Einzelhandel in Euskirchen„Werden die modernste Stadt Deutschlands“
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Die komplette Euskirchener Geschäftswelt liegt am Boden. Sie soll wieder aufgebaut werden.
Einzelhändler wollen eine hochmoderne Innenstadt auf die Beine stellen.
Euphorie und Pragmatismus herrscht bei vielen Händler vor. Sie hoffen aber auf Unterstützung.
Euskirchen – „Unmöglich“, sagt die Tatsache. „Versuch es“, flüstert der Traum. Dieser Spruch hängt am Printenhaus in Bad Münstereifel. So sehr er auf die Kurstadt zutrifft, so sehr gilt er auch für die Euskirchener Innenstadt. Etwa 200 Geschäfte und Dienstleister sind durch das Hochwasser beschädigt worden – teilweise schwer.
Spätestens in diesen Tagen hat man in Euskirchen den Eindruck, dass der Traum über die Tatsache die Oberhand behält. „Wir werden die modernste Stadt Deutschlands sein“, sagte Christian Lange, Geschäftsführer des Euskirchener Schuhhauses Lange und Ausschussvorsitzender für Euskirchen beim Einzelhandelsverband Bonn-Rhein-Sieg-Euskirchen, beim ersten Innenstadtdialog nach dem verheerenden Hochwasser. Da die meisten Geschäfte von Grund auf erneuert werden müssten, liege es auf der Hand, dass Euskirchen viel moderner werde. Und das in geballter Form.
Auch im Schuhhaus Lange wird schon fleißig gearbeitet. Gleich auf zwei Baustellen. Denn nicht nur der Wiederaufbau des Geschäfts an der Neustraße steht im Fokus, sondern auch die Übergangslösung für Kinderschuhe an der Georgstraße. Dort werden ab sofort ausschließlich Kinderschuhe verkauft. Und für jeden Kauf erhalte der Kunde einen Gutschein dazu, der in der gesamten Stadt eingelöst werden könne. „Wir schaffen das nur zusammen“, sagte Lange. Wie viele andere Gewerbetreibende wünscht er sich ein gemeinsames Marketingkonzept von Handel, Stadt und Zeus.
Den Wunsch nahm Svenja Zeimetz von der Stadt wohlwollend auf. Die Wirtschaftsförderin und City-Managerin sagte schon vor Beginn des Austauschs, dass es möglicherweise sinnvoller sei, wenn einige Geschäfte zeitgleich wiedereröffneten und so eine Art Sogwirkung erzielen könnten. Das Sanitätshaus Urack eröffnet zwar noch nicht an der Wilhelmstraße, dafür bieten die Mitarbeiter einen Zuhause-Service an. Und auch sonst werden die Lichtblicke immer mehr.
Viele kündigen Comeback an
Im Dialog wurde verkündet, dass die Mode-Filiale „Orsay“ mit einem veränderten Konzept wiederkommen wolle. Auch Jaques’ Weindepot kündigte das Comeback in einigen Wochen an. Das Café Manufaktur am Platz am Gardebrunnen teilte ebenso wie das spanische Restaurant Callito mit, wieder eröffnen zu wollen. Wann genau, stehe aber noch nicht fest. Gleiches gilt laut Carol Wartig auch für Meisteroptik an der Wilhelmstraße und die Parfümerie Becker an der Ecke Wilhelmstraße/Neustraße.
Das Haus gehört der Familie Eschweiler. Edgar Eschweiler sagte, dass Becker gleich an mehreren Standorten vom Hochwasser betroffen sei. Neben Euskirchen habe die Flut auch in Stolberg und Ahrweiler enorme Schäden verursacht. Für Euskirchen habe man aber erklärt, wiederkommen zu wollen, so Eschweiler. Es dürfe keine Tabus geben. Offene Sonntage, keine Parkhausgebühren. Die Menschen müssen laut Günter Blauen, Geschäftsführer des Modehauses Prinz, wieder in die Innenstadt gelockt werden. „Mit jedem Monat, an dem wir nicht am Start sind, wird es schwieriger, in die Köpfe der Menschen zu kommen“, sagte der Prinz-Chef: „Ich glaube, die in Düsseldorf wissen gar nicht, dass hier ein komplettes Mittelzentrum am Boden liegt.“ Es überrasche ihn, dass das Ausmaß, mit dem das Hochwasser die Euskirchener Geschäftswelt getroffen habe, nicht über die Grenzen des Kreises hinaus bekannt sei. „Wir haben Angst, dass wir alleingelassen werden“, so Blauen, der das Modegeschäft Prinz Anfang Oktober wieder öffnen will.
