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GesundheitExperte sagt mehr Hitzetage voraus: Ist der Kreis Euskirchen vorbereitet?

Lesezeit 6 Minuten
Ein Außenthermometer zeigt die Temperatur von knapp 40 Grad an.

Heiße Aussichten: Die Tage, an denen die Temperaturen die 30-, ja sogar die 40-Grad-Marke übersteigen, nehmen laut Experten zu.

Die Hitzetage häufen sich. Vor allem Kinder, Kranke und Senioren sind betroffen. So reagieren Einrichtungen im Kreis Euskirchen.

„Trinken, Trinken, Trinken!“ Diese Maßgabe, die Rolf Klöcker, Kreisgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes, für die Hitzetage ausgibt, klingt fast schon wie eine Binsenweisheit. Doch in Seniorenheimen oder Krankenhäusern müssen die Beschäftigten schon darauf achten, dass sich alle daran halten.

Jetzt, da der Sommer sich nicht ausschließlich im Kalender zu erkennen gibt, nähern sich die Tage, an denen das Thermometer wieder über die 30-Grad-Marke steigen dürfte. Davon gibt es immer mehr, wie der Sinzenicher Wetterexperte Karl Josef Linden zu berichten weiß.

Seit mehr als 40 Jahren beobachtet er nicht nur das Wetter, sondern auch das Klima, also auch die längerfristigen Entwicklungen. „Die Anzahl von Ballungen von Hitzetagen durch anhaltende Hitzeperioden nimmt zu“, stellt Linden dabei fest.

Kommunale Parlamente befassen sich mit der Hitzeaktionsplanung

Die Frage lautet also nicht, ob, sondern wann die nächsten Hitzetage und Tropennächte kommen. Von Hitzetagen sprechen die Fachleute, wenn das Thermometer die 30 Grad überschreitet, von Tropennächten, wenn es nachts die 20 Grad nicht unterschreitet.

Insbesondere für Mitarbeitende mit lichtem Haar oder Glatze gilt der Ratschlag, auf jeden Fall eine Kopfbedeckung im Außenbereich zu tragen.
Rolf Klöcker, DRK-Kreisgeschäftsführer

In der Kreispolitik wird derzeit über eine Hitzeaktionsplanung beraten. Dabei geht es zuvorderst um Personengruppen, die des besonderen Schutzes bedürfen: etwa in Kitas, in Seniorenheimen und in Krankenhäusern. In vielen Bereichen haben die steigenden Temperaturen schon die Arbeit und die Arbeitsabläufe verändert – wohl kaum ein Unternehmen und kaum eine Organisation, das sich dem Thema „Klimaanpassung“ entziehen könnte.

Kreis Euskirchen: Trinkprotokolle in Senioren- und Pflegeheim

Die Stiftung Evangelisches Alten- und Pflegeheim Gemünd (EvA) etwa hat laut ihrem Geschäftsführer Malte Duisberg bereits 2017 entsprechende Schulungen ins Fortbildungsprogramm aufgenommen. „Dabei gehört das Thema ,Regelmäßiges Trinken' an 365 Tagen im Jahr zu unserem besonderen Augenmerk. Entsprechende Trinkprotokolle sind sommers wie winters bei einigen Bewohnern erforderlich.“

Denn mit dem Alter verringere sich das Durstgefühl, und es steige die Ablehnung zu trinken. Gekühlte Getränke in verschiedenen Geschmacksrichtungen werden dem EvA-Chef zufolge angeboten. „Der Zugriff ist selbstverständlich auch für Mitarbeitende jederzeit möglich“, fügt Duisberg hinzu.

Eine Krankenpflegerin reicht einem Patienten ein Glas Wasser.

In den Krankenhäusern sowie in Senioren- und Pflegeheimen müssen die Beschäftigten darauf achten, dass Patienten und Bewohner ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen – und sie selbst natürlich auch.

Damit es den Bewohnern und Beschäftigten erst gar nicht allzu heiß werde, seien die EvA-Gebäude in Kall und Gemünd gedämmt worden. In Gemünd hätten die Fenster zusätzlich Außenjalousien und innen Verdunkelungsvorhänge. „In Kall wurden auf den Fenstern Spezialfolien aufgebracht, die das Sonnenlicht reflektieren und damit Wärme abhalten und einer Aufheizung der Räume entgegenwirken“, so Duisberg. Überdachungen und Sonnenschirme schützten im Außenbereich, Sonnencreme und Strohhüte lägen dort bereit.

Die schlimmen Folgen: Sonnenbrand, Sonnenstich und Kollaps

Auf den Schutz des Kopfes zielt auch Rolf Klöcker ab. „Insbesondere für Mitarbeitende mit lichtem Haar oder Glatze gilt der Ratschlag, auf jeden Fall eine Kopfbedeckung im Außenbereich zu tragen“, sagt der DRK-Kreisgeschäftsführer. Das schütze nicht nur vor Sonnenbränden, sondern auch vor bösartigen Hauterkrankungen.

Ansonsten gelte: Ausreichend Wasser trinken, Räume kühl halten, im Schatten bleiben, Anstrengung vermeiden, leicht essen und auf sich und andere achten – vor allem auf die Kleinen. „Für Abkühlung der Kinder wird zum Beispiel durch Wasserspiele und Planschmöglichkeiten im schattigen Außenbereich gesorgt“, sagt der Geschäftsführer des DRK, das im Kreis der größte Kita-Betreiber ist.

Malte Duisberg bei einem Vortrag.

