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Faszination HeimatUnkraut oder wertvoll? – Mit einem Moos-Experten in der Eifel unterwegs

Lesezeit 6 Minuten
Die kleinen grünen Blätter vom Besenmoos sind alle in eine Richtung gebogen.

Auf den ersten Blick recht unscheinbar und doch sehr vielfältig: Die Welt der Moose.

In Deutschland gibt es etwa 1500 Moosarten, einige davon lassen sich auch in der Eifel entdecken. Nasskaltes Wetter ist dafür genau richtig.

Fünf Grad und Nieselregen. Auf dem Besucherparkplatz in Vogelsang stehen nur sehr wenige Autos. Kein Wunder, bei dem Wetter. Biologe Dr. Karl-Heinz Linne von Berg hält das nicht auf: „Das ist ideales Mooswetter.“

Er zieht sich die Kapuze über den Kopf und tritt auf den Weg hinter dem Nabear-Haus. Keine zehn Meter weiter bleibt er stehen und deutet auf eine bewachsene Mauer. Vom Hang aus breitet sich ein grüner Teppich bis auf die Mauer aus. „Das ist Schlafmoos“, sagt Linne von Berg. Eigentlich kein typisches Mauermoos, es wachse eher auf morschem Holz.

Moos kann Wasser und CO₂ speichern

Dann bückt er sich und rupft etwas Ähnliches aus dem Boden. Dieses Moos habe verschiedene Namen, Sparriger Runzelpeter oder Runzelbruder werde es genannt, so der Biologe. Ein eigenwilliger Name, dabei ist es das Moos, das die meisten Leute kennen: Als unliebsamer Gartenbewohner, der den Rasen verdrängt. „Moos ist für viele Leute Unkraut“, weiß Linne von Berg.

Der Biologe Dr. Karl-Heinz Linne von Berg betrachtet ein STück Moos mit einer Lupe.

„Als Moossammler hat man immer eine Taschenlupe dabei“, sagt der Biologe Dr. Karl-Heinz Linne von Berg.

Er sieht das anders: „Aus meiner Sicht sollte das unbedingt bleiben.“ Moos habe ökologischen Nutzen. So diene es begrenzt als Wasserspeicher, weil es Wasser aufnehmen und langsamer an den Boden abgeben könne. Das sei vor allem nach längeren Trockenperioden wichtig, wenn der Boden zu trocken sei, um das Wasser selbst aufzunehmen. Zudem sei die Pflanze ein CO₂-Speicher. Und im Garten habe Moos noch einen ganz anderen Vorteil, sagt Linne von Berg. Es sei so schön weich.

Der Biologe kann sich sehr für die Mooswelt begeistern. Bis vor anderthalb Jahren hat er an der Universität zu Köln gelehrt. Sein Spezialgebiet sind eigentlich Algen, aber auch andere niedere Pflanzen haben es ihm angetan, wie die Moose.

Moos wächst an einer nassen Felswand.

Klein aber fein: Das Haartragende Frauenhaarmoos.

Er legt das Stück Moos wieder zurück an seinen Platz. Dass er sie kurz hochgehoben habe, mache der Pflanze nichts aus. „Moose haben keine Wurzeln“, erklärt der Biologe. Stattdessen spreche man bei den feinen weißen Härchen auf der Unterseite der Pflanzen von Rhizoiden. „Das sind einfach Fäden“, sagt Linne von Berg.

Sie hätten vor allem die Funktion, das Moos auf dem Boden zu halten. Für die Nährstoffaufnahme brauchen Moose sie nicht: „Die meisten Moose nehmen Nährstoffe aus dem Regenwasser auf.“ Dafür nutze die Pflanze ihre gesamte Oberfläche.

Und obwohl sie Wasser zum Leben braucht, kann sie laut Linne von Berg, auch sehr lange ohne auskommen. „Wir haben ja wirklich extrem trockene Sommer gehabt, da waren die ganzen Moose im Wald vertrocknet“, berichtet der Biologe. Gestorben seien sie jedoch nicht. „Sie leben weiter, aber es ist eher ein latentes Leben.“ Die Pflanze betreibe in solchen Trockenperiode keine Fotosynthese.

Kissenmoos bildet an einer Felswand kleine, dunkelgrüne Kissen.

Kleine dunkelgrüne Kissen auf nassem Stein: das Kissenmoos.

Sobald es wieder regne, erwache sie zu neuem Leben. Die Wachstumsphase liege daher eher im Herbst, im Winter und im Frühjahr. Dann, wenn es viel regnet. So wie an diesem Vormittag.

Moose pflanzen sich nicht per Bestäubung fort

An einem Felsen entdeckt Linne von Berg Etagenmoos. Das heiße so, weil die Blätter in Etagen wachsen. Tatsächlich kann man es gut vom Sparrigen Runzelpeter und Schlafmoos unterscheiden. Neben den erkennbaren Etagen liegt das auch an der Färbung: Das Etagenmoos ist eher rötlich braun.

