Kreis Euskirchen – Bei der geplanten Elektrifizierung der Eifelstrecke der Deutschen Bahn AG von Köln bis Kall sollen entlang der Strecke und auf den Gebäuden Photovoltaikanlagen dafür sorgen, dass der benötigte Strom für die Züge und Bahnhöfe gleich vor Ort produziert wird. Das schlägt der Verein Windenergie Nordeifel (WNV) vor, der sich für den Einsatz von erneuerbaren Energien einsetzt. Sebastian Poensgen, Vorstand der Priogo AG in Zülpich, die seit 20 Jahren nachhaltige Energielösungen anbietet, geht noch einen Schritt weiter: „Die Eifelstrecke sollte ein Pilotprojekt für autonomes Fahren werden.“ Ein Bahnsprecher verweist in puncto Photovoltaik (PV) auf zwei große Solarparks in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, deren Strom für die Züge genutzt werde. Viele weitere Projekte seien in Planung.
Bislang tut sich die Bahn AG schwer mit Solaranlagen (siehe „Bislang nur drei Bahnhöfe“). „Die Bahn AG verkennt noch immer das überragende öffentliche Interesse an erneuerbaren Energien im Kreis Euskirchen und darüber hinaus“, kritisiert Klaus Pütz vom WNV. Nur ganz wenige Photovoltaikanlagen habe das Unternehmen installiert, obwohl reichlich Flächen vorhanden seien und die Bahn auch einer der größten Stromverbraucher in Deutschland sei. Das müsse sich ändern.
Köln-Kall: „Echte effiziente Mehrfachnutzung der Bahnstrecke“
„Bei der aktuell in Planung befindlichen Elektrifizierung der Bahnstrecke Köln-Kall müssen, wo immer möglich, PV-Anlagen berücksichtigt werden. Deren Einsatz sollte künftig ohnehin bei allen Neubau- und Sanierungsstrecken der Bahn geprüft werden“, fordert Pütz. Bei Neubaumaßnahmen müssten eh sehr viele Masten beidseitig entlang der Strecke für die Stromversorgung aufgebaut werden. Die könnten auch für die Halterung von PV-Anlagen genutzt werden. Kabelkanäle seien entlang der Strecken ebenfalls vorhanden. „Zusätzliche Flächen werden nicht versiegelt. Das wäre eine echte effiziente Mehrfachnutzung der Bahnstrecke“, meint Pütz. Ob eine direkte Einspeisung über Trafos in das Fahrstromnetz möglich sei, müsse geprüft werden.
Nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Oktober 2021 betreibt die Deutsche Bahn AG nur auf den drei Bahnhofsdächern im Berliner Hauptbahnhof sowie in Wittenberg und in Kerpen/ Horrem eigene Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung. Das RND beruft sich dabei auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des Dresdner FDP-Abgeordneten Torsten Herbst im Bundestag. Demnach hat die DB an elf weiteren Standorten Dachflächen für Solaranlagen verpachtet. Im Konzern werde geprüft, ob weitere Flächen auf Gebäuden oder Bahnanlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien geeignet seien. Die Deutsche Bahn hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu werden. (wki)
„Wir als WNV haben schon vor Jahren, besonders intensiv 2010, bei der Bahn mündlich und schriftlich nachgefragt, warum die Dachflächen der Gebäude und der Wetterschutz auf den Bahnsteigen im Kreis Euskirchen nicht für PV-Anlagen genutzt werden. Auch eine Anpachtung der Dachflächen am Bahnhof Euskirchen hatten wir angeboten“, berichtet Pütz. Bis heute habe sich aber im Kreis Euskirchen nach Informationen des Vereins nichts getan.
