In 40 Tagen ist die Session schon wieder vorbei. Viele Jecke im Kreis Euskirchen müssen Termine absagen, „Zuggroschen“ hilft in Euskirchen.
„Unten rum recht frisch“Prinzen im Kreis Euskirchen setzen auf rasierte Beine und haben Stress
40 Tage – dann ist Aschermittwoch, dann ist für die Jecken schon wieder alles vorbei. Fünf Wochen dauert die Session im Kreis Euskirchen noch. Kein Wunder, dass sich bereits am ersten Wochenende des Jahres die Termine knubbeln. Positiver Terminstress für alle Fastelovendsfründe. In Euskirchen wird sofort auf Endstufe 2 geschaltet.
Am Samstag steigt in der Halle „Wohnraum“ in der Alten Tuchfabrik die Proklamation des Dreigestirns. Prinz Tobias I. (Tobias Wiesen), Jungfrau Martina (Martin Nießen) und Bauer Sascha (Kremp) stehen ab 19 Uhr im Mittelpunkt. „Die Vorfreude ist gigantisch“, sagt der designierte Kreisstadt-Prinz, der sich nicht so recht entscheiden kann, was in der kurzen Session der Höhepunkt werden könnte. „Proklamation, Damensitzung, Rosenmontagszug. Aber ich freue mich auch auf die vielen Termine in Kindergärten und Senioreneinrichtungen“, sagt Wiesen.
Euskirchener Dreigestirn: Mehr als 100 Termine bis Aschermittwoch
Mehr als 100 Termine stehen laut Stefan Guhlke, Präsident des Euskirchener Festausschusses (Feuka), für das Dreigestirn bis Aschermittwoch auf dem Programm. „Es knubbelt sich, und leider mussten wir einige Termine auch absagen. Bei anderen können wir nur kurz bleiben“, berichtet Guhlke. Man habe eine Art Prioritätenliste erstellt.
Termine mit einem Bezug zum Dreigestirn werden laut Guhlke bevorzugt, wenn es zu einer Terminüberschreitung kommt. „Und die Termine der Euskirchener Vereine haben natürlich auch Vorrang“, so der Feuka-Chef: „Klassischerweise sind wir durchgetaktet, aber wenn sich in der Session noch ein Termin auftut und eine entsprechend spontane Anfrage, dann bekommen wir das schon unter.“
Zunächst einmal gilt für den Feuka und die Euskirchener Karnevalisten aber, das erste von fünf Wochenenden über die Bühne zu bekommen – schließlich wurde vor 14 Tagen noch Weihnachten gefeiert. Nach der Proklamation geht es unter der Woche mit Volldampf weiter. Am Dienstag steht der Altentag an, der erstmals in der Aula der Marienschule stattfindet. „Es ist eine total irre Session“, so Guhlke: „Es wird sehr knackig, aber es freuen sich alle sehr darauf. Durch das dicht Gedrängte haben alle noch einmal mehr Bock drauf.“
Und der erste offizielle Termin für die künftigen Tollitäten ist nicht öffentlich. Am Freitagnachmittag ging es zu Alten Tuchfabrik darum, „ein Gefühl für die Halle zu bekommen“, wie es Prinz Tobias I. formuliert. Während der Generalprobe wurde die Mikrofonanlage ausprobiert und abgesprochen, wer wann in welchen Gang geht, um Strüßjer zu werfen und die ersten Bützjer der Session zu verteilen.
Nettersheimer Prinz Knibbi I. ist voller Vorfreude auf den Straßenkarneval
Lust auf Karneval? Für Knibbi I. stellt sich die Frage nicht. Und wenn doch, wird sie mit „Ja!“ beantwortet. Knibbi heißt eigentlich André Knips und ist seit dem 25. November Prinz von Nettersheim. „Ich habe richtig Bock. Schon die Proklamation war mega, aber jetzt geben wir Vollgas“, sagt Knips: „Der Zug wird natürlich der Höhepunkt, aber auch die beiden Sitzungen sind ganz groß im Kalender markiert.“ Er freue sich auf jeden kleinen und größeren Termin.
Anders als der Feuka in Euskirchen musste „Knibbi“ keinen Termin absagen – es wird einfach alles mitgenommen. Wenn et Trömmelche jeit und so. Entsprechend hat die Nettersheimer Tollität das Programm in Rücksprache um einige Termine erweitert.
Als ehemaliger Fußballtrainer der SpVg Ländchen-Sieberath dürfen die Sitzungen in den beiden Orten natürlich nicht fehlen – und in Ländchen nimmt Knips auch direkt noch am Zoch teil. „Das war mir natürlich ein besonderes Anliegen“, so die Tollität, die vorgesorgt hat, wenn die jecke Zick ein bisschen intensiver werden sollte.
