushalte heizen, klimatisieren und mit jeglichem Strom versorgen, der sonst nötig ist“, berichtet der Experte: „Und spare damit 427 Tonnen CO2 jährlich ein, die sonst bei einer normalen Gastherme in die Luft gegangen wären.“
Auch bei bereits konkret geplanten Wohngebieten im Kreis Euskirchen soll in Sachen Solarpark nachgesteuert werden.
Naturschutz
Die Solarparks samt den Freiflächen sollen laut Schmiedel zum Refugium für seltene Tier- und Pflanzenarten werden. Die Beweidung werde durch Schafe erfolgen, Totholzhaufen und Trockenmauern sollen Insekten und anderen Tieren dienen. Zudem wird es in der Nähe der Wohnquartiere als Ausgleichsfläche Streuobstwiesen geben. Dort sollen auch Nisthilfen für Schwalben entstehen. Die Einfriedung der Grundstücke wird dem Projektentwickler zufolge mit Hecken erlaubt sein. Wer wegen Kindern oder Haustieren einen Zaun möchte, muss ihn hinter der Hecke verstecken.
Zudem soll vorgeschrieben werden, dass alle Flachdächer als Gründächer ausgewiesen werden. Bei der Dachform werde auf die Teerpappe verzichtet, die das Haus im Sommer nur unnötig aufheize. Stattdessen wird eine dickere Schicht Granulat auf der Dachfläche verteilt. Das habe zum einem eine Regenrückhaltefunktion, zum anderen bieten die Pflanzen Lebensraum für Insekten. Und einen kühlenden Effekt gebe es auch noch, so Schmiedel.
ÖPNV
Die Anbindung des Wohnquartiers an den Öffentlichen Personennahverkehr sei eine Selbstverständlichkeit, so Schmiedel. Auch die Anbindung an Radwege stehe oben auf der Prioritätenliste. So sei man beim geplanten Wohngebiet Seeterrassen in Zülpich dabei, eine direkte Radweganbindung zum Zülpicher Bahnhof zu schaffen.
Hochwasser
Das Konzept für klimaneutrale Wohnquartiere genieße bereits seit eineinhalb Jahren oberste Priorität, so Schmiedel. Durch die Flutkatastrophe habe das Thema aber noch einmal an Brisanz gewonnen. Auch auf den Hochwasserschutz werde man das Augenmerk richten. So stehe man beim geplanten Wohnquartier im Raum Mechernich im engen Austausch mit dem Erftverband, um möglicherweise einen Bach zu verlegen und aus der Verrohrung herauszuholen, um so den Hochwasserschutz zu erhöhen.
Entwässerung
Ein wichtiger Punkt sei auch die Versiegelung der Flächen. Bisher fließt das Regenwasser in einen separaten Regenwasserkanal und dann beispielsweise – wie in Kirspenich – in die Erft. Künftig wird es individuelle Konzepte, abhängig vom Untergrund, geben, die das Wasser vor Ort halten werden. So sind unterirdische Tunnel angedacht, in die der Regen fließt und dann versickert.
„Wenn es stärker regnet, staut es sich im Tunnel auf. Erst wenn er komplett voll ist, fließt das Wasser in den Kanal“, so Schmiedel: „Alle normale Regenereignisse kommen nicht im Kanal an, sondern werden im Gebiet gespeichert und versickern dort.“ Man schaffe damit ein System, das natürlich sei.
Sozialer Wohnungsbau
„Wir werden geförderten Wohnungsbau durchdrücken, auch wenn die Politik das vielleicht nicht so gerne hört“, sagt der Geschäftsführer. Auch Mehrfamilienhäuser würden verstärkt gebaut. Beispielsweise werde es in einem Gebiet mit 50 Grundstücken zwei oder drei Sechsfamilienhäuser geben. „Wir müssen sehen, dass in den Quartieren ein vernünftiger gesellschaftlicher Mix ist“, so Schmiedel.
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