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„Ausfallen lassen ist keine Alternative“Unterwegs in der Mainacht im Kreis Euskirchen

Lesezeit 10 Minuten
Maibaum Hollerath 2021

Kein Problem für den, der es kann: Martin Golbach wuchtete den Hollerather Dorfmaibaum in die Höhe.

  1. Tanz in den Mai und das traditionelle nächtliche Maibaumstellen konnte es auch in diesem Jahr nicht geben.
  2. Doch davon ließen sich die Menschen im Kreis Euskirchen nicht abhalten.
  3. Unser Autor war in der Mainacht im Kreis unterwegs.

Kreis Euskirchen – Der Schein trog: In der Nacht zum 1. Mai wurden im Kreisgebiet nicht, wie wegen des Corona-Ausgangsverbotes ab 22 Uhr vermutet, weniger, sondern überraschenderweise eher mehr Maibäume aufgestellt als gedacht. Doch es musste eben schneller gehen als gewohnt: Nicht in der Nacht, sondern schon am Spätnachmittag des 30. April waren viele Maibäume gesteckt.

„Die Birke ist aus dem eigenen Bestand, nicht im Wald entnommen.“ Nico Rothkamp, 19 Jahre alt, steht am Ortseingang von Mülheim auf einer Haushaltsleiter, die an die Hauswand gelehnt ist und zupft das bunte Krepppapier zurecht. Nein, das sei doch „keine Frage gewesen, auch trotz Corona“. Alles für seine Finja. Er müsse sich eben beeilen, denn in der kommenden Nacht sei das Maibaumstellen ja nicht erlaubt. Die Überraschung beim morgendlichen Blick aus dem Fenster am 1. Mai – für seine Finja gestrichen.

Sebastian Kirch und Yannik Sures

Auch ans Spielhaus passt ein Maibaum: „Patt“ Sebastian Kirch mit Yannick Sures in Udenbreth.

Also hat er seinen Bruder Timo mitgebracht und schmückt, was an den Birkenästen zu schmücken ist, eben schon am späten Nachmittag. Und Finja? „Die ist krank und schläft – hoffe ich“, sagt Nico und grinst. Sie ist jedenfalls gerade nicht zu sehen. Vielleicht hat sie sich ja auch entschieden, einfach so zu tun, um ihm den Spaß nicht zu verderben.

Maibaum am Spielhaus fürs Patenkind

Es ist kurz nach 17 Uhr am 30. April, und wer meint, wegen der Corona-Beschränkungen und der ab 22 Uhr angeordneten Ausgangssperre falle der tradierte Brauch im Kreisgebiet weitestgehend aus, der irrt sich gewaltig. Auch wenn manche Junggesellenvereine wie in Zingsheim oder Blankenheim in diesem Jahr deshalb eine Pause machen.

Das gilt ebenso in Freilingen: Der offenbar nagelneue Doppel-T-Träger, der als Ständer für den Dorfmaibaum dient, ist verwaist. Ebenso das Pendant vor dem Bürgersaal in Lommersdorf, dem Nachbardorf jenseits der trennenden L 115.

Nico Rothcamp Mülheim Maibaum

„Dann eben jetzt schon“ – Nico Rothkamp steckte seiner Freundin den Maibaum bereits am Nachmittag.

Doch weiter westlich in Dörfern der Gemeinde Hellenthal sieht das schon ganz anders aus. „Patt“ Sebastian Kirch konnte schließlich einfach nicht Nein sagen. Wenn sein Patenkind Yannick Sures eine Bitte hat – welche Alternative hat er schon? Der Junge soll früh lernen, wie man einen Maibaum aufstellt, „für später“ sagt auch Yannicks Vater. Deshalb schmücken bunte Fändel einen Birkenast an Yannicks Spielhaus im Garten.

Dorfmaibaum steht um kurz vor 18 Uhr

In Hollerath gibt sich wenig später Martin Golbach selbstbewusst: „Ausfallen lassen ist keine Alternative. Gerade jetzt wollen wir dem Dorf was Gutes tun.“ Golbach ist Vorsitzender des Junggesellenvereins Hollerath, der 35 Aktive zwischen 14 und 28 Jahren hat. Die haben überlegt, wie sie trotz Corona-Regeln einen Maibaum aufstellen können, und deshalb hat sich ihr Vorsitzender flugs hinter das Steuer eines Teleskopladers gesetzt. „Das machen wir jetzt. Ich fahre, und Timo schraubt.“ Gesagt, getan.