Setzt auf Trinkprotokolle: Malte Duisberg (EvA)

Sowohl in den Kindertagesstätten als auch in den vom DRK betriebenen Flüchtlingsunterkünften würden die Tagesabläufe den Temperaturen angepasst, so Klöcker: „Das heißt: kein Aufenthalt im Freien bei starker Sonneneinstrahlung und sehr hohen Außentemperaturen.“ Aktivitäten im Freien fänden dann in den Morgenstunden statt.

Wasser und Tee befänden sich für Kinder, Bewohner und Beschäftigte in Reichweite. Denn, so Klöcker: „Bei normalen Temperaturen sollten bis zu zwei Liter pro Tag zu sich genommen werden. Bei sehr hohen Temperaturen sollten gesunde Menschen nochmal ein bis anderthalb Liter mehr Flüssigkeit zu sich nehmen.“

Dass auch Patienten ausreichend Flüssigkeiten – nicht nur, aber vor allem an heißen Tagen – zu sich nehmen, ist nach eigenem Bekunden auch den Leitungen der Krankenhäuser wichtig. „Die Versorgung unserer Patienten hat höchste Priorität, daher sind Getränke für sie selbstverständlich immer kostenfrei zugänglich, nicht nur an Hitzetagen“, teilt die Unternehmenskommunikation der Kreiskrankenhaus GmbH für ihre Häuser in Mechernich und Schleiden mit: „Für die Mitarbeitenden bieten wir an Hitzetagen kostenlose Getränke und Eisaktionen an.“

Gefahr: Ältere Menschen verlieren häufig das Gefühl für Durst

Für gute Lüftung und Dämmung sowie den Temperaturen angepasstes Essen werde gesorgt. Abteilungen mit großen Geräten seien grundsätzlich klimatisiert. „Dazu gehören beispielsweise die Intensivstation, der OP-Bereich, das Herzkatheterlabor, die Röntgenabteilung und die Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte (AEMP)“, teilt die GmbH mit: „Unsere Privatstationen sind zusätzlich mit Klimaanlagen ausgestattet.“

Auf der Station Unfallchirurgie/Orthopädie und auf der Aufnahmestation werde in den Schwesternzimmern ein innenliegender Sonnenschutz montiert. In den Krankenhäusern wissen die Beschäftigten mit am besten, was hohe Temperaturen anrichten können.

„Die Auswirkung der ansteigenden Hitzetage bekommt vor allem das Team unserer Zentralen Notaufnahme zu sehen“, teilt das Euskirchener Marien-Hospital mit: „Denn eine starke Dehydrierung kann zu diversen Herz-Kreislauf-Problemen führen.“

Diese reichten von einem niedrigen Blutdruck, hohem Puls und einem schlechten Allgemeinzustand bis hin zu einem Kollaps und müssen oftmals mit Infusionen behandelt werden. Häufig kämen auch Patienten mit einem Sonnenstich.

Um mögliche Wartezeiten in der Zentralen Notaufnahme an Hitzetagen erträglicher zu gestalten, wurden dort zwei Trinkwasserspender installiert worden. Auch hier gilt: Trinken, Trinken, Trinken!


Experte: Im Kreis ist besonders die Stadt Euskirchen betroffen

Der Temperaturanstieg, so der Sinzenicher Wetterexperte Karl Josef Linden, nehme immer mehr an Fahrt auf. West- und Mitteleuropa seien besonders betroffen. „Damit nimmt auch die Zahl der Hitzetage und Tropennächte in den nächsten Jahren weiter zu“, erklärt Linden, der die Meteomedia-Wetterstation in Sinzenich betreibt und das lokale Wetter und Klima seit Jahrzehnten beobachtet.

Grundsätzlich seien die Einrichtungen oberhalb von 400 bis 500 Meter Höhe nicht so sehr betroffen, dafür aber beispielsweise die Stadtkerne von Rheinbach, Euskirchen, Brühl oder Düren umso mehr.

Zwischen 1950 und 1990 lässt sich Linden zufolge ein Durchschnitt von acht Hitzetagen im Jahr berechnen, zwischen 1990 und 2023 waren es bereits zwölf Hitzetage – vor allem in den Monaten Juli und August.

„Diese Mittelwerte sind aber nicht so aussagekräftig wie einzelne schlimme Monate mit einer hohen Sterberate durch Hitze in West-Europa“, erläutert Linden: „So mussten wir im August 2022 in Euskirchen 22 Hitzetage erleiden.“

Die Häufigkeit solcher Ballungen von Hitzetagen durch anhaltende Hitzeperioden nehme zu, stellt der Sinzenicher fest: „Ganz anders war die Situation noch vor 50 oder 60 Jahren: Zwischen 1937 und 1990 gab es nur einen Monat, der mehr als zehn Hitzetage erreichte.“ Das sei der Juni 1976 gewesen.

Auch schon Temperaturen von mehr als 40 Grad gemessen

Die absolut höchsten Temperaturen wurden laut Linden im Nordkreis rund um Euskirchen, Weilerswist und Zülpich gemessen – und zwar in den Sommermonaten Juli und August.„Im Juli 2019 wurden 40,6 Grad abgelesen, und im August 2003 waren es 40,1 Grad.“ Zwischen 1937 und 1987 wurde hingegen in Euskirchen die 35-Grad-Marke nur neunmal überschritten, zwischen 1988 und 2023 schon 26 Mal (in der Innenstadt von Euskirchen noch deutlich mehr).

Die Standorte der Pflegeeinrichtungen, etwa im Stadtkern von Euskirchen, sind nach Ansicht von Linden in solchen überhitzten Wettersituationen „sehr ungünstig“. Da habe man bei der Lage des Euskirchener Krankenhauses (früher Innenstadt) besser überlegt (heute Südstadt und Stadtwald).