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Mehr Grün, mehr WasserSo wappnet sich der Kreis Euskirchen gegen die Folgen der Klimakrise

Lesezeit 5 Minuten
An einer grauen Fassade wachsen einige grüne Pflanzen an Stahlkonstruktionen in die Hähe.

Die Fassadenbegrünung am Abfallwirtschaftszentrum wächst. Schon in diesem Jahr erhofft man sich einen ersten messbaren Effekt.

Hitze und Dürre werden laut Prognosen in Zukunft im Kreis Euskirchen häufiger vorkommen, deshalb will man nun gegensteuern.

Dass die Auswirkungen des Klimawandels auch im Kreis Euskirchen zu spüren sind, ist spätestens seit der Flutkatastrophe wohl den meisten klar.

Und auch in diesem Jahr zeigen sie sich: Februar und März waren zu warm, der Frühling begann zwei Wochen früher als gewöhnlich, und obwohl es vergangene Woche noch gefroren hat, liegt auch die Durchschnittstemperatur im April höher als das Mittel der Jahre von 1991 bis 2020.

Zülpicher Börde hat zu wenig Wasser

Mit seinem Klimawandelanpassungskonzept will sich der Kreis gegen die Herausforderungen, die die Erderwärmung mit sich bringt, wappnen. Eine davon: Wasserknappheit in der Börde. Laut dem aktuellen Dürremonitor für Deutschland des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung ist die Zülpicher Börde das einzige Gebiet in ganz Nordrhein-Westfalen, das als ungewöhnlich trocken gilt. In Teilen weist der Monitor sogar eine moderate Dürre aus – und das im April. Ein Problem vor allem für die Landwirte.

Abhilfe soll da das Abwasser der Molkerei Hochwald schaffen. Mit dem Projekt „Water Reuse“ sollen die täglich anfallenden etwa 2500 Kubikmeter Abwasser zur Bewässerung umliegender Felder genutzt werden. Eine Machbarkeitsstudie ist inzwischen abgeschlossen. Diese werde nun von der Bezirksregierung bewertet, berichtet Saskia Gall-Röhrig vom Klimaanpassungsmanagement. Die Ergebnisse seien sehr positiv ausgefallen.

Es ist ja prognostiziert, dass es weitere Dürre-Perioden geben wird.
Saskia Gall-Röhrig, Klimaanpassungsmanagement Kreis Euskirchen

Der nächste Schritt sei nun ein Pilotprojekt, bei dem die Bewässerung einer landwirtschaftlichen Fläche mit dem Abwasser getestet werden soll. Dabei gehe es darum zu schauen, wie sich die Bewässerung mit dem Abwasser auf Boden und Pflanzen auswirke, so Gall-Röhrig: „Natürlich muss, wenn es auf Dauer genutzt werden soll, eine Infrastruktur geschaffen werden.“ Und das kostet Zeit und Geld. Bis tatsächlich die Landwirte von dem Abwasser der Molkerei profitieren, wird es noch Jahre dauern.

Doch schon jetzt ist klar: Die Menge an Wasser wird nicht reichen, um alle Felder im Projektgebiet komplett zu bewässern. „Es ist ein Anfang“, sagt Gall-Röhrig. Weitere Schritte werden nötig sein: „Es ist ja prognostiziert, dass es weitere Dürre-Perioden geben wird.“ Die Bewässerungsmethoden könnten verbessert werden, indem man auf Tropf- oder Unterflurbewässerung setze. Das senke den Wasserverbrauch, erklärt die Biologin. Ebenso sei ein Kulturwechsel bei den Pflanzen denkbar. Gewürz- und Arzneipflanzen beispielsweise kämen mit weniger Wasser zurecht als Kartoffeln oder Rüben.

Feuchtbiotope in Zülpicher Börde werden wiedervernässt

Mehr Wasser-Recycling in der Landwirtschaft selbst sei ebenfalls Thema. „Aber das ist sehr komplex und geht nicht von heute auf morgen“, betont Gall-Röhrig. Und es gebe Überlegungen, Wasser aus anderen Regionen, in denen genug vorhanden sei, in die Börde zu transportieren. Doch dafür brauche es dann wieder Infrastruktur, die wiederum Zeit und Geld koste.

Schneller geht es da an anderer Stelle. Noch im Herbst sollen vier Feuchtbiotope in der Börde wiedervernässt werden. Auch sie sind durch den sinkenden Grundwasserspiegel bedroht. Deshalb werde die Biostation sie an einigen Stellen vertiefen, berichtet Gall-Röhrig.