Vorsichtig bugsiert er den Teleskoplader unter einen wuchtigen Fichtenstamm, an dessen Spitze mit schweren Spanngurten eine Birke gebunden ist, bunt geschmückt. Im ersten Anlauf richtet Golbach den Maibaum im Doppel-T-Träger auf, Kumpel Timo Müller schraubt ihn dort fest. Nach rekordverdächtigen vier Minuten steht Holleraths Dorfmaibaum da, wo er seit acht Jahren am 1. Mai immer steht, an der Ecke Luxemburger Straße/Prethtalstraße. Dabei ist es noch keine 18 Uhr am 30. April.

„Der Stahlträger ist sieben Meter tief, mit sechs Kubikmetern Beton verankert. Das hält.“ Golbach blickt zufrieden auf sein Werk. 21 Meter ist die Maibaum-Fichte lang. Bis in drei Meter Höhe ist der Stamm mit Rispenbändern aus einer Zimmerei gesichert. „Die Rivalität zwischen den Junggesellenvereinen gibt es ja immer noch. Da kommen die mit der Kettensäge jedenfalls nicht durch“, ist Golbach überzeugt.

Maifeier im Garten statt auf dem Dorfplatz

Wenig später, es ist gegen 18.30 Uhr, wissen Joel und Leonhard in Krekel von solchen Rivalitäten nichts. Die beiden fünf und sechs Jahre alten Brüder halten gerade vorsichtig ihr Stockbrot ins Feuer der Grillschale vor dem Elternhaus. Hinter ihnen weht ein kleiner Maibaum im Wind. Die Eltern Ulrich und Manuela Fähse schauen ihnen zu. „Eigentlich wären wir heute Abend mit allen Familien mit kleinen Kindern wieder auf unserem Maibaumplatz gewesen. Wie jedes Jahr. Geht aber nicht“, bedauert Manuela Fähse. Ihr Smartphone meldet sich. Sie freut sich: „Wieder Bilder von anderen Familien, die es wie wir mit ihren Kindern im Garten machen“. Ein kleiner Trost.

Tradition ist eben Tradition – in Corona-Zeiten nur gewusst wie. Auch in Sistig haben sie darauf eine Antwort. „Wir haben im Dorfladen eine Liste ausgelegt. 59 haben bestellt.“ Patrick Zimmer – „Ich bin Maigeloog-Veteran, mache aber noch mit, auch wenn ich mittlerweile verheiratet bin“ – und seine Kumpels sind tiefenentspannt. Vor der Bäckerei Zimmer prangt ein prachtvoller Maibaum, und auch entlang aller Dorfstraßen. Eben an mindestens 59 Adressen in Sistig selbst, aber auch in den Weilern rings herum. Dazu kommen noch die privat gestellten Maibäume.

Besorgt hatte die 59 Birken samt Fändel das Sistiger Maigeloog. Damit schmückten die Einwohner an Häusern, Sträuchern und Bäumen ihr Dorf schon im ersten Corona-Jahr 2020. Jetzt eben wieder. Sistig – das Maibaumdorf.

Hauptsache der Maibaum ist größer

Über Jahrhunderte war das Aufstellen eines Maibaums den Junggesellen vorbehalten. Hier sieht man, wie sich der Brauch seit einigen Jahren verändert hat: Maibäume stellen alle, die das Brauchtum erhalten wollen. Je nach Dorf im Kreisgebiet sind das viele. Der Dorfmaibaum aber ist oft immer noch das Privileg des Junggesellenvereins oder des Maigeloogs.

„21 Meter in Hollerath? Dann haben wir 22!“ Christoph Feder gibt unter dem zustimmenden Gejohle der Kumpels vom Junggesellenverein „Weyerer Wildschweine“ die Tagesparole aus. Alle sammeln gerade bei Mindestabstand auf dem Maibaumplatz an der Ecke Hauptstraße/Brehbergstraße die Krepppapierreste zusammen. Hinter ihnen leuchtet es kurz vor 19.30 Uhr in Blau, Weiß und Rot von der Dorfmaibaumspitze. „Das sind unsere Vereins- und Dorffarben“, erklärt Feder.

