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KlimaschutzWie Bürger im Kreis Euskirchen Pflanzen und Gärtner gratis bekommen können

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt einen Vorgarten im Kreis Euskirchen. Zu erkennen sind ein Schottergarten mit sehr wenig Grün und eine Bank im Hintergrund.

Steinvorgärten und versiegelte Flächen sollen im Kreis Euskirchen der Vergangenheit angehören.

Wer seine Flächen entsiegelt, erhält vom Kreis Euskirchen Geld für Pflanzen und den Landschaftsbauer. In Euskirchen entsteht ein Mini-Wald.

Blühende Landschaften statt Steingärten. Der Kreis Euskirchen sagt Schotterflächen und anderweitig versiegelten Arealen wie Parkplätzen den Kampf an. Er fördert dafür sogenannte Entsiegelungspatenschaften – und übernimmt die Kosten für die Bepflanzung der neuen Naturinseln durch einen Gartenbaubetrieb sowie die dafür nötigen Pflanzen.

„Damit schaffen wir einen attraktiven Anreiz für die Bürger, die versiegelten Flächen wieder in naturnahe Biotope zu verwandeln“, sagt Achim Blindert, Allgemeiner Vertreter des Landrats und zuständiger Geschäftsbereichsleiter.

Kreis Euskirchen: 200.000 Euro für blühende Landschaften

200.000 Euro stellt der Kreis aus dem Förderprogramm „Land4Climate“ dafür zunächst zur Verfügung. „Durch die Umwandlung von Beton- und Asphaltflächen in naturnahe Grünflächen wird der lokale Wasserhaushalt verbessert, Lebensraum für Pflanzen und Tiere geschaffen und die städtische Hitzebelastung gesenkt“, so Blindert.

Wann startet der Kampf gegen den Klimawandel? Sofort. Ab jetzt und bis zum 16. November können sich Bürger für eine Entsiegelungspatenschaft bewerben. Dazu müssen sie sich mit Name, Adresse, Nachweis des Grundstückeigentums (Grundbucheintrag), Daten des Flurstücks und einem Foto der zu entsiegelnden Fläche auf dem Service-Portal des Kreises Euskirchen bewerben. Es sei ein wenig bürokratisch, aber es lohne sich, so Blindert.

Besitzer dürfen mitentscheiden, welche Pflanzen in den Garten sollen

Die Flächen werden im Anschluss von der Kreisverwaltung mithilfe eines Punktesystems bewertet und ausgewählt. Die Bewertungskriterien beruhen auf einer Klimarisikoanalyse und der Flächengröße.

Als Mindestgröße hat der Kreis zehn Quadratmeter zu entsiegelnde Fläche angesetzt. Maximal seien derzeit 200 Quadratmeter vorgesehen, so Blindert. In Ausnahmefällen seien aber auch größere Flächen möglich. „Wir rechnen damit, dass wir zwischen 100 und 150 Gärten mit dem Fördertopf gestalten können“, so Blindert.

Nach der Zusage für das Projekt durch den Kreis haben die Bürger zwei Monate Zeit, ihre Fläche zu entsiegeln. Das sei, abgesehen von der digitalen Bewerbung, praktisch die einzige Vorleistung, die die Paten in Eigenregie durchführen müssten. „Eine pflanzfertige Fläche benötigen wir. Dann kann es losgehen“, sagt Blindert.

Entsiegelung muss abgeschlossen sein, wenn der Gärtner kommt

Es reiche aber, wenn die Entsiegelung abgeschlossen sei, wenn der Gärtner kommt. Die Fläche sei mit einem zweiten Foto zu dokumentieren. Im Frühling kommenden Jahres werde die entsiegelte Fläche von einem Gartenbauunternehmen naturnah bepflanzt. Und zwar in enger Absprache mit den Besitzern der Fläche. Die dürften auch Wünsche äußern, so der Kreis.

Der Kreis Euskirchen plant zwei weitere Maßnahmen, um dem Klimawandel zu begegnen. Zum einen ist angedacht, dass zwei Klimaparks und ein Mini-Wald im innerstädtischen Bereich von Euskirchen angelegt werden, berichtet Jonathan Schulze von der Abteilung Kreisentwicklung und Planung. Der Mini-Wald ist im Bereich der Zülpicher Straße geplant. Dort gebe es Flächen mit mehr als 300 Quadratmetern. „Das wird einen großen Effekt auf das Klima in diesem Viertel haben“, so Schulze.

Das Bild zeigt eine große versiegelte Fläche. Nur ein paar Sträucher sind zu erkennen.

Viele Steine, keine blühenden Landschaften: Viele Vorgärten im Kreis Euskirchen sind nicht gerade naturnah.

Das Bild zeigt die Protagonisten des Entsiegelungspaten-Projekts des Kreises Euskirchen vor dem Kreishaus. Auch dort ist der Kreis aktiv geworden.

