Im Gespräch mit Redaktuer Michael Schwarz spricht Manfred Scheff über Wärmepumpen, Pellets, Klima und die Kommunikation in Berlin.
„Wärmewende im eigenen Haus“Euskirchens Kreis-Energieberater im Interview über Energiewende
Energiekrise, Wärmepumpen, das geplante Aus für die fossilen Energieträger in den Gebäuden. Was sagt der Kreis-Energieberater dazu? Wie hat sich seine Arbeit verändert? Im Gespräch gibt Manfred Scheff Auskunft.
Manfred Scheff ist seit 2014 Energieberater beim Kreis Euskirchen. Zunächst war der 54-Jährige Schreinermeister, ließ sich dann aber bei der Handwerkskammer zum Gebäudeenergie-Berater ausbilden. Als solcher beriet er für ein Ingenieurbüro kleine und mittlere Unternehmen in Sachen Energieeffizienz beraten.
Herr Scheff, die Verunsicherung ist groß. Sie haben sicher viel zu tun, oder?
Manfred Scheff: Es gab schon immer viele Anfragen. Doch seit einem Jahr, mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine, hat sich das Arbeitsaufkommen verdoppelt. Anfangs wollten die Bürgerinnen und Bürger wissen, wie sie Energie sparen können. Inzwischen hat sich das hin zu der Frage verlagert: „Muss ich mir nun eine Wärmepumpe kaufen?“
Leute im Kreis Euskirchen reagieren aufgeschreckt
Was haben Sie gedacht, als durchgestochen wurde, dass Klimaminister Robert Habeck ab 2024 nur noch den Einbau von Anlagen mit 65 Prozent erneuerbarer Energien zulassen will?
Ich war nicht überrascht, weil das so ähnlich ja schon im Koalitionsvertrag stand. Ich kann aber verstehen, dass Menschen, die sich nicht den ganzen Tag mit solchen Fragen beschäftigen können, besorgt sind.
Wie reagieren die Leute in den Beratungen auf die Diskussion?
Einige Leute sind aufgeschreckt und fragen: ,Wie kriege ich das gestemmt?“ Andere wollen sich einfach nur informieren und nutzen die Kreis-Energieberatung als neutrale Stelle.
„Erstmal Füße stillhalten!“
Was sagen Ihnen die Leute am Telefon?
Nicht wenige haben nur gehört, dass sie ab 2024 zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien heizen müssen. Ich sage ihnen dann: ,Das heißt nicht, dass Ihre alte Heizung jetzt raus muss. Das gilt nur, wenn eine neue Heizungsanlage reinkommt.’ Ich rate den Leuten: Erstmal Füße stillhalten! Wenn die Gas- oder Ölheizung noch zu reparieren ist, dann kann sie auch noch repariert werden. Nur in dem Moment, in dem eine neue Anlage fällig wird, muss man sich festlegen, welchen Weg man gehen will: Schwenkt man direkt auf 100 Prozent Erneuerbare Energien um oder nutzt man übergangsweise nur 65 Prozent Erneuerbare.
Man bleibt also beim Gas. Und dann?
Entweder nimmt man Pellets, eine Wärmepumpe oder Solarthermie zur Gastherme hinzu. Früher hätte ich geraten, eine solarthermische Anlage auf dem Dach zu installieren und damit zu heizen. Damit kann man auch die 65 Prozent generieren. Heute muss man sich überlegen, ob man diesen Weg noch gehen will, denn 2045 sollen ja keine Fossilen mehr genutzt werden dürfen. Die 65 Prozent sind ja nur bis dahin übergangsmäßig zulässig.
Nehmen wir „der Oma ihr klein Häuschen“ als Beispiel. Was kann die betagte Dame, falls sie noch keine 80 Jahre alt ist und von der Pflicht befreit ist, machen, wenn sie nur eine schmale Rente hat?
Es stimmt schon: Wenn man auf eine Wärmepumpe setzt, kommt man bei einem älteren Haus eventuell um eine Sanierung nicht herum. Und als Rentnerin oder Rentner erhält man in der Regel keinen Kredit mehr. Dann könnte eine Wärmepumpe zu teuer werden. Vielleicht ist dann eine Pelletheizung besser, wenn zum Beispiel die Ölheizung nicht mehr funktioniert. Pellets sind auch regenerative Energie. Das wird zwar nicht mehr gerne gesehen, weil Pellets ja oft im Raubbau an der Natur hergestellt werden. Aber rechtlich wäre das möglich. Damit bekommt man auch die Temperaturen, die man vom alten Heizungssystem kennt.