„Der Abschied von fossilen Kraftstoffen ist neben der Umstellung auf 100 Prozent Ökostrom einer der größten Schritte in Richtung klimaneutrale DB 2040“, teilt ein Bahnsprecher mit. Seit 2021 beziehe die Bahn Sonnenenergie aus dem neuen Solarpark in Gaarz bei Plau am See in Mecklenburg-Vorpommern. Der rund 90 Hektar große Solarpark liefere über 30 Jahre Grünstrom für die Züge. Darüber hinaus werde künftig auch Ökostrom aus einem weiteren Solarpark in das deutsche Bahnstromnetz eingespeist. „Die neue Anlage wird im schleswig-holsteinischen Wasbek auf einer Fläche von rund 70 Fußballfeldern errichtet“, teilt der Sprecher mit.
Flächen für Investoren
Mittlerweile sei auch ein Teil der Werkstätten, Bahnhöfe und Lagerhallen mit Solaranlagen ausgestattet. „Viele weitere Solaranlagen werden aktuell geplant und in den kommenden Jahren realisiert“, erklärt der Bahnsprecher. Die Bahn stelle aber auch Flächen für Investoren zur Verfügung, die dort Solaranlagen aufstellen könnten. Im Bereich der Eifelstrecke gebe es aktuell keine Planungen für die Installation von Photovoltaikanlagen auf Bahnsteigdächern.
PV-Anlagen auf Bahnsteigdächern hätten aber auch einen großen Nachteil: „Die Dachflächen von Bahnsteigdächern müssten für eine optimale Nutzung häufig gereinigt und gewartet werden. Die Dächer sind während des laufenden Eisenbahnbetriebs aber nicht zugänglich.“ Für die Arbeiten seien dann Streckensperrungen notwendig, was wiederum Auswirkungen auf die Reisenden hätte. „Darüber hinaus sprechen in einigen Fällen auch statische Gründe gegen eine Installation“, betont der Bahnsprecher. Pütz lässt das nicht gelten: „Reinigungs- und Wartungsarbeiten können durchgeführt werden, wenn Strecken wegen anderer Maßnahmen ohnehin gesperrt werden müssen.“
Teststrecke im Erzgebirge
Auf einer DB-Teststrecke der Erzgebirgsbahn testet ein Unternehmen nach Angaben des Sprechers derzeit den Einsatz von Solarmodulen auf Bahnschwellen. „Wir stellen dem Unternehmen lediglich Flächen auf unserem Testfeld zur Erprobung der Technologie zur Verfügung. Weiterreichende Pläne für eine Zusammenarbeit existieren aktuell nicht“, unterstreicht die Bahn. Das Unternehmen könne so unter realen Bedingungen ausprobieren, ob die Technologie funktioniere und die gewünschten Effekte bringe. Sebastian Poensgen glaubt nicht, dass sich diese Technik durchsetzen wird: „Der Aufwand, die Kollektoren gegen Diebstahl und Beschädigung zu schützen und sie regelmäßig vom Dreck zu reinigen, dürfte wohl zu hoch sein.“ Das gelte auch für die Verkabelung und Installation entlang einer längeren Strecke.
Dem Vorschlag des WNV kann der Energieexperte aber viel abgewinnen: „Es macht grundsätzlich Sinn, auf jedem Gebäude mit entsprechender Größe und Ausrichtung Solaranlagen zu errichten. Auch Carports und andere Überdachungen an den Bahnhöfen bieten ein riesiges Potenzial.“ Da habe die Bahn Nachholbedarf. Es sei auch sinnvoll, den Bau solcher Anlagen durch Public Private Partnerships (öffentlich-private Partnerschaften) zu beschleunigen: „Das öffentliche Ausschreibungsverfahren mit seinen zahlreichen Fristen dauert oft zu lange.“
Die Eifelstrecke und die Oleftalbahn könnten nach Meinung von Poensgen im Rahmen der Elektrifizierung auch mit selbst fahrenden Zügen ausgestattet werden. „Autonomes Fahren ist nirgendwo einfacher zu realisieren als auf einer Bahnstrecke. Die Eifelstrecke und vor allem die Oleftalbahn bieten sich dafür geradezu an“, sagt Poensgen. Deshalb müsse die Strecke Kall-Hellenthal als wichtige Infrastruktur auch „unbedingt wieder aufgebaut“ werden.