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Der Reiz des VerfallsEuskirchener ist Fotograf für „Lost-Places“ wie Tschernobyl

Lesezeit 4 Minuten

Die Fotos, die er in Tschernobyl schoss, zeigt der Gemünder Bernd Wawer derzeit im Schleidener Rathaus.

  1. Bernd Wawer ist begeistert von der Fotografie verlorener Plätze.
  2. Mit seiner Ausstellung will er auf die Gefahren der Atomkraft aufmerksam machen.
  3. Dort werden auch Bilder ausgestellt, die er auf seiner Fototour nach Tschernobyl geschossen hat.

Kreis Euskirchen – Verwüstete Räume, vergessene Akten und Kuscheltiere, verrostete Maschinen – der morbide Charme des Verfalls macht den Reiz der Bilder von Bernd Wawer aus, die derzeit im Rathaus in Schleiden zu sehen sind. Es sind Fotografien dessen, was nach der Katastrophe geblieben ist, von der einst alle gesagt haben, sie sei undenkbar. Denn diese Aufnahmen wurden in dem explodierten Kernkraftwerk in Tschernobyl gemacht.

Wawer, der zu den treuen Teilnehmern des Fotowettbewerbs der Kölnischen Rundschau und des „Kölner Stadt-Anzeiger“ im Kreis Euskirchen gehört, reiste bereits zum zweiten Mal dorthin, um zu dokumentieren, was übrig bleibt, wenn die Menschen gehen (müssen). „Tschernobyl ist der Lost Place an sich, mit Geigerzähler und Dosimeter“, sagt der Gemünder.

Lost-Place-Fotografie ist Wawers Lieblingsthema

Die Lost-Place-Fotografie oder „Urban Exploration“ (Urbex), wie sie auch genannt wird, ist eines der Hauptthemen, denen Wawer sich widmet. Mit dem Bild eines roten Sessels, das er in der Musikschule in Pripjat in dem evakuierten Gebiet rund um Tschernobyl aufgenommen hat, gewann er 2016 den „Sonderpreis Energie“ der e-regio, die Partner im Fotowettbewerb dieser Zeitung ist.

Nachwuchspreis: Workshop für junge Fotografen

Das Foto des Jahres 2018 schoss der Weilerswister Norbert Liebertz. Bei der Preisverleihung regte er einen Nachwuchspreis an. Liebertz, der seit 2010 in der VHS-Fotowerkstatt Rhein-Erft Kurse veranstaltet und Mitglied im Fotoclub „Lichtjäger“ ist, erklärte sich bereit, mit jungen Teilnehmern des Fotowettbewerbs einen Workshop durchzuführen. Daher wählen wir in diesem unter den Einsendern, die nicht älter als 16 Jahre sind, zusätzlich drei Nachwuchspreisträger aus, die sich auf einen eintägigen Fotoworkshop mit Liebertz und den Greifvögeln des Hellenthaler Wildgeheges freuen dürfen. Daher sollten junge Teilnehmer unbedingt ihr Alter angeben. (ch)

Doch heute geht er nicht mehr oft auf die Pirsch nach den Motiven von verfallenden Villen, verlassenen Fabriken oder leerstehenden Häusern. Denn das Hobby, bei dem er pro Jahr an die 20 000 Kilometer zurücklegt, liegt voll im Trend. „Es ist ein Hype“, bedauert Wawer diese Entwicklung. Viel sei kaputt gemacht worden. „Das geht den Anwohnern auf den Keks, die rufen jetzt schneller die Polizei“, hat er gelernt. Deshalb macht er nur noch die Fototouren, die offiziell erlaubt sind, wie den Trip nach Tschernobyl.

Der Andrang in Tschernobyl steigt

Nur mit offiziellem Guide ist es dort gestattet, in die Sperrzone zu gehen. Jeder Besucher wird mit einem Dosimeter ausgestattet, das die Strahlung misst, der die Fotografen ausgesetzt sind. „Es war diesmal ein Physiker dabei, der sein eigenes Messinstrument hatte“, verrät Wawer. Damit hätten sie kontrollieren können, dass die von der Reiseleitung ausgegebenen Geräte tatsächlich funktionierten.

Doch auch hier steige der Andrang. „2016 waren 7500 Leute in Tschernobyl, 2018 waren es schon 200 000“, sagt der auch unter seinem Spitznamen „Paparazzi“ bekannte Fotograf. Mit Bussen würden die Touristen aus Kiew in die Sperrzone transportiert, wo sie ihre Aufnahmen machen können.

„Der Verfall ist das faszinierende daran“

Sich auf die erlaubten Touren wie den aufgelassenen NVA-Bunker in Ladeberg zu beschränken, habe für ihn als Fotografen Vorteile. „Es ist schon angenehm, die Polizei zu hören und zu wissen, sie kommen nicht wegen dir“, schmunzelt der Gemünder. Denn in der Regel sind die Orte, die Wawer aufgesucht hat, Privatbesitz und abgesperrt.

2005 sei er mehr aus Versehen auf das Thema gekommen. Da sei er auf einen ehemaligen russischen Flugplatz in den östlichen Bundesländern geraten. „Der Verfall ist das Faszinierende daran“, sagt er. Die Natur hole sich die Sachen zurück.

Rund 130 „Lost Places“ hat Wawer seitdem besucht. Die Adressen hat er oft aus dem Internet. „Du siehst die Bilder und suchst nach Adressen“, verrät er. Auch habe er über die Jahre viele Leute kennengelernt, mit denen er sich austausche.

Will auf die Gefahren der Kernkraft aufmerksam machen

Schlechte Erfahrungen habe er bisher nicht gemacht. In Wesseling sei er einmal der Polizei in die Arme gelaufen, in Belgien habe bei einer anderen Gelegenheit die Militärpolizei hinter ihm gestanden. „Dann hat mich auch schon einmal ein Hausmeister erwischt, der ist bis zum Loch im Zaun hinter uns hergegangen“, erinnert er sich. Der Nervenkitzel gehöre dazu, doch mit der Zeit sei er ruhiger geworden.

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Mittlerweile fotografiert er lieber Relikte des Zweiten Weltkriegs oder ist mit Freundin und Model unterwegs, um an fotogenen Orten wie den Katzensteinen Bilder zu machen. „Ich habe die Hütte voll Fotos“, sagt er. Manche davon hat er auch klassisch vergrößern oder Kalender davon drucken lassen.

Mit den in Schleiden ausgestellten Fotos will Wawer auf die Gefahren der Kernkraft und die Folgen eines GAU aufmerksam machen. „Ich würde auch gerne die Fotos einmal in Tihange zeigen, allerdings weiß ich noch nicht, ob da Interesse besteht, und mit wem das verwirklicht werden könnte“, sagt er.

Noch bis zum 31. Oktober ist die Ausstellung „Tschernobyl – drei Jahrzehnte danach, Tihange – drei Jahrzehnte davor“ im Rathaus in Schleiden, Blankenheimer Straße 2, zu sehen. Öffnungszeiten der von Marita Rauchberger organisierten Ausstellung: montags bis freitags von 7.45 bis 18 Uhr.