Bund bezuschusst Pelletanlagen
Was kostet eine Pelletanlage?
Da ist man auch mit rund 30.000 Euro dabei. Aber es gibt auch da Zuschüsse vom Bund von maximal 20 Prozent: zehn ohnehin, weitere zehn, wenn eine alte Ölheizung oder eine mindestens 20 Jahre alte Gasheizung außer Betrieb genommen wird. Außerdem gibt es noch Zuschüsse vom Land. Das ist dann in der Preisklasse einer Wärmepumpe, aber ohne Sanierungen am Haus? Genau. Man kommt zwar um die Gebäudesanierung herum, hat dann allerdings weiterhin die hohen Energiekosten.
Bleiben etwa 24 000 Euro Eigenanteil für eine Pelletheizung. Das werden viele Leute ohne Kredit auch nicht stemmen können. Müssen die sich in Berlin da nicht noch etwas einfallen lassen?
Ich denke schon. Es muss auf jeden Fall sozialverträglich sein.
Ich stelle mir Ihre Arbeit schwierig vor: Sie wollen den Menschen die Ängste nehmen, wissen aber selbst noch nicht, was da aus Berlin noch alles kommt. Ist das so?
Ich kann immer nur nach bestem Wissen und Gewissen beraten. Ich muss auf dem Laufenden bleiben und das an die Bürgerinnen und Bürger weitergeben.
Beratungen im Kreis auch online möglich
Sie sind als Energieberater beim Kreis „Einzelkämpfer“ mit einer halben Stelle, also 19,5 Wochenstunden. Reicht das noch angesichts des rasant gestiegenen Beratungsbedarfs der Bürgerinnen und Bürger?
(lacht) Das müssen Sie die Politik fragen. Es wäre schön, wenn wir mehr Beratung anbieten könnten.
Wie schaffen Sie es, den Beratungsbedarf einigermaßen zu managen?
Ich habe die Tätigkeit anders koordiniert. Ich gebe zwar immer noch Einzelberatungen vor Ort, versuche aber etwa durch Online-Veranstaltungen wie dem ,Sanierungstreff' mehr Menschen im gleichen Zeitraum zu erreichen. Das wird auch sehr gut angenommen.
Nehmen Sie eine Torschlusspanik wahr, dass Leute noch schnell eine neue Gastherme kaufen möchten, bevor das nicht mehr geht?
Ja, das gibt es.
Was sagen Sie diesen Leuten?
Man muss sich das genau überlegen. Wir wollen ja klimaneutral werden. Wir haben die Flut vor Augen oder woanders Tornados und andere Wetterereignisse. Wir müssen was tun. Bis 2045 wollen wir klimaneutral werden.
Wärmepumpen kann man auch leasen
Bis 2045 – das ist in etwa die Lebensdauer einer Gastherme.
Ja, genau. Es stellt sich aber die Frage, ob es noch Sinn ergibt, auf fossile Energie zu setzen, oder ob es nicht besser ist, sofern man das finanziell kann, in den sauren Apfel zu beißen, die Förderungen mitzunehmen, in regenerative Energien zu investieren und dann zukunftsfähig zu sein.
Rechnet sich eine neue Gas- oder Ölheizung auf Dauer langfristig überhaupt noch, wenn zu den unsicheren Energiepreisen noch die von Jahr zu Jahr höhere CO2-Bepreisung hinzukommt?
