Von Hitzetagen sind Dachdecker besonders betroffen. In einer Firma aus Kirchheim gehören deshalb Strohhüte zur Arbeitskleidung.
Ausstattung und JobzeitenDachdecker im Kreis Euskirchen vom Klimawandel besonders betroffen
Für André Büschkes ist es längst zur Routine geworden: Bevor der Chef des Kirchheimer Dachdecker-Unternehmens morgens auf die Dienstpläne für seine neun Beschäftigten schaut, öffnet er die Wetter-App. Das Wetter hat in seiner Branche zwar schon immer eine große Rolle gespielt – früher vornehmlich im Winter, doch seit einigen Jahren auch verstärkt auch im Sommer.
Für kaum eine Berufssparte ist die seit Jahren steigende Zahl von Hitzetagen so bedeutend wie für die Dachdecker. Dort oben auf den Dächern ist es noch heißer als auf dem Boden, und dort sind die Arbeiter den Sonnenstrahlen noch stärker ausgesetzt. Dazu kommt: Die Bauteile, ob Paneele für PV-Anlagen oder Ziegel, reflektieren.
Höheres Durchschnittsalter wegen Fachkräftemangel
Da gehören der Strohhut – „luftdurchlässig und mit möglichst weiten Krempen, um auch den Nacken zu schützen“, so Büschkes – und die Sonnenbrille inzwischen zur Berufsausrüstung für die Männer und Frauen vom Dach. Dass die Mitarbeiter mit Sonnencreme und genügend Trinkwasser versorgt werden, sei Standard, stellt Büschkes klar: „Wenn es richtig heiß ist, trinken zwei Leute schon mal einen ganzen Kasten Wasser.“ Er bestelle die Getränke inzwischen palettenweise für seine Beschäftigten.
Der Fachkräftemangel führe zudem dazu, dass das Durchschnittsalter der Beschäftigten in der Branche steige – und damit auch die Gesundheitsgefährdungen. „Wir sind froh, dass wir wieder mal zwei Azubis haben: einen Dachdecker und eine Dachdeckerin“, berichtet Büschkes über seinen Betrieb. Dazu kämen zwei junge Gesellen, zwei Mitarbeiter mittleren Alters und drei, die die Rente schon im Blick haben.
Plakate in Kirchheimer Dachdeckerfirma warnen vor Hautkrebs
Unabhängig vom Alter der Mitarbeiter gelte es, im Sommer Dehydrierungen, Hautkrankheiten oder Sonnenstiche zu vermeiden, sagt Büschkes und appelliert immer wieder an die Selbstverantwortung der Beschäftigten. Auf einem der eindringlichen Plakate in den Firmenhallen des Kirchheimer Unternehmens, die zur Vorsicht mahnen, ist zu lesen: „1000 Mal braun gebrannt, 1 Mal Krebs erkannt.“ Das mag bei dem ein oder anderem einen Schock auslösen, aber bestenfalls einen heilsamen. Bauarbeiter, die wie früher häufig oberkörperfrei stolz ihre Muskeln zeigen, sehe man im Straßenbild inzwischen weniger, stellt Büschkes fest.
Die Ironie dabei: Mit dem Auftragen von PV-Anlagen bekämpfen die Dachdecker genau den Klimawandel, der ihnen die Arbeit durch Tagestemperaturen bis zu 40 Grad Celsius schon seit geraumer Zeit erschwert. „Wir bringen die Energiewende auf die Häuser“, sagt der Kirchheimer Dachdeckermeister: „Dabei versuchen wir auch, mit dem Wetter zu arbeiten. Wenn es irgendwie geht.“
Bei einem Steildach werde dann möglichst nicht auf der Seite gearbeitet, auf die in diesem Moment die Sonne strahlt – sondern auf der anderen. Denn die Arbeit müsse ja gemacht werden, gibt der Kirchheimer zu bedenken. Vor allem nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und den damit verbundenen Energieproblemen habe die Nachfrage nach Solaranlagen noch mal kräftig zugenommen. „Das ist mittlerweile bei uns das Mega-Thema“, sagt Büschkes.
