31 Millionen Euro sollen die Kommunen mehr als in diesem Jahr an den Kreis Euskirchen zahlen. Es drohen höhere Steuern für die Bürger.
FinanzenBürgermeister im Kreis Euskirchen schlagen Alarm: Kommt der Kommunal-Soli?
Vergangenen Donnerstag im Kreishaus: Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sitzen mit Landrat Markus Ramers zusammen. Der erklärt ihnen das, was sie am Abend zuvor in ihren Postfächern vorgefunden haben: Die Städte und Gemeinden müssen dem Kreis für 2025 rund 230 Millionen Euro an Kreisumlage überweisen. Das sind 31 Millionen mehr als 2024. „Es herrschte depressives Schweigen“, berichtet ein Teilnehmer. Jemand habe den Landrat direkt angesprochen: „Markus, das wäre das Ende der kommunalen Haushalte.“
Teilnehmer: „Depressives Schweigen“ in Bürgermeister-Runde beim Kreis
Auch vier Tage danach sind die Sorgen groß. „Eine solche Steigerung habe ich in meiner 25-jährigen Amtszeit noch nicht erlebt“, sagte der Mechernicher Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick am Montag. Was das alles bedeutet? Die Bürgerinnen und Bürger müssten mit höheren Steuern auf Grundstücke und Gewerbeeinnahmen rechnen und/oder mit weniger Leistungen der Kommunen.
„Es wird dazu führen, dass die Kommunen reihenweise in die Haushaltssicherung beziehungsweise in die Nothaushalte rutschen werden“, stellt Schick fest – also in ein enges Ausgabenkorsett. Was das bedeutet, ist derzeit in Bad Münstereifel zu beobachten. Man habe dort mit aller Mühe ein Konzept hinbekommen, wird Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian aus der Sitzung zitiert. Aber mit zwei Millionen Euro mehr Kreisumlage sei dieses Konzept jetzt „im Eimer“. Das Rathaus in Bad Münstereifel bestätigt diese Aussage.
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Wo sollen die Kommunen noch sparen? Früher stritten sich die Fraktionen in den Räten ausgiebig, ob der Verein XY nun mit 1500 oder 2000 Euro bezuschusst wird? „Sowas gibt es schon lange nicht mehr“, sagt Schleidens Kämmerer Marcel Wolter. Geld für sogenannte freiwillige Leistungen sei kaum noch vorhanden – oder an längerfristige Verträge, im Fall Schleidens etwa fürs Freibad oder Kurhaus, gebunden. Und darauf wolle man ja auch nicht verzichten.
Der Schleidener Rat hat den 2025er Haushalt schon beschlossen, war allerdings von einer Kreisumlagenzahlung in Höhe von 13,9 Millionen Euro ausgegangen. Wolter hatte schon ein Plus von einer halben Million eingeplant. Nun soll er dem Kreis satte 15,2 Millionen Euro überweisen – also jeden dritten Euro aus dem Haushalt. Möglich, dass der Etat noch mal aufgeschnürt werden muss – etwa per Nachtragshaushalt oder gar Haushaltssperre. Ein Haushaltssicherungskonzept in den kommenden Jahren schließt Wolter nicht mehr aus, zumal die Gewerbesteuer angesichts der konjunkturellen Lage auch nachlassen dürfte.
Den Städten und Gemeinden im Kreis droht der finanzielle Kollaps
Apropos Steuern: Die Kreisumlagezahlung übersteige inzwischen die Steuereinnahmen von 11,7 Millionen (Grundsteuern, Vergnügungssteuern, Hundesteuern), rechnet Wolter vor. Bürgermeister Ingo Pfennings spricht von einem „Sargnagel für die Kommunalfinanzen“ und bringt einen „Kommunal-Soli“ ins Spiel. Zwar habe der Kreis schon vor einem Jahr auf eine mögliche Steigerung von sogar 35 Millionen für 2025 hingewiesen. „Aber das ändert ja nichts daran, dass wir das aufbringen müssen, was sie dort ausgeben“, erklärt der Schleidener Bürgermeister.
Die Älteren erinnern sich: Früher stand der Knatsch zwischen Kreisführung und Bürgermeistern über die Kreisumlage quasi im politischen Jahreskalender. Es wurde etwas ruhiger, als die Steuerquellen sprudelten. Doch das war einmal. Dass die Finanzlage auf allen Ebenen – vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen – schwierig ist, sei allen klar, so Schick. Er wolle daher auch nicht jammern. Doch die 31 Millionen mehr an Kreisumlage sind schon eine Hausnummer!
