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Serie

Faszination Heimat
Der Frühling im Kreis Euskirchen ist zu früh dran

Lesezeit 5 Minuten
Eine weiße Blume blüht auf Waldboden.

Ein Buschwindröschen beginnt im Euskirchener Stadtwald zu blühen.

Zwei Wochen früher als üblich hat es im Stadtwald in Euskirchen in diesem Jahr zu blühen begonnen – was man jetzt draußen entdecken kann.

Schneeglöckchen, Weidenkätzchen, Veilchen – es ist Anfang März und im Euskirchener Stadtwald zieht bereits der Frühling ein. Normalerweise sei um diese Jahreszeit in der Natur noch nicht so viel los, sagt Kräuterpädagogin Ellen Wortmann.

Seit gut 15 Jahren bietet sie Kräuterwanderungen an und kennt den Stadtwald gut. In diesem Jahr sei die Natur etwa zwei Wochen früher dran. Woran das liegt? „Klimawandel“, lautet die knappe Antwort der 62-Jährigen.

Der Februar war im Kreis Euskirchen viel zu warm

Tatsächlich war der Februar 2024 laut dem Deutschen Wetterdienst „beispiellos“. Teilweise seien Temperaturen verzeichnet worden, die sonst Mitte April üblich seien. Im gesamten Rheinland seien alle bisherigen Rekorde gebrochen worden, berichtet auch Wetterexperte Karl-Josef Linden aus Sinzenich.

Seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen in Westeuropa 1706 habe man so eine Wärme, die einem normalen März entspreche, im Februar nicht gemessen. Und das wirkt sich aus. Nicht nur auf die Pflanzen, sondern auch auf die Tiere. So startete auch die Krötenwanderung in diesem Jahr ungewöhnlich früh.

Überbleibsel von Gartenabfällen blühen im Euskirchener Stadtwald

Und so entdeckt Wortmann an diesem Nachmittag bereits einige Knospen und Blüten. Die erste leuchtet einem direkt hinter dem Parkplatz durch die Äste am Wegesrand entgegen. Es ist eine Narzisse. Das sei vermutlich ein Überbleibsel von widerrechtlich abgelegten Gartenabfällen, mutmaßt Wortmann. Wilde Narzissen kann man bei Hellenthal und Monschau sehen, aber nicht im Euskirchener Stadtwald.

Auch die wenige Meter entfernt blühenden Schneeglöckchen sind hier eigentlich nicht heimisch. Allerdings gibt es sie laut Wortmann schon sehr lange hier und seitdem breiten sie sich über Brutzwiebeln und mithilfe von Ameisen aus, so die Kräuterpädagogin. Das in ihnen enthaltene Galantamin werde im Übrigen in Alzheimer-Medikamenten verwendet.

Ein Schneeglöckchen blüht zwischen grünen Halmen.

Nicht heimisch: Schneeglöckchen. Die Blumen vermehren sich mit Hilfe von Ameisen.

Wortmann weiß so einiges über die Pflanzen im Euskirchener Stadtwald zu erzählen, zum Beispiel, dass die Blätter des giftigen Aronstabs manchmal Bärlauch zum Verwechseln ähnlich sehen. Ein paar Schritte weiter steht ein Haselnussstrauch. Die langen, gelblichen, männlichen Blüten hängen wie kleine Bänder an den Zweigen.

Die Haselnuss sei immer früh dran. „Diesen Winter war sie schon im Dezember in voller Blüte.“ Früher sei die Haselnuss eine wichtige Nahrungspflanze gewesen, sagt Wortmann. Die Haselnüsse, die man heute im Supermarkt kaufen könne, stammen allerdings nicht von der wilden Haselnuss.

Klettenlabkraut kann Liebe vorhersagen und schmeckt im Smoothie

Ein paar Meter weiter entdeckt die Kräuterpädagogin eine weitere Leckerei: Klettenlabkraut. „Das schmeckt herrlich nach Erbse“, schwärmt Wortmann. Die langen, klebrigen, grünen Stängel seien ideal für Smoothies oder Säfte. Nur roh empfiehlt sie es nicht, da das Gefühl im Mund dann doch eher unangenehm sei.

Doch die Pflanze ist nicht nur lecker, sie kann auch die Zukunft voraussagen. Zumindest, wenn man einer alten Sage glaubt, von der Wortmann erzählt. Wenn man eine lange Ranke hinter sich werfe, könne man daraus den Anfangsbuchstaben des Namens des künftigen Ehemannes ablesen.

