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SeuchengefahrDie Afrikanische Schweinepest kommt dem Kreis Euskirchen näher

Lesezeit 5 Minuten
Ein Wildschwein schaut in die Kamera.

Wenn die Afrikanische Schweinepest ausbricht, bedeutet das für viele Wildschweine den Tod.

Nach Fällen der Afrikanischen Schweinepest in Rheinland-Pfalz, bereitet man sich auch im Kreis Euskirchen auf einen Ausbruch der Seuche vor.

Hohes Fieber, Mattigkeit, Durchfall, Erbrechen, Atemnot, Blutungen und schließlich der Tod. Gegen die Afrikanische Schweinepest gibt es weder Impfstoff und noch Therapie. Tiere, die sich mit dem Virus infizieren, sterben fast immer binnen weniger Tage. Die hochansteckende Krankheit kommt näher. Die gute Nachricht: Sie befällt ausschließlich Schweine, für andere Tiere und Menschen ist sie ungefährlich. Die schlechte: Bricht sie aus, müssen drastische Maßnahmen ergriffen werden.

Mitte Juni sind infizierte Schweine im hessischen Groß-Gerau gefunden worden, Anfang Juli hat die Seuche den Rhein überschritten und ist in Rheinland-Pfalz angekommen. Für Dr. Jochen Weins, Leiter des Euskirchener Kreisveterinäramts, ist es keine Frage, dass sie sich weiter ausbreiten wird. Allerdings sagt der Veterinär: „Wenn man konsequent gegenarbeitet, kann man die Infektionskette durchbrechen.“

2018 war die Seuche in Belgien und konnte gestoppt werden

2018 war die Seuche schon einmal gefährlich nahegerückt, als sie in Belgien aufgetreten war. Doch die Verbreitung konnte gestoppt werden. Diesmal könnte es schwieriger sein. Denn im rheinland-pfälzischen Seuchengebiet gibt es wenig Wald, die Schweine finden im Schilf am Flussufer Deckung. Dort werden Kadaver nicht gefunden, und es besteht die Gefahr, dass sie stromabwärts treiben.

Ein Hund mit einer Schutzweste läuft zwischen blühendem Fingerhut.

Speziell ausgebildete Kadaversuchhunde sollen im Ernstfall die toten Wildschweine finden, damit sich das Virus nicht weiter ausbreitet.

Wenn bei einem Wildschwein in Nordrhein-Westfalen das Virus nachgewiesen wird, tritt die Wildseuchen-Vorsorge-Gesellschaft mbH (WSVG) auf den Plan. Das Land hatte die Aufgabe der Wildtierseuchenbekämpfung ausgeschrieben, das Unternehmen mit Sitz in Hamm ist nun ausführender Dienstleister im Auftrag des betroffenen Kreises.

Das Gebiet rund um den Seuchenherd wird eingezäunt

Es hält das nötige Material und, in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, auch Personal vor, um umzusetzen, was als Goldstandard in der Bekämpfung der Seuche gilt. An mehreren Standorten im Land gibt es Lager mit riesigen Mengen an Zäunen. Denn wenn ein Seuchenherd erkannt ist, wenn also ein oder mehrere infizierte Tiere gefunden worden sind, wird das Gebiet eingezäunt. Und zwar so, dass kein Schwein mehr rein- oder rauskommt.

Diese Kernzone kann einen Radius von drei bis fünf Kilometern haben – da ist man schnell bei 30 bis 50 Kilometern Zaun. Christian Stoll, einer der Geschäftsführer der WSVG, beschreibt das weitere Vorgehen. Sein Unternehmen kläre zwar, wo der Zaun sinnvollerweise verlaufen sollte, der Staat entscheide dann aber über den Bau. Grundstückseigentümer müssten dann dulden, wenn er ihren Acker oder auch Garten durchquere.

Die in der Kernzone eingeschlossenen Schweine würden, wenn nötig, mit Futter und Wasser versorgt. Dort herrscht für Spaziergänger kein Betretungsverbot, aber sie dürfen die Wege nicht verlassen. Der Plan: Die Schweine sollen friedlich dort leben – und sterben: „In der Kernzone tötet die Seuche“, sagt Christian Stoll. Anders als im ebenfalls eingezäunten zweiten Gürtel, der „weißen Zone“. Dort erlegen die Jagdeinheit NRW und weitere Jäger alle Wildschweine.

Das Thema ist in der Jägerschaft seit Jahren präsent.
Angela Schmitz

„Wo kein Tier ist, kann keines angesteckt werden“ – nach dieser einfachen Logik ist der Seuchenzug an dieser Stelle unterbrochen. Abgebaut werden dürfen die Zäune erst, wenn sechs Monate lang kein krankes oder totes Schwein gefunden worden ist. So lange herrscht dort Jagdverbot, das Veterinäramt kann ein Ernteverbot für die Landwirte verhängen. Die Mitarbeiter der Kreisveterinärbehörde und der WSVG sind nicht die einzigen, die sich schon länger mit dem Fall der Fälle beschäftigen.