Dachdecker haben ein Sommerausfallgeld etabliert
Wenn es aber wetterbedingt nun mal gar nicht mehr gehe, sei für die Beschäftigten gesorgt. Auch in diesem Bereich habe die Hitze Veränderungen gebracht. Das im Volksmund immer noch sogenannte „Schlechtwettergeld“ gibt es bereits seit den 1950er-Jahren. Es schützt die Dachdecker seit jeher vor finanziellen Einbußen, wenn sie wegen Schnee und Eis nicht auf die Dächer können. „Inzwischen heißt das Saisonkurzarbeitregelung“, erläutert Büschkes. Die gelte für die Monate Dezember, Januar, Februar und März. In den entsprechenden Topf zahlen die Arbeitgeber Büschkes zufolge 1,6 Prozent der Bruttolohnsumme ein.
„Wir Dachdecker haben als Branche dazu vor einigen Jahren ein Sommerausfallgeld etabliert“, erklärt Büschkes, der als Vizepräsident des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks einen guten Einblick ins Gewerbe hat. Das springe in den Monaten April bis November ein, wenn es kein Saison-Kurzarbeitergeld gebe. Es sichere den Mitarbeitern 75 Prozent des Gehalts, wenn sie wegen Hitze oder heftigen Regens in dieser Zeit nicht arbeiten können und zu Hause bleiben müssen.
Arbeitsbeginn ist an heißen Sommertagen zuweilen um 5.30 Uhr
Aber auch darüber hinaus hat das veränderte Klima die Abläufe in den Betrieben beeinflusst. „Wir fangen morgens so früh wie möglich an, um der Hitze möglichst aus dem Weg zu gehen“, sagt André Büschkes. Wenn auf den Dächern beispielsweise Temperaturen von 30 oder gar 40 Grad zu erwarten sind, steigen die Dachdecker auch schon mal um 5.30 Uhr aufs Dach.
„Die Mitarbeiter müssen dann auch selbst entscheiden, wann es nicht mehr geht, ob das nun 14 oder 15 Uhr ist“, vertraut der Chef seinem Team. Fallen dann einige Arbeitsstunden aus, springe eben das Sommerausfallgeld ein.
Denn die Arbeitszeitverschiebung in die frühen Morgenstunden stoße auch irgendwann an ihre Grenzen, alleine schon wegen der Lichtverhältnisse. Das Handwerk sei zudem nun mal mit Lautstärke verbunden, da gelte es auch, Rücksicht auf den Schlaf der Kunden und deren Nachbarschaft zu nehmen. „Das gilt gerade auch bei Hitzetagen und Hitzenächten, in denen man ohnehin nicht gut schläft“, so Büschkes.
Kreis-Bauhof fängt früher an
Auch die Mitarbeiter des Bauhofes des Kreises Euskirchen sind durch ihren Arbeitsplatz im Freien ständig der sommerlichen Hitze, der UV-Strahlung und den hohen Ozonwerten ausgesetzt. Daher habe der Bauhof eine Verschiebung der Arbeitszeit in die frühen Morgenstunden angeordnet, teilt die Pressestelle der Kreisverwaltung mit.
Die Arbeitszeit beginne nun um 6.45 statt um 7.30 Uhr. Weitere bereits umgesetzte Maßnahmen gegen die Gefährdungen auf dem Bauhof seien die Ausgabe von Trinkwasser, das Tragen körperbedeckender Kleidung und Sonnenhüte sowie die Nutzung von Sonnenschutzmittel, so die Kreispressestelle.
Immer mehr Hitzetage im Kreis Euskirchen
Die Anzahl der Hitzetage, an denen mehr als 30 Grad gemessen werden, und Tropennächte (nicht unter 20 Grad) hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Das ergeben die Messungen und Aufzeichnungen, die der Sinzenicher Wetterexperte Karl Josef Linden seit Jahren vornimmt, beziehungsweise auswertet.
Zwischen 1937 und 1990 habe es nur einen Monat mit mehr als 10 Hitzetagen gegeben, so Linden. Der August 2022 allein hatte nach Lindens Messungen 22 Hitzetage. Diese Entwicklung beschrieb 2020 auch das „Klimawandelanpassungskonzept für den Kreis Euskirchen“: „Die Jahre 2015 bis 2019 waren die fünf wärmsten seit Beobachtungsbeginn 1880 und traten in direkter Folge aufeinander auf.“