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KriseUmlage steigt um 31 Millionen: Für Kommunen im Kreis Euskirchen sieht's düster aus

Lesezeit 6 Minuten
Ein Taschenrechner liegt auf verschiedenen Euro-Banknoten.

In den Rathäusern im Kreis Euskirchen wird fleißig gerechnet, was die immense Steigerung der Kreisumlage bedeutet – und ob am Ende Steuererhöhungen überhaupt noch zu vermeiden sind.

Die Gemeinde Kall meldet: Sämtliche Einnahmen aus Grund- und Gewerbesteuern reichen nicht für die Kreisumlage.

Die Krise bei den Finanzen hat der Kreis Euskirchen keineswegs exklusiv. „Die Finanzlage der Kommunen verschlechtert sich dramatisch schnell“, betonte der Vorsitzende des Finanzausschusses des Landkreistages NRW, Dr. Tim Grüttemeier. Seit 2023 rutschen demnach immer mehr kommunale Haushalte tief in die roten Zahlen.

„Auch die Prognosen für die kommenden Jahre sind besorgniserregend“, so Güttemeier. Jetzt zeige sich die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen, deren Finanzen trotz sparsamen Haushaltens ins Wanken gerieten, sobald die Wirtschaft schwächele und die Steuereinnahmen stagnierten.

Norbert Crump und Sabine Preiser-Marian beim Kräutertag.

Hier können sie noch lachen: Nettersheims Bürgermeister Norbert Crump und seine Bad Münstereifeler Amtskollegin Sabine Preiser-Marian Ende April beim Kräutertag. Die Kreisumlage hat ihre Freude inzwischen eingetrübt.

Dass es anderen auch schlecht geht, war noch nie ein guter Trost. Und dass der Kreis Euskirchen seinen Kommunen 31 Millionen Euro für 2025 mehr abverlangt als 2024, stellt die Beschäftigten in den Rathäusern vor große Herausforderungen. 230 Millionen Euro Umlage braucht der Kreis nach eigenen Angaben, um wiederum Aufgaben für die Kommunen aus einer Hand zu erfüllen: etwa im Jugendbereich, im Sozialen und Gesundheit oder im Kfz-Bereich.

Und viele Bürgerinnen und Bürger werden es am Ende bei der Lektüre ihrer Steuerbescheide zu spüren bekommen. Ob es in Bad Münstereifel dazu kommen wird, ist noch nicht klar. Darüber entscheidet letztlich der Stadtrat.

Bad Münstereifel: Stadtrat muss über Maßnahmen entscheiden

„Die unerwartet stark gestiegene Kreisumlage muss die Stadt über Einsparungen, Steuererhöhungen oder andere zusätzliche Einnahmen ausgleichen“, stellt Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian (CDU) aber fest: „Dem Rat obliegt zu beraten und zu beschließen, welche Maßnahmen ergriffen werden.“

Politik und Verwaltung, so die Bürgermeisterin, hätten mit dem Haushaltssicherungskonzept (HSK) eine gute Grundlage für den Haushaltsausgleich im Jahr 2033 gelegt. Das verpflichtet die Stadt, bis spätestens 2033 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Da schlägt die Hiobsbotschaft aus dem Kreishaus besonders ins Kontor.

7,7 Prozent ist der Bad Münstereifeler Anteil an der gesamten Kreisumlage im Kreis. Das bedeutet, dass Kämmerer Kurt Reidenbach nochmal zwei Millionen mehr darauflegen muss als geplant, was am Ende 18,7 Millionen Euro bedeutet. Somit überweist die Stadt jeden dritten Euro ihrer Ausgaben an den Kreis.

Sabine Preiser-Marian fordert vom Kreis mehr Finanzdisziplin

Dabei, so Bürgermeisterin Preiser-Marian, sei die Stadt „auf Basis der Orientierungsdaten bis dato von einer Senkung der Kreisumlage um zirka 320.000 Euro ausgegangen“. Nun aber steige der Umlagebetrag um elf Prozent im Vergleich zu 2024.

Und die Einnahmen? „Die Gewerbesteuereinnahmen schwanken grundsätzlich, insbesondere in Zeiten, in denen die Wirtschaft schwächelt“, erklärt Preiser-Marian. Derzeit plane die Verwaltung  mit Gewerbesteuereinnahmen von rund 6,7 Millionen Euro für 2025.

„Der größte Teil unseres Haushaltes wird vom Gemeindeanteil an der Einkommensteuer finanziert. Hier planen wir für 2025 mit 10,4 Millionen Euro“, führt sie aus.  Deshalb sei es für die Stadt Bad Münstereifel essentiell wichtig, eine wachsende und beschäftigte Bevölkerung vorzuweisen. „Die Grundsteuer ist aufwandsneutral mit 5,4 Millionen Euro eingeplant.“

Preiser-Marian erinnert daran, dass der Landrat als Kommunalaufsicht strikt darauf achte, dass die Kurstadt das HSK einhält – und sie fordert umgekehrt: „Auch der Kreis sollte seine Aufgaben und die damit verbundenen Ausgaben kritisch hinterfragen, damit die kommunale Selbstverwaltung für die Städte und Gemeinden möglich bleibt.“

Die Prognosen für die nächsten Jahre sehen sehr düster aus.
Norbert Crump, Bürgermeister von Nettersheim

Auch ihr Nettersheimer Amtskollege Norbert Crump ruft die Politiker im Kreistag auf, „alle möglichen Einsparpotenziale prüfen und zur Not auch Aufgaben zur Kosteneinsparung abzubauen“. Eine Trendwende werde wohl nur zu erreichen sein, wenn Bund und Land nicht nur Aufgaben nach unten wegdelegierten, sondern auch für eine entsprechende Finanzausstattung der Kommunen Sorge trügen.

