Mit „leichte Entwarnung, keine Entspannung“ überschreibt die IHK die aktuelle Konjunkturumfrage. Die Unternehmen im Kreis Euskirchen sind aber pessimistischer.
KonjunkturumfragePessimismus bei Unternehmen im Kreis Euskirchen
Jammern die Unternehmer im Kreis Euskirchen ganz gerne? Oder haben sie grundsätzlich ein eher vorsichtiges bis skeptisches Naturell? Die Frage können Nils Jagnow und Philipp Piecha von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen nicht beantworten. Die Unternehmer im Kreis beurteilen ihre Lage in der aktuellen Konjunkturumfrage jedenfalls deutlich weniger positiv als ihre Kollegen in den anderen Regionen des Kammerbezirks: IHK-weit liegt der Saldo bei +22, im Kreis nur bei +4.
Der Pessimismus
Düster waren die Aussichten von den Unternehmen in der Herbst-Umfrage der IHK bewertet worden. Wären die Erwartungen eingetroffen, hätte die aktuelle Befragung einen deutlichen Einbruch gezeigt. Doch dem ist nicht so: „Leichte Entspannung, keine Entwarnung“ überschreibt die IHK daher die aktuellen Ergebnisse. Die deutlich gesunkenen Gaspreise könnten ein Grund dafür sein, sagt Jagnow, Referatsleiter Konjunktur und Regionalplanung der IHK Aachen. Keine Aussage kann er dazu machen, woher der Pessimismus der Kreis Euskirchener Firmenchefs kommt – dafür gehe die Befragung schlicht nicht tief genug.
Der Verdacht liegt jedoch nahe, dass es etwas mit einer vorsichtigen Grundhaltung zu tun hat. Die Fakten stützen das Ergebnis jedenfalls nicht. Sowohl Umsatzdaten und Auftragslage als auch die Arbeitslosenquote zeigen laut Jagnow, dass die Lage gar nicht mal so schlecht ist: „Dass die Unternehmen weiterhin investieren wollen, ist wahrlich kein Zeichen von Verzweiflung.“
Die Erwartungen
Auch wenn die Aussichten der Unternehmer weiterhin im deutlich negativen Bereich sind, hat sich die Lage im Vergleich zum Allzeittief vom Herbst verbessert. Lag der Saldo im Kammerbezirk vor wenigen Monaten noch bei finsteren -43, ist er nun auf -21 geklettert. „Im langjährigen Durchschnitt liegt er aber bei +6,6“, sagt Jagnow. Und auch hier ist der Kreis Euskirchen wieder ein Ausreißer. Von -56 im Herbst ist der der Saldo nur auf -45 gestiegen.
Die Liste der Faktoren, die den Unternehmern derzeit Sorgen bereiten, ist lang: Energiesicherheit und -preise, die geringe Planbarkeit, die allgemeine Inflation, Verfügbarkeit und Kosten von Rohstoffen und natürlich den Fachkräftemangel zählt Jagnow auf.
Die Branchen
Deutlich verbessert hat sich die Lage in der Industrie – jeder dritte Betrieb ist gemäß der Umfrage zufrieden. Der Saldo verbesserte sich von +11 im Herbst auf +22 zu Jahresbeginn (+14 im Kreis Euskirchen).
Bei den Dienstleistern war die Zufriedenheit schon im Herbst recht groß und ist nun weiter gestiegen von +18 auf +28. Auch hier haben Jagnow und Piecha keine Erklärung dafür, warum der Wert im Kreis Euskirchen mit -19 so deutlich niedriger ist.
Enorme Unterschiede macht die IHK im Handel aus. Während im Großhandel die Lage mit +20 (Kreis -3) überwiegend positiv gesehen wird, sieht es im Einzelhandel mit -11 (Kreis -22) deutlich düsterer aus. „Das Weihnachtsgeschäft hat hier wohl nicht ausgereicht“, sagt Jagnow.