Am Kreishaus in Euskirchen hat der Kreis diverse Projekte angestoßen, um den Klimawandel zu verlangsamen.

Die Klimaparks sollen gegenüber der Kreisverwaltung im Bereich zweier Mehrfamilienhäuser der Eugebau angelegt werden. „Dort erhalten wir natürlich den Bestand, der schon eine gewisse ökologische Wertigkeit hat“, sagt Saskia Gall-Röhrig, Klimawandelanpassungsmanagerin beim Kreis Euskirchen.

Man werde versuchen, „die Rasenwüsten ein wenig zu entzerren und den Bereich mit Stauden, Gehölzen und Obstbäumen aufzuwerten“, so Gall-Röhrig, die betont, dass bei allen „Land4Climate“-Projekten ausschließlich heimische Pflanzen angepflanzt werden. Ziele der Maßnahme seien die Reduzierung von Hitzeinseln, die Verbesserung des Wasserrückhalts, beispielsweise bei Starkregen, und die Förderung der Biodiversität. „Die Gartenarbeiten beginnen noch in diesem Jahr“, sagt Schulze.

Nachbarn sollen „Spätblüher“ von Projekt überzeugen

Genau wie bei den Entsiegelungspatenschaften ist der Kreis laut dem Klima-Experten auch bei den beiden anderen geplanten Projekten sogenannter Frontrunner. Man könnte wohl auch Vorreiter sagen, aber zu einem EU-weiten Projekt, das sich „Land4Climate“ schimpft, wäre das wohl nicht international genug.

In seiner Vorreiterrolle wird der Kreis von der TU Dortmund und der RWTH Aachen unterstützt, die das Projekt wissenschaftlich auswerten. Zudem werde der Kreis seine Erfahrungen bei „Land4Climate“ an die Vulkaneifel weitergeben, die ebenfalls an dem Förderprogramm interessiert sei.

Neben den 200.000 Euro, die nun ausgeschüttet werden, stehen dem Kreis Euskirchen weitere 300.000 Euro aus dem Fördertopf zur Verfügung. Der Grund: Der Kreis spekuliert darauf, dass die Entsiegelungspaten der ersten Runde zu Multiplikatoren in der Nachbarschaft werden.

Gespräche mit Landwirten zur Anpflanzung von Schilfgras

„Wenn die Nachbarn sehen, dass ein naturnaher Garten nicht nur schön ist, sondern auch nicht mehr Arbeit macht als eine versiegelte Fläche, haben auch sie vielleicht Lust, ihre Flächen zu entsiegeln“, erklärt Blindert. Genau für diese „Spätblüher“ sei der zweite Fördertopf vorgesehen.

Der Kreis möchte aber nicht nur Bürger und Gewerbetreibende überzeugen, ihre Flächen zu entsiegeln. Auch Maßnahmen in der freien Landschaft sind geplant – beispielsweise durch die Anpflanzung von Schilfgras. Erste Gespräche mit interessierten Landwirten seien schön geführt worden. Das Schilfgras wirke durch sein dichtes Wurzelwerk und sein schnelles Wachstum in mehrfacher Hinsicht verschiedenen Klimarisiken entgegen, sagt Gall-Röhrig.

So könne durch den Anbau von Schilfgras die Wasseraufnahmefähigkeit der Böden bei Starkregen signifikant erhöht und gleichzeitig die Bodenerosion verringert werden. „Zum Anbau von Schilfgras steht der Kreis Euskirchen in engem Austausch mit dem Fachbereich für nachwachsende Rohstoffe der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn“, so Schulze.

Im Rahmen des Projektbausteins werde auch die Anpflanzung von Hecken und Streuobstwiesen gefördert. „Alle Maßnahmen sind in der Summe ein starkes Zeichen für das Engagement der Kreisverwaltung, unsere Bürger bestmöglich vor den Folgen der Erderhitzung zu schützen“, betont Achim Blindert.


EU-Projekt im Kreis Euskirchen läuft über vier Jahre

Die Entsiegelungspartnerschaft des Kreises Euskirchen ist Teil einer Reihe von naturbasierten Klimawandelanpassungsmaßnahmen, die im Rahmen des Projekts „Land4Climate“ von der Europäischen Union finanziert werden. Der Kreis nimmt an dem Projekt als eine von sechs europäischen Regionen teil.

„Es geht darum, Vorsorgemaßnahmen auf Privatflächen im Siedlungsbereich und in der offenen Landschaft gegen Klimarisiken wie Starkregen, Hitzeinseln, Bodenerosion und Biodiversitätsverluste umzusetzen und die daraus gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse an andere Regionen weiterzugeben“, erläutert Jonathan Schulze von der Abteilung Kreisentwicklung und Planung.

Das Projekt hat eine Gesamtlaufzeit von vier Jahren. Insgesamt stehen für die Entsiegelungsmaßnahmen zunächst 200.000 Euro zur Verfügung.