Männer in neongelben Jacken gehen mit Stöcken durchs Gelände.

Noch ist es Training: Die Wildtierseuchen-Vorsorge-Gesellschaft bildet Mannschaften aus, die das Gelände durchkämmen auf der Suche nach kranken oder verendeten Wildschweinen.

„Das Thema ist in der Jägerschaft seit Jahren präsent“, sagt Angela Schmitz, Vorsitzende der Kreisjägerschaft Euskirchen. Wer ein Schwein erlege, entnehme nicht nur ein Stück Muskel zur Trichinenprobe, sondern auch Blut, das untersucht werde. Angela Schmitz: „Wir nehmen unsere Verpflichtung, den Bestand zu regulieren, ernst.“ Allerdings auch die ethischen Anforderungen der waidgerechten Jagd: Führende Bachen, also Muttertiere, deren Frischlinge noch von ihr abhängig seien, würden nicht geschossen.

Bevölkerung soll für das Thema Schweinepest sensibilisiert werden

Die Jägerinnen und Jäger hätten in den vergangenen Jahren fleißig angesessen, das Wildschweinvorkommen im Kreis sei zurückgegangen. Tatsächlich schwankt die Zahl der erlegten Wildschweine in den vergangenen Jahren, wie der Kreis als Untere Jagdbehörde mitteilt. Wurden im Jagdjahr 2021/22 immerhin 3842 Tiere erlegt, waren es 22/23 noch 2069 Stück und 23/24 dann wieder 2531.

Der Landesjagdverband (LJV) sieht die Jägerschaft jedenfalls gut vorbereitet. Der Verband sei Gesellschafter der WSVG, sagt Pressesprecher Andreas Schneider: „Wir stehen bei dem Problem Seite an Seite mit unseren Partnern im ländlichen Raum.“ Ihm ist es wichtig, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren. In Hessen habe ein verendetes Wildschwein tagelang am Bahndamm gelegen – sichtbar, aber unbeachtet. Andere Schweine fräßen vom Kadaver ihrer Artgenossen, infizierten sich auf diese Weise und trügen die Seuche weiter.

Kadaversuchhunde mit 21 Gespannen warten auf ihren ersten Einsatz

Auch die Drohnenpiloten des Vereins Kitzrettung Kreis Euskirchen bereiten sich vor, um bei der Suche nach infizierten Schweinen zu helfen. Sie hätten erst einmal überprüfen müssen, ob die Vereinssatzung überhaupt einen anderen Einsatz als die Rettung von Rehkitzen zulasse, berichtet Bernd Osterthun. Jetzt stehen die Piloten bereit, um sich für die neue Aufgabe schulen zu lassen.

Auf ihren Einsatz warten auch die Kadaversuchhunde noch. Der Landesbetrieb Wald und Holz hat die erste Einheit der Hundestaffel aufgestellt, mittlerweile besteht sie aus 21 Mensch-Hund-Gespannen, wie das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz mitteilt.

Die Hunde durchlaufen eine sechsmonatige Ausbildung, ähnlich der eines Schweißhundes, der nach verletztem Wild sucht. Der entscheidende Unterschied: Der Kadaversuchhund soll vom toten Schwein Abstand halten. Er trägt ein „Bringsel“ am Halsband. Wenn er das im Maul zurückbringt, weiß sein Führer, dass der Hund ein Stück Wild gefunden hat.

Warum die Tierseuche mit so viel Aufwand bekämpft wird, erklärt Kreisveterinär Weins: „Wenn große Mastbetriebe befallen werden, drohen Milliardenschäden.“ Schon jetzt gebe es Exportbeschränkungen. Im Kreis Euskirchen gibt es laut Weins knapp 100 angemeldete Schweinehalter, aber nur zwei größere Betriebe. Vorsicht gilt übrigens selbst für Minischweine. Auch sie müssen so gehalten werden, dass sie nicht mit Wildschweinen in Kontakt kommen können.


Wer ein totes Wildschwein findet, sollte es unbedingt melden

Was soll man tun, wenn man ein totes Wildschwein findet? Bitte nichts anfassen, appelliert das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv). Sollte jemand in Kontakt mit dem Kadaver gekommen sein, muss alles gründlich gereinigt werden, damit das Virus der Schweinepest nicht weiter verbreitet wird.

Das Landesumweltamt hat eine Rufnummer eingerichtet: Unter 0201/714488 sollen Kadaverfunde gemeldet werden, alternativ per E-Mail an die Bereitschaftszentrale des Amtes. Die Zentrale kümmert sich in Abstimmung mit den Kommunen darum, dass das tote Wildschwein so schnell wie möglich gesichert und auf die Afrikanische Schweinepest untersucht wird.