„Wünschenswert wären hier vor allem unbürokratische Lösungen zum Beispiel in Form von Pauschalzahlungen“, so Crump. Für ihn bedeutet die Nachricht aus dem Kreishaus, dass Nettersheim 8,7 Millionen Euro zur Kreisumlage beitragen soll. „Das sind 1.558.736 Euro mehr als im Jahr 2024 und entspricht einer Steigerung von rund 22 Prozent“, rechnet der Bürgermeister vor.

Nettersheim muss nun doch in die Haushaltsrücklage greifen

Die Gemeinde habe eigentlich mit einem positiven Blick das Jahr 2025 erwartet: steigende Schlüsselzuweisungen vom Land, steigender Anteil am Einkommenssteueraufkommen. Doch nun das sei das „Worst Case Szenario“ eingetreten, so Crump. Knapp 1,5 Millionen Euro müssten nun der Rücklage entnommen werden, um den Etat 2025auszugleichen.

So bleibe vorerst alles stabil. Doch die Betonung liegt auf „vorerst“. „Die Prognosen für die nächsten Jahre sehen sehr düster aus“, so Crump. 2025 blieben alle freiwilligen Leistungen bestehen, die Bürger würden bei Steuern, Gebühren und Beiträgen nicht mehr belastet als vorgesehen und es werde weiterhin in die Zukunft, etwa Schulen, Kitas und Digitalisierung, investiert.

Bei der Grundsteuer bleibt der Hebesatz der Grundsteuer A laut Crump unverändert bei 380 Prozent. Wegen der Grundsteuerreform werde der Hebesatz der Grundsteuer B von 490 auf 580 Prozent angehoben, um den Veränderungen in der Steuermechanik gerecht zu werden und der Kommune dieselben Einnahmen wie bisher zu sichern.

Kall soll 12,65 Millionen Euro an den Kreis Euskirchen zahlen

„Das heißt: Trotz der Erhöhung haben wir 2025 weniger Einnahmen und die Eigenheimbesitzer werden geringstmöglich belastet“, erklärt Crump.  Die Gewerbesteuer steige moderat um 20 Punkte von 445 auf 465 Prozent.

Apropos Grundsteuer. Die ist natürlich auch ein Thema in Kall. „Nur um die Erhöhung der Kreisumlage bezahlen zu können, müssten wir die gesamten Einnahmen aus der Grundsteuer B verwenden“, stellt Kämmerer Markus Stoff fest. Die Verwaltung habe gemäß den Orientierungsdaten mit einem Anstieg von 700.000 Euro bei der Kreisumlage für 2025 gerechnet, nun seien es 2,2 Millionen. Macht summa summarum knapp 12,75 Millionen Euro.

Dem stünden, Stand jetzt, geplante Einnahmen aus Grund- und Gewerbesteuer in Höhe von rund 12,65 Millionen Euro gegenüber, so Stoff: „Vereinfacht gesagt, sämtliche Einnahmen aus den Grund- und Gewerbesteuern reichen nicht, um die Kreisumlage vollständig bezahlen zu können.“

Kritik: Land und Bund stellen Aufgaben, zahlen müssen Kommunen

Wie konnte es soweit kommen? Hauptgrund für die finanzielle Schieflage seien die massiv steigenden Sozialausgaben, die im kreisangehörigen Raum überwiegend die Kreise tragen. „Bund und Land setzen immer neue Gesetze in Kraft, aber ohne eine hinreichende Refinanzierung für die ausführenden Kommunen mit einzuplanen“, kritisierte Landkreistags-Chef Grüttemeier.

Das gelte beispielsweise für die Umsetzung des Ganztagsanspruchs, für die Kinder- und Jugendhilfe, für das Bundesteilhabegesetz, aber auch für die Pflege, die Flüchtlings- und Integrationsarbeit vor Ort und weitere Aufgaben. Das sind auch die Gründe, die auch Landrat Markus Ramers für die Explosion der Kreisumlage nennt.

Genauso ist es Güttemeier zufolge bei der Gesetzgebung des Bundes zur Steuerentlastung, die wiederum massive kommunale Steuerausfälle ohne jeglichen Ausgleich zur Folge habe.

„Die Kommunen müssen mit immer weniger Geld immer mehr Aufgaben erfüllen“, so Grüttemeier. Diese strukturelle Schieflage müsse dringend korrigiert werden – das gelte sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite. „Bund und Land müssten grundsätzlich umsteuern. Sie müssen die Kommunen in die Lage versetzen, die ihnen übertragenen Aufgaben dauerhaft zu erfüllen“, forderte Grüttemeier.