Hans-Peter Schick fordert striktes Sparen vom Kreistag
Und weitere Steigerungen stünden ins Haus: Von 2026 bis 2028 sei ein weiteres Plus von insgesamt 24,3 Millionen Euro zu erwarten, hat er der Post aus dem Kreishaus entnommen: „Das heißt: Wir haben dann von 2025 bis 2028 eine Steigerung von rund 56 Millionen Euro.“ Sein Kämmerer Ralf Claßen wird schon allein für 2025 rund 4,2 Millionen Euro mehr an den Kreis zahlen müssen als 2024 – und da waren es schon 26,5 Millionen. Denn die Stadt muss gemäß ihrer Größe und Steuerkraft 13,5 Prozent der gesamten Kreisumlage zahlen. Der städtische Haushalt 2025 werde wohl eine Lücke von 8 bis 10 Millionen Euro aufweisen.
Was aber soll der Kreis machen? Er hat keine Steuereinnahmen und finanziert sich zu knapp 65 Prozent durch die Kreisumlage. Unterdessen steigen die Aufwendungen: die Sozialausgaben zum Beispiel von 2016 bis 2025 um 63 Millionen auf rund 300 Millionen Euro, die Umlagezahlung an den Landschaftsverband Rheinland schlägt 2025 mit 62,4 Millionen Euro zu Buche, rund 5,9 Millionen mehr als 2024.
Auch der Kreis hat begrenzten Handlungsbedarf bei seinen Ausgaben. Das bestreitet niemand. Doch ganz entlassen die Rathausführungen die Kreistagspolitiker nicht aus der Verantwortung.
Die Stadt Euskirchen zahlt ungefähr ein Drittel der Kreisumlage
Viele geförderte Projekte seien zwar nützlich, doch die Eigenanteile summierten sich. Und wenn die Förderung dann auslaufe, tue man sich schwer, geförderte Stellen wieder zu streichen, sagt etwa Dahlems Bürgermeister Jan Lembach (CDU).
Das kleine Dahlem steuert rund zwei Prozent zur Kreisumlage bei, so Kämmerer Frank Hütter. 581 700 Euro muss er wohl 2025 mehr an den Kreis überweisen als 2024 – bei einem Gesamtetat von etwa 25 Millionen Euro kein Pappenstiel. Immerhin, so Lembach, habe Dahlem Rücklagen und perspektivisch relativ gute Gewerbesteuererwartungen. Aber einfacher werde es nicht.
Ungefähr ein Drittel steuert die Stadt Euskirchen zur Kreisumlage bei – und somit zehn Millionen mehr als 2024. „Das ist heftig“, sagt Bürgermeister Sacha Reichelt (parteilos).
Noch sei die Kreisstadt finanziell gut aufgestellt. „Aber wenn sich die Einnahmesituation in Deutschland weiter verschlechtert, wird es für viele Kommunen sehr schwer werden“, blickt Reichelt bang auf die Steuerschätzungen.
Er weist darauf hin, dass die Umlage für den Öffentlichen Personennahverkehr um rund 2,6 Millionen steigen soll: „Wenn wir uns das Ziel setzen, etwas gegen den Klimawandel zu tun, brauchen wir aus Berlin und Düsseldorf auch mehr Mittel dafür.“
Für Mechernichs Bürgermeister Schick ist nun die Zeit gekommen, dass der Kreis sich freiwillig ein Haushaltssicherungskonzept (HSK) auferlegt. „Er muss jetzt auch endlich mal in eine sehr stringente Überprüfung seiner Aufgaben und in ein stringentes HSK-ähnliches Aufstellungsverfahren für den Kreishaushalt gehen.
Die Listengemeinschaft im Kreistag aus CDU, FDP und UWV fordert unterdessen von Ramers „deutliche Korrekturen bis zur Einbringung des Haushalts im Januar“, die Einsparungen von fünf Millionen Euro bringen sollen. Dabei sei die Erhaltung der Handlungsfähigkeit der Kommunen „unser Kernanliegen“, so CDU-Fraktionschefin Ute Stolz.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Frederik Schorn kritisiert: „Die Verwaltung von Landrat Markus Ramers legt dem Kreistag jede Sitzungsfolge neue, teure Projekte vor – oft querfinanziert aus Fördermitteln. Auf unsere Vorschläge zur Effizienzsteigerung durch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz und schnellerer Digitalisierung hat die Verwaltung bis heute nur mit Worten, aber nicht mit Taten reagiert.“ Die Diskussionen haben erst begonnen.