Hat sich die Versorgungslage mit Medikamenten entspannt, wie Lauterbach erklärt? Die Apotheker im Kreis Euskirchen widersprechen.
Kritik an LauterbachApotheker im Kreis Euskirchen befürchten Mangel an Medikamenten
Dass viele Apotheker nicht gut auf Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu sprechen sind, ist nichts Neues. Doch Lauterbachs Äußerungen, wonach die Versorgungslage mit Medikamenten merklich besser sei als im vergangenen Winter, können die Pharmazeuten im Kreis Euskirchen nun gar nicht mehr nachvollziehen.
„Die Stimmung unter den Kollegen ist nicht gut“, stellt Dr. Thomas Göbel, Sprecher der Apotheker im Kreis, fest. Mit Blick auf den kommenden Winter seien sie in großer Sorge.
„Wir haben bundesweit eine schwierige Versorgungslage“, so Göbel. Davon bleibe der Kreis Euskirchen naturgemäß nicht verschont: „Das betrifft Kinderarzneimittel, aber bei weitem nicht mehr nur Kinderarzneimittel.“ Zum Beispiel bestimmte starke Schmerzmittel, etwa für Krebspatienten, könnten knapp werden.
Im Dezember 2022 hätten auf der vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten Liste knapp 300 schwer oder nicht zu bekommende Mittel und Wirkstoffe gestanden, derzeit seien es rund 500. „Im Alltag ist das für uns ein großes Problem“, so Göbel. Auch Kunden reagierten zunehmend sauer.
„Die Lieferketten funktionieren nicht wie gewohnt“, sagt der Apotheken-Sprecher
Während der Pandemie seien Abgabeerleichterungen eine Hilfe gewesen. Habe ein Kunde ein Medikament mit 20 Milligramm Wirkstoff verschrieben bekommen, erläutert Göbel, „konnten wir ihm mit einer entsprechenden Erklärung zwei Mal zehn Milligramm geben“. Der Patient nehme dann zwei statt eine Tablette für denselben Zeitraum.
Die Therapiehoheit des Arztes sei dadurch nicht beschnitten worden. Doch diese Abgabeerleichterung sei inzwischen weitgehend zurückgenommen worden, so der Kreisapotheken-Sprecher. Das Problem dabei: Nehme der Patient statt einer Packung mit 40 Milligramm vier mit 10 Milligramm, müsse er die vierfache Zuzahlung leisten. „Das können im Extremfall 40 statt 10 Euro sein“, sagt Göbel.
Natürlich hätten die Apotheker einen Instrumentenkasten, mit dem fehlende Mittel durch andere ersetzt werden könnten. Das sei aber sehr aufwendig: Rücksprache mit dem Arzt, Änderung des Rezepts, Neubestellung und nicht selten die abendliche Lieferung zum Patienten. „Für dieses ganze Paket hat Lauterbach uns 50 Cent hingeworfen“, sagt Göbel: „Das steht in keinem Verhältnis zum Aufwand.“
Dr. Göbel befürchtet, dass ein oder zwei Apotheken im Kreis schließen werden
Es sei immer noch einiges möglich, um die Kunden zu versorgen, will Göbel keine Panik schüren: „Aber es wird schwieriger. Die Lieferketten funktionieren nicht wie gewohnt.“ Bei preiswerten Wirkstoffen etwa, dem Brot- und Buttergeschäft der Apotheker, gebe es Versorgungsmängel.
Es gibt aber auch Kritik an den Apothekern. So könnten diese die Medikamente doch just in time beim Hersteller bestellen – also erst dann, wenn ein Kunde sie brauche. Göbel widerspricht: „Das ist die Ausnahme.“ In einem gut gepflegten Lager haben Apotheken 85 bis 90 Prozent der gängigen Medikamente vorrätig – aus gutem Grunde: Jede Bestellung bedeute mehr Aufwand, sowohl für die Apotheke als auch für die Kundschaft.
Je nach Größe des Geschäfts hätten Apotheker einen Warenwert von 60.000 bis 400.000 Euro netto auf Lager. „Wir alle haben unsere Lagerwerte deutlich erhöht“, sagt Göbel. Durch ein Sparpaket Lauterbachs fehle dafür aber zunehmend die finanzielle Basis.
Unterdessen befürchtet Göbel, dass das Apotheken-Sterben weitergeht. Er könne nicht ausschließen, dass bis zum Jahresende ein oder zwei der insgesamt 39 Apotheken im Kreis – vor zehn Jahren seien es noch 46 gewesen – schließen. Um welche es sich handelt, könne er zum jetzigen Zeitpunkt nicht öffentlich sagen.