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Man habe viel positive Resonanz auf die Absicht, gerade in Corona-Zeiten einen Maibaum aufzustellen, bekommen. Den Kollegen in Hollerath es bezogen auf die Baumlänge zu zeigen – Ehrensache. Wer kann, wo der Baum steht, schon nachmessen? Zudem feiern die „Wildschweine“ 2021 Jubiläum: Der Verein besteht seit 40 Jahren. Seitdem sei das Stellen des Dorfmaibaums „noch nie ausgefallen“, so Feder. Und in diesem Jahr ist er, wie sich bei Einbruch der Dunkelheit zeigt, sogar beleuchtet.

Maibaum mit der Oma gebastelt

„Ich heiße Pia, und das ist mein erster eigener Maibaum. Den habe ich leider ohne meine Freundinnen gemacht, geht ja nicht anders, aber meine Oma hat mir geholfen.“ Die zehnjährige Pia Schlaf strahlt. In Nöthen leuchten die Fändel an ihrem kleinen Birkenstamm am Gartenzaun in allen Farben. „Sogar Pink ist dabei, meine Lieblingsfarbe“, meint Pia. In Nöthen fährt man direkt am Haus von Pia und ihrer Familie vorbei, ihr Maibäumchen ist aber nicht das erste: An allen vier Ortseingängen, an der Pfarrkirche St. Willibrordus und den beiden Kapellen hat die Maigesellschaft Nöthen-Gilsdorf geschmückt.

Pia Schlaf aus Nöthen

„Nur Oma hat mir geholfen“ – Pia Schlaf aus Nöthen an ihrem ersten Maibaum.

Über Bad Münstereifel geht es zum guten Schluss in Richtung der umliegenden Höhendörfer. In Mahlberg zum Beispiel ist es bunt: Offenkundig haben die Einwohner entlang der Hauptstraße an allen Straßenlaternen bunte Fändel aufgehängt. Weiter Richtung Effelsberg, es ist kurz nach 20 Uhr, wird es auf den Straßen streckenweise verkehrstechnisch gesehen dichter: Trecker mit Anhänger, darauf wuchtige Birkenstämme, Laub und Astwerk eingepackt in dicke Schutzplanen, tuckern die Dorfstraßen entlang. Dahinter immer ein mehr oder weniger langer Pkw-Konvoi. So geht es auch an den Rand eines Neubaugebiets in Scheuerheck, wo ein solcher Tross abrupt stoppt.

Etwas Einzigartiges für die Liebste

Vor dem Wohnhaus von Ricarda Linden finden sich schnell Zuschauer angesichts des Spektakels ein. „Das soll ja was Einzigartiges sein“, gibt sich Julian Honert selbstbewusst. Er begutachtet noch die eingepackte 16-Meter-Birke auf dem Hänger, da kommt von der Seite des Wohnhauses, etwas unsicher wirkend, zögernd eine junge Frau auf ihn zu. Ricarda Linden traut ihren Augen nicht und ist im ersten Moment einfach „sprachlos“.

Julian Honert und Ricarda Linden Maibaum

In einem Meer von buntem Krepppapier: Julian und seine Ricarda in Scheuerheck.

Dann nehmen sich Ricarda und Julian in den Arm. Die Plane wird aufgeschnitten. Ein Meer aus bunten Fändeln ergießt sich über das Paar. In Scheuerheck ist es kurz vor 21 Uhr, Ricardas Maibaum steht noch nicht – eine gute Stunde vor Beginn der Ausgangssperre. Und noch knappe drei sind es eigentlich bis zum 1. Mai. Doch für Ricarda und Julian hat der Wonnemonat jetzt schon begonnen.

Hunderte Corona-Maibäumchen

Wer den Brauch kennt, seiner Angebeteten zum Start in den Mai eine Birke vor das Haus zu stellen, der dürfte zurzeit verwundert über das Liebesleben in Vlatten sein. Denn mehr als hundert kleine Birken oder Äste sind bunt geschmückt in den Gassen und Straßen des Heimbacher Außenortes zu sehen. Doch dabei geht es nicht nur um das Liebesleben der Vlattener.

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Bunt geschmückt wurde auch die Jugendhalle in Vlatten.

Die Aktion hat sich der Verein Jugendwohl Vlatten ausgedacht, um die ausgefallene Maifeier zu ersetzen. Bereits im vergangenen Jahr, so berichtet der zweite Vorsitzende Kevin Küpper, musste die Maifeier im Ort wegen der Pandemie ausfallen. Bereits damals wurde der Aufruf gestartet, kleine Maibäumchen vor die Häuser zu stellen, um die Tradition auch in Corona-Zeiten am Leben zu halten.