Die Farbe des Mooses sei maßgeblich bei der Unterscheidung der verschiedenen Moose. Im Hang unter einem Baum entdeckt Linne von Berg kurz darauf ein dunkelgrünes Exemplar: Sternförmiges Moos. Katharinenmoos habe mehr Chlorophyll als andere Moosarten und wachse an schattigeren Plätzen. „Ein typisches Waldbodenmoos“.

Auf diesem Katharinenmoos sind die hellgrünen Kapseln der Pflanze gut zu erkennen.

Wichtige Kapseln: In den Spitzen des Katharinenmooses sitzen Sporen.

Aus dem Katharinenmoos wachsen dünne Stängel mit hellgrünen Kapseln am oberen Ende. Darin befinden sich laut Linne von Berg Sporen. So vermehre sich Moos. „Das sind sehr sehr winzige Sporen, die werden wie Staub in alle Richtungen verteilt.“ Moos pflanze sich nämlich nicht per Bestäubung von Blüten fort, erklärt der Biologe weiter.

Stattdessen gebe es Geschlechtspflanzen mit je einem Chromosomensatz. Wandernde Spermatozoide gelangten durch Regen zu der Eizelle. Aus der befruchteten Eizelle entstehe dann eine Zygote mit doppeltem Chromosomensatz. „Und die entwickelt sich dann zu einem eigenen Pflänzchen“, so Linne von Berg. Ein Pflänzchen mit Sporenkapsel.

Laubmoose sind in der Eifel am häufigsten

Durch diese Art der Fortpflanzung und durch die Fähigkeit, längere Trockenphasen zu überstehen, können Moose nach Aussage des Experten duchaus ein paar Jahrzehnte alt werden. Das Bestimmen des Alters von Moosen sei nicht so leicht. „Moose sind tatsächlich eine recht unbekannte Gruppe“, so Linne von Berg. In Deutschland gebe es etwa 1500 verschiedene Arten. Man unterteile sie grob in drei Gruppen: Hornmoose, Lebermoose und Laubmoose. Die Laubmoose seien die größte Gruppe und auch in der Eifel am häufigsten.

Hornmoose gebe es in der Eifel kaum, Lebermoose schon eher, doch die mögen es feucht. Vogelsang sei dafür zu trocken, sagt Linne von Berg. Das kann man sich an diesem Vormittag kaum vorstellen. Aus dem Nieselregen ist inzwischen ein Regenschauer geworden. Linne von Berg ist das egal. An einer Felswand am alten Kino entdeckt er immer wieder neue Moosarten. Besenmoos, Kissenmoos, Haarblättriges Birnmoos – der Biologe könnte Stunden weiter machen.


Biologe bietet Moos-Kurse in der Eifel an

Die Welt der Moose steht jedem offen. Tatsächlich muss man dafür nur hinaus in die Natur gehen und die Augen offen halten. Gerade Laubmoose lassen sich in den Wäldern im Kreis Euskirchen, aber auch auf Mauern, Steinen und in Wiesen entdecken.

Wer einmal besonderes Moos sehen will, dem empfiehlt Karl-Heinz Linne von Berg das Hohe Venn. Das sei ein ganzer Landstrich, der von Moosen geprägt sei. Dort findet man Moose, die nicht in den Eifelwäldern vorkommen: Torfmoose. Sie wachsen laut dem Experten an Mooren und unterscheiden sich auch in der Farbe von den Laubmoosen. „Die Torfmoose sind sehr bleich, sehr weiß“, berichtet Linne von Berg.

Schlafmoos wächst auf einer Mauer.

Ein grüner Teppich breitet sich bis auf die Mauer aus: Das Schlafmoos.

Der Biologe bietet auch Kurse an. Im Naturschutz-Bildungshaus (Nabear) in Vogelsang kann man bei ihm eine Einführung in die Bestimmung von Moosen und Flechten erhalten. Die Kurse finden vor allem im Winter statt, dann sei das Moos sichtbarer, sagt der Biologe.

Im Sommer lehrt er die Bestimmung von Wiesen- und Waldpflanzen. Bestimmungskurse für Moose werden laut Linne von Berg nicht besonders häufig angeboten. In seinem letzten Kursus habe deshalb sogar ein Pärchen vom Bodensee gesessen. Weitere Informationen zu den Kursen gibt es im Internet.


Eine Serie über die Natur im Jahresverlauf

In „Faszination Heimat: Das Leben vor der Haustür“ schauen wir uns jeden Monat in der Natur bei uns vor der Haustür um. Was kriecht und krabbelt da, was wächst und blüht? In jedem Monat setzen wir dabei unterschiedliche Schwerpunkte und sprechen mit Expertinnen und Experten.