Es geht im Groben immer um mehr Begrünung, Verschattung und Klimatisierung.
Katja Ziemann, Koordination Umweltmedizin, Kreisgesundheitsamt

Eng verbunden mit der Wasserknappheit steht eine weitere Herausforderung, die der Klimawandel mit sich bringt: Hitze. Tropische Nächte und Hitzewellen werden durch die Erderwärmung häufiger. Deshalb will der Kreis nun eine Hitze-Aktions-Planung für die Kommunen im Kreis aufstellen. Dazu gebe es zwar noch keine gesetzliche Verpflichtung, sagt Katja Ziemann, Koordinatorin Umweltmedizin beim Kreisgesundheitsamt: „Aber wir würden da gerne vorausschauend handeln.“

In einem ersten Schritt wurden dazu unter anderem Kommunen, Krankenhäuser, Kindergärten, Pflegeheime, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker sowie ambulante Pflegedienste nach den Bedarfen beim Thema Hitzeschutz befragt. Das Ergebnis: „Es geht im Groben immer um mehr Begrünung, Verschattung und Klimatisierung“, sagt Ziemann.

Fassadenbegrünung am AWZ soll dieses Jahr ersten Effekt haben

Eine Idee, wie man das umsetzen kann, ist Fassadenbegrünung. Damit hat der Kreis im vergangenen Jahr am Abfallwirtschaftszentrum in Strempt begonnen. Die Pflanzen seien gut angewachsen, berichtet Gall-Röhrig. Sie erhoffe sich bereits in diesem Sommer einen Effekt.

Um herauszufinden, wie viel Abkühlung die Pflanzen schaffen können, wird die Temperatur an der Fassade überwacht. Im Sommer 2023 sei es dort zeitweise so heiß gewesen, dass das Thermometer die Temperatur nicht mehr habe anzeigen können, weil diese bei weit mehr als 60 Grad Celsius lag, so Gall-Röhrig. Nun ist sie gespannt, wie die Werte in diesem Jahr ausfallen.

Katja Ziemann (links), Koordinatorin Umweltmedizin beim Kreisgesundheitsamt und Saskia Gall-Röhrig vom Klimaanpassungsmanagement des Kreis Euskirchen stehen auf einem Balkon am Kreishaus.

Wollen die Menschen vor den Folgen des Klimawandels schützen: Katja Ziemann (links) und Saskia Gall-Röhrig.

Auch die Fassade der neuen Leitstelle wird begrünt. Die Pflanzen dafür sind bereits in der Erde. 90 000 Euro hat das Projekt gekostet, und das war laut Gall-Röhrig das billigste Angebot. Günstig ist anders. Bezahlen muss der Kreis das aber nicht, die Maßnahme wird zu 100 Prozent gefördert.

Mithilfe von Förderungen Schottergärten reduzieren

Neben der Begrünung eigener Gebäude will der Kreis Privatleute animieren, mehr Grünflächen zu schaffen. Ab Herbst geht dazu ein Förderprogramm an den Start. Menschen, die beispielsweise ihren Schottergarten entsiegeln, können darüber dann die klimafreundliche Neugestaltung finanziert bekommen. Das Ganze sei mehr eine Partnerschaft als eine Förderung, erklärt Gall-Röhrig. Die Privatperson übernehme die Entsiegelung und der Kreis die neue Bepflanzung.

In Sachen Hitze-Aktions-Planung soll es in einem nächsten Schritt erst einmal um Information gehen. Die Hitze-Tipps auf den Social-Media-Kanälen des Kreises im vergangenen Sommer sollen in diesem Jahr fortgeführt werden. Außerdem hat der Kreis einen Hitze-Knigge herausgebracht.

Und auch die Kommunen machen sich Gedanken: Die Stadt Euskirchen veröffentlichte 2023 eine Karte, in der alle kühlen Orte in der Stadt sowie kostenlose Trinkwasserausgabestellen markiert waren. Hier gelte es anzuknüpfen, so Ziemann. Nur wer richtig informiert sei, könne sich entsprechend schützen. Und vor allem sei eine Sensibilisierung wichtig, damit die Menschen aufeinander achteten. Es gebe viele Ideen für eine gute Hitze-Aktions-Planung, so Ziemann weiter. Sie alle leben davon, dass viele Menschen mitmachen.


Bürgerinnen und Bürger dürfen mitreden

Wie sind Sie persönlich vom Klimawandel betroffen? Diese und weitere Fragen stellt die Kreisverwaltung in einer aktuell laufenden anonymen Umfrage den Bürgerinnen und Bürgern im Kreis. So sollen alle die Chance bekommen, beim Klimaschutz und Anpassungsideen mitzureden. Die Antworten sollen in die Klimaanpassungsstrategien des Kreises einfließen.

Bisher sei sie sehr zufrieden mit dem Verlauf der Umfrage, berichtet Saskia Gall-Röhrig. Aktuell haben bereits rund 600 Menschen daran teilgenommen. Mit so einer Zahl habe sie gar nicht gerechnet. Und die Umfrage läuft noch. Bis Dienstag, 30. April, kann noch jede und jeder im Kreis mitmachen. Die Ergebnisse dieser Umfrage werden laut Kreis nach Ablauf und Auswertung der Umfrage auf der Kreis-Website und in den Sozialen Medien veröffentlicht.