Das Integrationsmanagement im Kreis Euskirchen ist gut angelaufen. In unserer Serie zeigen wir, wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte profitieren.
IntegrationKreis Euskirchen geht mit gutem Beispiel voran
Es ist ein langer, vielschichtiger und arbeitsreicher Prozess, ein Zusammenfügen und Zusammenfinden, bei dem Werte, Respekt und Regeln genauso im Fokus stehen müssen wie die gleichberechtigte Teilhabe an Bildung, Arbeit und Wohnen. Die Rede ist von Integration – einem Begriff, der in der Gesellschaft mit vielen Emotionen aufgeladen wird und bei dem allzu oft das Hauptaugenmerk auf dem Nichtgelingen liegt.
Dass aber im Einwanderungsland Deutschland, dessen Wirtschaft ohne ausländische Fachkräfte nicht funktionieren könnte, vieles in Sachen Integration auch sehr gut läuft, fällt bisweilen unter den Tisch.
NRW, wo laut Mikrozensus 5,7 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte leben, geht hier im Vergleich zu anderen Bundesländern mit gutem Beispiel voran. So wurden mit der Reform des NRW-Teilhabe- und Integrationsgesetzes 2021„bundesweit einzigartige Standards für Verlässlichkeit und Verbindlichkeit in der Integrationspolitik“ geschaffen, wie die Landesregierung damals mitteilte.
Vernetzung aller lokalen Akteure im Kreis Euskirchen wurde verstärkt
Die Potenziale der auf Dauer in NRW bleibenden Menschen sollten künftig „zielgenauer gefördert werden, während durch ein verbessertes Rückführungsmanagement Menschen ohne Bleibeperspektive konsequent zurückgeführt werden“, so die Landesregierung.
Drei Jahre sind nun vergangen, und auch im Kreis Euskirchen wurde seither einiges bewegt. Die systematische Vernetzung aller lokalen Akteure im Bereich Integration – der vielen Haupt- und Ehrenamtlichen in Wohlfahrtsverbänden, Vereinen, Institutionen und der Geflüchtetenhilfe – wurde weiter verstärkt. Ein Paradigmenwechsel in der Ausländerbehörde ermöglicht es, gut integrierten Geduldeten eine Bleibeperspektive zu verschaffen, und, wenn es gut läuft, auch die Einbürgerung zu ermöglichen.
Mehr gesellschaftliche Teilhabe für eingewanderte Menschen
Der zentrale Baustein des Gesetzes ist die Installierung des Landesprogrammes „Kommunales Integrationsmanagement“, kurz Kim, das die bewährten Beratungs- und Begleitstrukturen im Kreis Euskirchen ergänzen und unterstützen soll. Auf der einen Seite sollen Migrations- und Integrationsprozesse erfolgreich miteinander verknüpft werden, so dass die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Einwanderungsgeschichte nachhaltig entwickelt werden kann.
Auf der anderen Seite bietet Kim durch die enge Verzahnung aller Player im Bereich Migration und Integration die Chance, auf Grundlage der Erfahrungen Lücken im System offenzulegen. „Kim dient als Lehrstück“, sagt Kathrin Friedrich, Fachbereichsleiterin der Katholischen Jugendagentur Bonn, die ebenfalls mit im Boot sitzt. Friedrich weiter: „Wir können besser erkennen, was innerhalb der Integrationsinfrastruktur verbessert werden sollte.“
Zweimal im Jahr trifft sich hierzu die Lenkungsgruppe und „arbeitet die Ergebnisse aus den verschiedenen Bereichen auf, um daraus dann Handlungs- und Beschlussempfehlungen zu erarbeiten“, erklärt Robin Lindenberg von der Kim-Gesamtkoordination. „Manchmal sind es nur kleine Stellschrauben, die man drehen muss, um einen großen Effekt zu haben“, berichtet Vera Secker, Teamleiterin des Kommunalen Integrationszentrums im Kreis Euskirchen.
Auf den ersten Blick erscheint das kommunale Integrationsmanagement wie ein gigantischer Papiertiger. Man muss genauer hinschauen, um hinter dem spröden Verwaltungs-Slang der ministerialen Vorgaben die handfesten Chancen und Möglichkeiten zu begreifen, Integration wirksam zu vereinfachen. Nicht nur, aber auch durch die elf geschaffenen Personalstellen, besetzt mit 15 Mitarbeitenden für das Case-Management, die an neuralgischen Punkten im Integrationsprozess wirken können. Diese Case-Manager, die Menschen mit Migrationsgeschichte individuell unterstützen, übernehmen eine wichtige Brückenfunktion.