Bauhof besorgte Birken für 1. Mai

Unabhängig davon hatte auch die Heimbacherin Michaela Hurtz im vergangenen Mai zu einer derartigen Aktion aufgerufen. Da sich über das Team Kreisverkehr mittlerweile eine rege Zusammenarbeit zwischen Vlattener Jugend und Hurtz herausgebildet hat, lag es nahe, dieses Jahr die Aktion gemeinsam für das gesamte Stadtgebiet zu starten.

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Hilfreich zur Seite stand der Heimbacher Bauhof, der jeden der Akteure mit Birken und Birkenästen aus dem Heimbacher Stadtwald versorgte. Hinter der Jugendhalle in Vlatten wurden diese mit Krepppapier gegen eine kleine Spende verteilt. „Wir haben im vergangenen Jahr festgestellt, dass manche Leute nicht über die Möglichkeit verfügen, sich eine Birke zu besorgen“, begründet Küpper das Vorgehen.

Mai-Aktion soll eventuell wiederholt werden

Und so zierten am Maimorgen mehr als hundert bunt geschmückte Birken das Vlattener Ortsbild. Auch in den Orten Düttling, Hergarten, Hausen, Hasenfeld und Heimbach waren kleine Maibäumchen zu sehen. An der Aktion beteiligten sich auch Kirsten Krupp und Lea Schwarz aus Vlatten. Mit ihrem fünfjährigen Hund Dexter sahen sie sich am Samstagmorgen an, wie die Maibaum-Aktion gelaufen ist. „Es ist richtig schön“, freut sich Krupp. Vor allem in den Altbaubereichen des Ortes hätten viele mitgemacht und einen Maibaum gesetzt.

Maibaeume_in_Vlatten

„Es ist richtig schön.“ Die Vlattenerinnen Kirsten Krupp (rechts) und Lea Schwarz haben gerne bei der Maibaumaktion mitgemacht und freuten sich über ihr bunt geschmücktes Dorf.

Ob die gelungene Aktion wiederholt wird, wenn wieder normal in den Mai getanzt werden darf, konnte Küpper noch nicht sagen. „Vielleicht kann man ja beides parallel laufen lassen“, überlegt er. Die Spenden für die Birken sollen übrigens zu gleichen Teilen zwischen Team Kreisverkehr und Jugendwohl Vlatten aufgeteilt werden.

Wenig zu tun für die Polizei

Randale und Schlägereien unter Jugendlichen – in der Vergangenheit war das in der Mainacht stets an der Tagesordnung. Für die Polizeibeamten gab es daher zu Beginn des Wonnemonats Mai immer genug zu tun. Nicht so in Corona-Zeiten. Aus Sicht der Kreispolizeibehörde verlief das Einsatzgeschehen in der Mainacht „unauffällig und weitestgehend störungsfrei“.

Es gab lediglich einen Einsatz mit direktem Bezug zur Mainacht: In Kall kam es am Samstagmorgen gegen 2.47 Uhr nach dem Aufstellen eines Maibaumes an der Grillhütte in der Straße Auf dem Fels zu einer Körperverletzung. Die Geschädigten, zwei 18-Jährige, wurden mit einem Messer bedroht. Sie flüchteten zu Fuß vom Tatort und ließen ihr Fahrzeug unverschlossen zurück.

Unter Drogeneinfluss Auto gefahren

Daraus entwendeten insgesamt vier Tatverdächtige, die zwischen 16 und 20 Jahren alt sind, ein Handy und ein Portemonnaie. Das Handy wurde später auf den Bahngleisen hinter der Gemünder Straße verbrannt, was letztlich zu einem Feuerwehreinsatz führte. Im Rahmen dieses Einsatzes wurden vor Ort zwei Personen aufgegriffen. Auch das Ordnungsamt der Gemeinde war im Einsatz.

Ob es sich bei den beiden Personen um die Tatverdächtigen handelt, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Die Personalien wurden aufgenommen. In Zülpich fiel Polizeibeamten am Freitagabend gegen 22.40 Uhr auf der Römerallee ein Pkw-Fahrer auf. Bei der Kontrolle des Autos stellte die Streife fest, dass der 26-jährige Mann aus dem Kreis Düren, der hinter dem Steuer saß, unter Drogeneinfluss stand. Ihm wurde eine Blutprobe entnommen. Zudem erwartet ihn eine Strafanzeige.