Im Tollitätenschrank sind vorsichtshalber drei Paar Strumpfhosen und zwei Paar weiße Handschuhe gebunkert. „Die von der Proklamation haben den Abend auch überstanden“, verrät der Nettersheimer Prinz: „Die Sache mit den rasierten Beinen ist schon ein bisschen ungewohnt. Unten rum ist es nun ein ganzes Stück kälter.“ Dafür werde ihm beim Blick auf die Playlist warm ums Herz.
Seit November laufe da praktisch nur Karneval. „Einfach, weil die Stimmung schon da ist. Ich bin zwar mit den Fußballern schon hier und da aufgestiegen, aber was bei der Proklamation abging, das war unbeschreiblich“, so Knibbi, der nach eigenen Angaben gerade an einem eigenen Sessionslied arbeitet. Der Hit der Paveier „Köln hat was zu bieten“ soll auf Knibbi umgedichtet werden.
Knibbi I. will nicht wie ein gerupftes Huhn herumlaufen
Dass der Karneval teurer geworden ist, ist für Knips kein Problem. „Das war mir im Vorfeld klar. Und ich mache da keine Gefangenen“, berichtet er. Aber den einen oder anderen Tausender dürfte die Session dann aber doch kosten. „Dann habe ich aber auch schon sehr ordentlich gefeiert“, so die Tollität: „Ich habe mir das kaufmännisch vorsichtig durchgerechnet. Das passt in mein Budget. Und ja, wenn es am Ende 500 Euro mehr sein werden, dann ist das so.“ Als Beispiele führt der Prinz die bereits angesprochenen Strumpfhosen, aber auch die Federn an der Prinzenkappe an. Drei Stück davon kosten laut Knips 180 Euro.
Deshalb aber am Ende der Session möglicherweise als gerupftes Huhn durch die Nettersheimer Säle hüpfen? Nicht mit Knibbi. „Ich mache das einmal in meinem Leben, und wenn ich etwas mache, dann mache ich es auch richtig“, sagt er. Das Budget beim Wurfmaterial sei im Vergleich zu den Jahren, in denen er in Fußgruppen beim Zoch dabei war, teurer geworden – oder die Verpackungen kleiner. „Ich möchte natürlich lieber Qualität statt Quantität werfen. Der Zugweg soll nicht von Kamelle gesäumt sein, die keiner aufhebt“, so Knips.
Jeck em Rähn Björn Wassong freut sich auf „kurzen, knackigen Wahnsinn“
Kein Kamelleregen, aber Lust auf ein Gag-Feuerwerk hat Björn Wassong parat. Der wird in dieser Session wieder als „Ne Jeck em Rähn“ auf den Karnevalsbühnen stehen. Die Vorfreude sei groß, dass es am Samstag endlich losgehe mit „dem kurzen, knackigen Wahnsinn“. 50 Termine stehen im gesamten Rheinland auf dem Programm.
So wird der Weyerer nicht nur im Kreis auf den Bühnen stehen, sondern beispielsweise auch in Krefeld. „Gerade heißt es: Den Text in den Kopf zu bekommen“, so Wassong, der oft von seiner Frau von Termin zu Termin gefahren wird. „Manchmal würde ich schon gerne auf einer Sitzung etwas länger bleiben, auf der anderen Seite ist das doch der positive Stress, den wir alle so lieben.“ Diese Session sei es aber schon extrem.
„Ich musste auch Termine absagen, weil die Anfragen so viele waren oder die Route nicht gepasst hat“, so Wassong. Das Programm stehe in seiner jetzigen Form seit November. „Man muss aber auch sagen, dass ich am Veilchendienstag meist eine andere Rede habe als am Elften im Elften. Meistens entwickelt sich da doch noch was“, so Wassong.
Angelina Fischer, Trainerin der Mutscheider Showtanzgruppe Sugar Girls, sieht in der kurzen Session durchaus Vorteile: „Man setzt sich meist nicht nur für einen Auftritt in den Bus.“ Gleichzeitig sei es aber auch eine Herausforderung, weil der Stress schon groß sei und man nicht vergessen dürfe, dass Showtanz und Karneval nur ein Hobby seien.
Mutscheid: Sugar Girls haben Terminstress
„Leider mussten wir einige Showtanztreffen in der Region absagen, weil wir das mit dem Terminplan unserer Agentur nicht unter einen Hut bekommen“, so Fischer: „Wir haben drei, vier Sachen eingebaut, mehr bekommen wir aber leider wegen der Kürze der Session nicht hin.“ Die Sugar Girls haben in dieser Session das Motto „Wie ein Blitz“ ausgerufen. „Wir wollen den Himmel zum Leuchten bringen“, sagt die Trainerin. Die Vorfreude auf die Session sei unheimlich groß. „Vor den ersten Auftritten nach der Weihnachtspause fühlt man sich ein wenig wie beim Russisch Roulette. Es kann alles passieren“, so das Sugar Girl.