Eher nicht. Oft ist es aber so, dass jetzt ein kleiner Betrag etwa für eine neue Gastherme anfällt, den man stemmen kann. Höhere Energiepreise verteilen sich auf die nächsten 20 Jahre. Oder man nimmt jetzt Geld für Wärmepumpe und Sanierung auf und hat einen fixen Betrag, denn man abbezahlt und ist auf der sicheren Seite. Denn wenn man jetzt in Gas oder Öl investiert, hat man in 20 Jahren unter dem Strich auch die hohen Kosten gehabt.Und mittlerweile gibt es Firmen, bei denen man ähnlich wie bei Autos eine Wärmepumpe leasen kann, auch mit PV-Anlage. Das könnte für manche attraktiv sein. Der Austausch einer alten gegen eine neue Anlage lohnt sich fast immer. Die Faustregel lautet: So alt wie eine Heizung in Jahren ist, so viel Prozent spart ungefähr eine neue ein. Wenn eine alte Therme nach 20 Jahren ausgetauscht wird, spart eine neue im Vergleich 20 Prozent ein.
Gilt das auch, wenn eine alte gegen eine neue Gastherme ausgetauscht wird?
Ja, in der Regel gilt das auch für den Tausch gegen eine neue Gastherme.
Abgesehen von der verkorksten Kommunikation - wie schätzen Sie die Vorhaben der Bundesregierung insgesamt ein?
Wir müssen etwas tun, da sind wir uns doch alle einig. Es wird auch weh tun. Es nutzt aber nichts, wenn die Politik das auf die lange Bank schiebt. Wenn man klare Rahmenbedingungen hat, dann kann man sich darauf einstellen und dann klappt das auch.
Klarheit ist wichtig für Privatleute und Wirtschaft
Nun sorgt Streit in der Koalition aber für alles Mögliche, nur nicht für klare Rahmenbedingungen ...
...ja, wenn es so nach draußen kommuniziert wird ...
...und Sie müssen es vor Ort ausbaden.
(lacht) Aber letzten Endes hat die Politik auch keine andere Chance. Entweder man macht die Augen zu und tut nichts, oder man rauft sich zusammen. Wenn die Entscheidung dann für alle klar ist, kann man sich auch demnach verhalten. Klarheit ist nicht nur gut für die Privatleute, sondern auch für die Wirtschaft. Und ich könnte den Leuten auch klarere Informationen geben.
Da ist aber noch der Fachkräftemangel. Ist das Ziel von bundesweit 500.000 eingebauten Wärmepumpen pro Jahr überhaupt realistisch?
Wir haben zu wenig Heizungsbauer, egal, was wir einbauen. Wenn aber weniger Gasthermen eingebaut werden, hat man mehr Leute, die Wärmepumpen einbauen. Es nutzt nichts, dauernd zu jammern. Ich bin guter Hoffnung. Ich selbst habe noch eine Gasheizung, werde aber bald auf eine Wärmepumpe umschwenken.
Verbraucherschützerin: „Das Thema ist omnipräsent“
Einen großen Bedarf an Informationen zu Energiefragen nimmt auch die Leiterin der Verbraucherzentrale in Euskirchen, Monika Schiffer, wahr. „Das Thema ist omnipräsent. Wir haben zurzeit eine Gemengelage, was Energie angeht, die ist unbeschreiblich.“
Die Nachfrage rund um das Sparen von Strom, Gas und Öl, aber auch um das Thema Energieträgerwechsel stehe seit langem weit oben in der Themenliste der Verbraucherinnen und Verbraucher. „Jetzt kommt aber noch hinzu, dass die aktuellen Diskussionen bei vielen Menschen große Befürchtungen auslösen“, stellt Schiffer fest.
Vor allem betagtere Menschen stellten sich die Frage, wie sie die Kosten für einen Wechsel aufbringen sollen. „Eine Dame sagte: Ich kriege ja auch den Kredit nicht mehr.“ Für viele Leute sei die Immobilie ja keine Wertanlage, sondern einfach das Haus, in dem sie zum Teil schon viele Jahre wohnen und bleiben möchte. Sie könnten da nicht viel Geld reinstecken, erläutert die Verbraucherschützerin: „Das macht vielen Angst.“
Es meldeten sich aber auch viele Menschen, die sich einfach informieren wollten, welches System sich in ihrem konkreten Fall anbiete, teilt Monika Schiffer auf Anfrage mit : „Und es kommen auch Leute, die schnell noch eine neue Gastherme kaufen wollen, wenn ihre schon alt ist, damit sie sie nicht bald einen kompletten Wechsel vornehmen müssen, was zwar energetisch mit Sicherheit sinnvoll wäre, aber wegen der Kosten doch problematisch ist.“