Die Energie
Auch wenn die Gaspreise wieder auf Vorkriegsniveau angekommen sind und zahlreiche energieintensive Unternehmen zu tagesaktuellen Preisen einkaufen, ist Energie nach wie vor eines der ganz großen Themen. Wie Piecha berichtet, hat die Kammer bereits eine Energiebedarfsabfrage durchgeführt. „85 Prozent der Unternehmen gaben dabei an, Energie sparen zu wollen. Und 60 Prozent haben schon in Energieeffizienzmaßnahmen investiert“, sagt Jagnow.
Piecha kündigt an, dass für den 14. Februar ein Netzwerktreffen zu dem Thema vorbereitet wird. Zudem gebe es gerade im Umfeld der RWTH Aachen zahlreiche Experten zu dem Thema, zu denen die Kammer Kontakte vermitteln könne.
Im Rahmen der Transformation des Rheinischen Revier führt die IHK derzeit Beratungen zum Thema klimaneutrale Gewerbegebiete durch, die sich möglicherweise durch Kooperationen erzielen lassen. Ein Modellprojekt dazu ist in Baesweiler gestartet, im Kreis Euskirchen werden dazu laut Piechs bislang lediglich in Weilerswist konkrete Gespräche geführt.
Der Export
Wachstumsimpulse erwarten die Unternehmen nicht vom Export. Auch wenn die Geschäfte langsam anziehen, sind die Auftragseingänge noch geringer. 40 Prozent der Unternehmer erwarten hier steigende Umsätze, 23 Prozent jedoch rückläufige. Einige Unternehmen haben nach Erkenntnis der IHK ihre Abhängigkeit von chinesischen Geschäftspartnern reduziert, indem sie etwa andere Bezugsquellen erschlossen haben.
Die Mitarbeiter
Für die allermeisten Unternehmen ist das Personal das wertvollste Kapital. Der Bedarf an Fachkräften ist seit Jahren hoch – und wird weiter steigen, wenn die Boomer-Jahrgänge nach und nach in den Ruhestand gehen. Das spiegelt auch der Konjunkturbericht: Die Unternehmen wollen mehr Personal einstellen. Kammerweit liegt der Saldo bei +11, im Kreis bei +6. Ebenfalls spiegelt dies der Arbeitsmarkt, der trotz Konjunktureinbrüchen, Inflation und Jahreszeit stabil ist.
Doch woher neues Personal nehmen? Der Pool der potenziellen Mitarbeiter wird nicht größer. Oder doch? „Langfristig wird nur Zuwanderung helfen“, sagt Piecha dazu. Doch da sei die Politik am Zug. Die IHK sei keine Arbeitsvermittlung, sondern agiere als Sprachrohr der Wirtschaft. Hier fordern die Kammern laut Piecha einen Abbau der Bürokratie und die Beschleunigung der Verfahren, etwa durch vereinfachte Anerkennung von Ausbildungen.
Die Inklusion nennt sein Kollege Jagnow – dazu haben bereits erste Netzwerktreffen stattgefunden, wie Menschen mit einer Behinderung besser integriert werden können: „Wir müssen alle Potenziale ausschöpfen, die möglich sind.“
Die Umfrage
Dreimal jährlich veröffentlicht die IHK Aachen in einem Konjunkturbericht die Ergebnisse einer Umfrage zur wirtschaftlichen Lage. Insgesamt verzeichnet die Kammer mehr als 80.000 Mitgliedsunternehmen. Ein Panel von etwa 1000 Firmen aus repräsentativen Branchen und „mit einem entsprechenden Gewicht“, so Nils Jagnow, hat die Kammer für die Umfragen ausgewählt.
330 Unternehmen haben sich kammerweit an der Befragung zum Jahresbeginn beteiligt, 47 davon aus dem Kreis Euskirchen. Diese Zahl ist laut Jagnow ausreichend für eine fundierte Trendaussage. In einem Saldo setzt die Kammer die positiven und negativen Aussagen der Firmen zu einem Thema, etwa der Geschäftslage oder den Erwartungen, ins Verhältnis. (rha)