In Euskirchen zahlt seit dem vergangenen Jahr jeder Teilnehmer am Rosenmontagszug den symbolischen Preis von einem Euro. So kommt schon ein kleiner Betrag zusammen. Das sei unterm Strich ein Tropfen auf dem heißen Stein. Dennoch helfe der Betrag dabei, unter anderem die Absperrgitter entlang des Zugwegs zu finanzieren. Beim Rosenmontagszug spreche man schnell von einem Betrag jenseits der 5000 Euro.
Die Sessionseröffnung auf dem Alten Markt habe auch einen fünfstelligen Betrag verschlungen. „Natürlich ist alles teurer geworden“, so Feuka-Chef Guhlke, der ein großes Lob ausspricht: „Alle, die nur ansatzweise mit dem Karneval zu tun haben, versuchen, die Preissteigerungen so moderat wie möglich ausfallen zu lassen.“
In einem Fall muss der Feuka noch nicht einmal tiefer in die Tasche greifen. Die Miete für die Veranstaltungshalle in der Alten Tuchfabrik sei dank der Stadt nicht teurer geworden. „Strüßjer und Kamelle sind aber natürlich teurer geworden“, so Guhlke: „Ohne Sponsoren wäre eine Session nicht mehr darstellbar.“
Ein Sponsor hat Euskirchens Küfer Riccardo I. (Mota Ramos) nicht. Dafür aber auch „Bock“ und Terminstress. „Wir mussten leider auch einige Termine absagen. Das ist immer so schade“, sagt Küferführerin Yvonne Kremp: „Eine längere Session macht schon mehr Spaß.“ Der Spaß beginnt für Riccardo am Sonntag, 14. Januar, dann wird er um 14 Uhr im Casino proklamiert.
Nach mehr als 30 Jahren Pause wird am Samstag, 3. Februar, 14.11 Uhr, wieder ein Karnevalszug durch Kreuzweingarten ziehen. Viel früher kann wohl kein Zug gehen. Den Termin, den sich die Interessengemeinschaft Karneval (IG) überlegt hat, ist der Samstag vor Weiberdonnerstag. Also in vier Wochen. „Grundsätzlich läuft alles so, wie wir es uns vorgestellt haben. In manchen Bereichen übertrifft es sogar unsere Vorstellungen“, sagt Peter Kiedrowski, Gründungsmitglied der IG:
„Unsere Gruppe ist auf 25 Jecke gewachsen, und die Zuganmeldungen belaufen sich derzeit auf elf Gruppen. Das ist der Wahnsinn.“ Die geplante After-Zoch-Party habe fast Sitzungscharakter. Auch das Euskirchener Dreigestirn hat seinen Auftritt zugesichert. „Wir wurden quasi von Anfragen überrannt. Wir werden im Dorf und im Euskirchener Karneval sehr positiv aufgenommen und werden bekannter“, freut sich Kiedrowski.
Im kommenden Jahr ist die Session übrigens 20 Tage länger. 2025 fällt der Rosenmontag auf den 4. März.
Das jecke erste Wochenende
Wer Lust auf Karneval hat, der hat an diesem Wochenende die Qual der Wahl. Etwa zehn jecke Termine stehen an – unter anderem werden gleich viermal Tollitäten proklamiert: in Euskirchen, Dahlem, Sistig und Zingsheim.
In Bürvenich wird gleich doppelt jeck gefeiert – am Samstag für die Großen, am Sonntag für die Kleinen. Den jecken Auftakt macht des Karnevalvereins mit der Kostümsitzung im Dorfgemeinschaftshaus um 19.49 Uhr. Bürvenich ist eben ein bisschen anders jeck. Am Sonntag, 7. Januar, drehen dann die jungen Karnevalsfreunde auf. Ab 14 Uhr findet – wieder im Dorfgemeinschaftshaus – die Kindersitzung des KV statt.
In Iversheim steht am Samstag, 6. Januar, eine Kindersitzung an. Unter dem Motto „Wilder Westen“ ist ab 14.30 Uhr im Dorfsaal große Party angesagt. Einlass ist ab 13.30 Uhr. Als kleinen Höhepunkt kündigt die KG Rot-Weiß eine Zaubershow an. Der Eintritt kostet 5 Euro.
Der Eintritt frei ist am Sonntag in Euskirchen im Casino. Dort veranstaltet die KG Erfttal ihren „Tag in Grün und Gold“ – inklusive des Auftritts aller Gruppen der Euskirchener Karnevalsgesellschaft.
In der Sistiger Bürgerhalle findet am Samstag ab 18 Uhr die große Prinzenproklamation statt. Um 20.10 Uhr ziehen die Dahlemer Jecke im Vereinshaus nach und proklamieren ebenfalls ihre Tollität. Um 19 Uhr startet die Euskirchener Proklamationssitzung in der Alten Tuchfabrik. Zu Gast sind unter anderem Lupo und Druckluft.
Am Sonntag ab 11 Uhr findet im Zülpicher Forum der gemeinsame Herrenkommers der Prinzengarde Zülpich und der Hovener Jungkarnevalisten statt. Zu diesem Zeitpunkt hat die Hölle von Vettweiß bereits das erste Mal gebrannt. (tom)