Ein überaus positives Resümee nach den ersten drei Jahren Kim
Das Resümee, dass die am Kim beteiligten Stellen nach drei Jahren ziehen, ist jedenfalls rundweg positiv. „Wenn die Menschen zu uns kommen, sind sie mit einem Aufenthaltstitel versehen. Was in den Jahren vorher passiert ist, wussten wir lange nicht. Seit es Kim gibt, ist das anders, jetzt sind die Prozesse transparent“, sagt Melanie Wölkert, Teamleiterin des Integration Points des Jobcenters Euskirchen, wo ebenfalls eine Case-Managerin installiert wurde. „Wir haben unsere Netzwerke immens erweitert, und der Austausch untereinander ist deutlich besser. Die einzelnen Zahnräder greifen jetzt viel passgenauer ineinander.“
„Kim ist gelebte Kooperation der Integration“, bringt es Martin Jost, Geschäftsführer des Caritasverbandes Euskirchen, auf den Punkt. Der große Mehrwert, den das Kommunale Integrationsmanagement biete, sei die Tatsache, „dass der einzelne Mensch nicht verloren geht, dass er begleitet wird durch die Prozesse und den Dschungel der Zuständigkeiten“.
Durch das Case-Management ist eine langfristige Beratung möglich
Auch beim DRK-Kreisverband Euskirchen blickt man zufrieden auf die Möglichkeiten, die Kim bietet. Boris Brandhoff, Leiter der DRK-Integrationsagentur: „Seit Kim gibt es das Angebot intensiver Einzelberatungen direkt bei den Menschen zu Hause oder in der Unterkunft.“ In vielen Regelangeboten sei die aufsuchende Arbeit nicht vorgesehen. Diese sei jedoch sehr wirkungsvoll und niederschwellig.
Auch der Caritasverband für die Region Eifel profitiert von den personellen Ressourcen, die durch Kim geschaffen wurden: „Für langfristige Begleitungen fehlte vorher oft die Zeit“, so Fachbereichsleiterin Lena Winter. Ein Klient, der in Udenbreth lebe, komme kaum nach Schleiden zur Beratung. Jetzt würden sich die Case-Managerinnen ins Auto setzen und in den Südkreis fahren.
Vom unsicheren Aufenthaltsstatus zum sicheren Bleiberecht
Das Ausländeramt des Kreises Euskirchen spielt bei der erfolgreichen Integration von Menschen mit Einwanderungsgeschichte natürlich eine zentrale Rolle. Mit dem Kommunalen Integrationsmanagement wurde dort ein präventiver Ansatz eingeführt, um „frühestmöglich Wege für eine rechtliche Verstetigung der Integration aufzuzeigen und zu stärken“, heißt es in der Kim-Broschüre.
Ziel ist es, Personen mit Einwanderungsgeschichte aus einem unsicheren Aufenthaltsstatus in ein sicheres Bleiberecht zu überführen. Sascha Hanke, Teamleiter der Ausländerbehörde (ABH), sagt, dass Kim zu einer entscheidenden Weiterentwicklung der bisherigen Arbeit beigetragen habe. „Durch die Zusammenarbeit im Rahmen von Kim wird die ABH nicht mehr isoliert betrachtet, sondern als ein integrierter Bestandteil eines umfassenderen, abteilungsübergreifenden Ansatzes.“ Kim biete eine strukturierte Unterstützung, „die weit über das klassische Verwaltungsverfahren hinausgeht.“
Das Land Nordrhein-Westfalen hat das Kommunale Integrationsmanagement rechtlich verankert und langfristig finanziell abgesichert. Damit wurde „sehr weitsichtig geplant, unabhängig von Parteipolitik“, sagt Vera Secker. Was man nach drei Jahren auf jeden Fall schon sagen kann: Die Umsetzung von Kim im Kreis Euskirchen hat schon jetzt neue Wege der Zusammenarbeit heraufbeschworen – zugunsten der Zugewanderten und einer verbesserten Integration und Teilhabe.
Das größte integrationspolitische Förderprogramm des Landes NRW
Seit Mai 2021 wird das Kommunale Integrationsmanagement, kurz Kim, im Kreis Euskirchen umgesetzt. Kim ist das bislang größte integrationspolitische Förderprogramm des Landes NRW, dessen Ziel es ist, die Teilhabechancen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte weiter zu verbessern. Zusammengefasst geht es um die kommunale Steuerung und Organisation von Integrationsprozessen von „der Einreise bis zur Einbürgerung“.
Mithilfe des Kim wird die Vernetzung und Zusammenarbeit aller Akteure, die an der Integration einwandernder Menschen im Kreis Euskirchen beteiligt sind, gefördert. Es soll ein „Öffnungs- und Veränderungsprozess“ angestoßen werden, bei dem „institutionelle Barrieren abgebaut und bestehende Strukturen optimiert werden“, heißt es auf der Homepage des NRW-Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration.
Wie dieses umfängliche Konstrukt mit Leben erfüllt wird, welche Wirkung Kim beispielhaft im Leben Zugewanderter im Kreis Euskirchen entfaltet und worin der seitens der Politik beschriebene Paradigmenwechsel in der Praxis tatsächlich besteht, darüber wollen wir in einer neuen Serie in dieser Zeitung berichten.