Mehrere Stängel Klettenlabkraut räkeln sich der Sonne entgegen.

Schmeckt im Smoothie: das Klettenlabkraut. Im Stadtwald in Euskirchen findet man einiges davon.

Beim weiteren Spaziergang durch den Stadtwald kommt Wortmann an Schafgarbe und Buschwindröschen vorbei, auch Löwenzahn und Brennnessel sprießen bereits aus dem Boden. An einer Stelle am Rand des Waldes stehen mehrere Weiden. Die Kätzchen seien ein wichtiges Bienenfutter, weiß die Kräuterpädagogin. Sie habe deshalb schon in der Schule gelernt, dass man diese nicht pflücken soll.

Ein Lungenkraut blüht rosa und blau auf dem Waldboden des Euskirchener Stadtwalds

Macht sich auch im Garten gut: Lungenkraut blüht rosa, lila und blau.

Auf dem Weg zurück zum Parkplatz blitzen am Wegesrand violette und rosafarbene Blüten aus dem Gras. Es handelt sich um Lungenkraut. Die Blüten verfärben sich laut Wortmann im Laufe der Zeit. Zuerst seien sie rosa, dann lila und zum Schluss blau. Die hübsche Pflanze mache sich auch gut im Garten und soll bei Lungenleiden und Magen-Darm-Erkrankungen helfen.

Naturerlebnisse findet man nicht nur in den Wäldern der Eifel

An einem Platz, umgeben von Birken und mit einem kleinen Tümpel, entdeckt Wortmann Huflattich und Märzveilchen. Früher habe man aus Huflattich Hustensaft gemacht, allerdings enthalte die Pflanze Stoffe, die leberschädigend sein könnten. Huflattichtee aus der Apotheke könne man aber ab und an trinken, sagt Wortmann. Die Veilchen wiederum eigneten sich zum Verzieren von Torten oder Salaten. „Das sieht toll aus und ist lecker“, sagt Wortmann. Auch Sirup könne man aus den Blumen kochen.

Wortmann geht in ihrer Arbeit als Kräuterpädagogin auf. Man spürt, wie gerne sie durch den Wald streift und die Augen aufhält. Es gefällt ihr, dass man hier Natur auch ganz nah an der Stadt erleben kann. Und sie entdecke immer noch neues. Lange Zeit habe sie nach Waldmeister gesucht, bis sie ihn schließlich zufällig nahe eines Weges entdeckt habe. Für ein Naturerlebnis reicht eben doch oft ein Blick vor die Haustür.


Die Oma hat viel zu Pflanzen und Natur erklärt

Schon als Kind habe sie sehr großes Interesse an der Natur und Pflanzen gehabt, berichtet Ellen Wortmann. Zum Glück habe sie eine Oma gehabt, die ihr viel erklärt habe. Inzwischen hat sie eine Ausbildung als Kräuterpädagogin und geht voll darin auf: „Je länger ich das mache, desto liebe mache ich es.“ Zu jeder ihrer Wanderungen versuche sie, ein Häppchen und ein Getränk aus Kräutern mitzubringen, damit man einmal probieren könne, berichtet sie.

Ellen Wortmann steht auf einem Weg im Euskirchener Stadtwald.

Liebt die Natur: Ellen Wortmann. Die 62-Jährige bietet seit rund 15 Jahren Kräuterwanderungen an.

Wer einmal mit ihr auf Wanderschaft gehen will, kann das zum Beispiel über den Naturschutzbund Euskirchen machen. Auch auf dem Kräutertag in Nettersheim im Mai ist sie vertreten. „Und ich bin käuflich“, fügt sie lachend hinzu. Man könne sie einfach buchen, zum Beispiel für einen Geburtstag oder als einen Ausflug mit Freunden. Sie komme auch gerne zu den Leuten in den Garten und zeige ihnen, was eigentlich direkt vor der Haustür wachse, berichtet sie weiter.


Über die Serie Faszination Heimat

In „Faszination Heimat: Das Leben vor der Haustür“ schauen wir uns jeden Monat in der Natur bei uns vor der Haustür um. Was kriecht und krabbelt da, was wächst und blüht? In jedem Monat setzen wir dabei unterschiedliche Themenschwerpunkte und sprechen mit Expertinnen und Experten. Dazu gibt es Tipps, wie und wo man die Natur im Kreis Euskirchen selbst entdecken kann.