Beate Prill betreibt das Café Wolkensüß am Klosterplatz. „Wir haben hier in Euskirchen unseren Traum wahrwerden lassen“, sagte sie. Ziel sei es, dass Café im Dezember wieder zu eröffnen. Kurzfristiger sei es nicht möglich, bedauert sie. „Der Ladenbauer hat uns jegliche Illusion auf eine frühere Wiedereröffnung genommen. Die Nachfrage ist einfach so groß“, berichtete Prill, die darauf hofft, dass der Bund sein Versprechen wahrmacht und möglichst schnell einen Wiederaufbaufonds beschließt. „Wir haben sonst einfach kein Geld“, so die Wolkensüß-Chefin.
Das Art-House an der Stelle des ehemaligen Filmeck sei zerstört, werde aber wieder aufgebaut. „Wir sind versichert“, so Geschäftsführerin Claudia Hebbel. Bis im Art-House wieder Filme gezeigt werden können, werden wohl noch Monate vergehen. So lange müsste es – wenn es nach Hebbel geht – im Kino-Center Galleria nicht dauern. „Wir können derzeit nicht alle Auflagen erfüllen. Wir sind ein wenig von der Flexibilität der Stadt abhängig“, sagte sie. So funktioniere etwa der Aufzug nicht. Die Besucher könnten aber über die Notausgänge und Fluchtwege ins Kino gelangen. Da der untere Bereich der Galleria sicherlich noch Monate einer Baustelle gleiche, sei das eine Möglichkeit, wieder ein wenig Leben in die Stadt zu bringen.
Ein Aspekt, der sowohl Zeimetz als auch Bürgermeister Sacha Reichelt gefiel. Der Verwaltungschef kündigte auch gleich an, dass man in der jetzigen Phase bestrebt sei, „einen neuen Standard in Sachen Flexibilität zu setzen“. Die Verwaltung stehe im ständigen Austausch mit der Landesregierung. Dieser Austausch könnte auch helfen, wenn es um die künftige Energieversorgung in den Euskirchener Geschäften geht. So wurde angeregt, dass die Geschäfte künftig einheitlich von Blockheizkraftwerken mit Energie gespeist werden. Eine Idee, die durchaus gut ankam. Allerdings mit einem großen Aber. Schließlich stehe eine solche Entscheidung schon kurzfristig an, da viele Geschäfte bereits entkernt seien, sagte ein Teilnehmer. Deshalb müsse es schnell gehen, damit nicht letztlich doch wieder jeder sein eigenes Süppchen koche. Bürgermeister Reichelt betonte immer wieder: „Wir sehen uns als Möglich-Macher-Verwaltung.“ Entsprechend sei man auch für einen solchen Wunsch offen. Gleiches gelte für das Integrierte Handlungskonzept. „Es darf keine Tabus geben. Wir können, nein, wir müssen über alles reden“, so der Verwaltungschef.
Auch bei Carlo Wiskirchen, Chef des Galleria-Centers am Klosterplatz , ist längst die Pack-an-Mentalität da. „Es wird sicherlich ein halbes Jahr dauern, bis alles entkernt ist“, so Wiskirchen. Der verheerende Schaden biete aber durchaus Möglichkeiten. So könne sicherlich über den einen oder anderen Zuschnitt eines Ladenlokals gesprochen werden.
Bei aller Euphorie und Wir-packen-an-Mentalität, die die knapp 40 Teilnehmer versprühten, gibt es auch Rückschläge zu verkraften. So wird die Metzgerei Esser am Klosterplatz nicht wieder eröffnen.