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VerlustausgleichKreis Euskirchen plant Millionen-Finanzspritze für Kreiskrankenhaus

Lesezeit 8 Minuten
Der Haupteingang des Kreiskrankenhauses Mechernich.

Die prekäre Finanzlage in den Kliniken macht auch vor dem Kreiskrankenhaus nicht halt: Für das vergangene Jahr wird das Defizit voraussichtlich unter fünf Millionen Euro liegen.

Bis zu zwei Millionen Euro will der Kreis Euskirchen im Haushalt für das Kreiskrankenhaus einplanen, um einen Teil des Verlustes auszugleichen.

Dass die Finanzierung der Kliniken mehr als schwierig ist, dass die Schere zwischen Kosten und Einnahmen seit Jahren immer weiter auseinanderklafft und dass kurzfristig keine Lösung in Sicht ist, ist wahrlich nicht neu. Neu ist, zumindest im Kreis Euskirchen, dass die Verluste des Kreiskrankenhauses teilweise durch den Kreis aufgefangen werden sollen: Zwei Millionen Euro plant der Kreis dafür in seinem Haushalt 2025 ein, der jedoch noch nicht durch die Politik beschlossen ist.

Landrat Markus Ramers: „Wir brauchen die Kliniken“

Die Planung resultiert daraus, dass der Kreis zum einen Mehrheitsgesellschafter der Kreiskrankenhaus GmbH ist und es zum anderen einen entsprechenden gesetzlichen Auftrag gibt (siehe weiter unten). Darüber hinaus ist Landrat Markus Ramers ein weiterer Aspekt wichtig: „Die Kliniken, die wir haben, sind zentral und wichtig. Wir stützen unser Krankenhaus, denn wir brauchen es für die Menschen im Kreis.“ Daher gehe es darum, die Versorgung zu stabilisieren.

Mit Blick auf die allgemeine Lage in der Kliniklandschaft und gerade nach den bitteren Einschnitten am Standort Schleiden im vergangenen Jahr mit der Schließung der Notaufnahme wählt Ramers diesen Begriff bewusst. Denn: „Es darf keiner die Erwartung haben, dass es zu einer wesentlichen Verbesserung oder Ausweitung der Versorgung kommt.“ Aus seiner Sicht haben die Krankenhäuser in Deutschland und gerade auf dem Land kaum eine Chance, schwarze Zahlen zu schreiben.

Wichtig ist Ramers und Kreiskrankenhaus-Geschäftsführer Martin Milde zu betonen, dass das Kreiskrankenhaus weder von Insolvenz bedroht noch ein Sanierungsfall ist. Es bestehe weder an den Gebäuden noch an der Ausstattung ein Sanierungsstau. Dass das Kreiskrankenhaus „modern und gut aufgestellt“ sei, liegt laut Ramers vor allem daran, dass kontinuierlich investiert worden sei. Die Mittel dafür seien jedoch nicht etwa vom Land, sondern zum weitaus größten Teil aus eigenen Anstrengungen gekommen.

Das Kreiskrankenhaus Mechernich verbucht ein Millionen-Defizit

Mit der chronischen Unterfinanzierung, die bundesweit dem Klinik-Bereich zu schaffen macht, hat auch der Mechernicher Geschäftsführer Martin Milde seit Jahren zu kämpfen. „Schwarze Nullen“ gab es zuletzt 2020 und 2021 trotz Corona und dank Corona, da es Freihaltepauschalen gab, etwa für Betten, die leer blieben. Immer wieder fordern er und seine Kollegen daher eine auskömmliche Finanzierung für die Krankenhäuser.

Die Betriebskosten (über die Fallpauschalen) kommen von Krankenkassen und Bund, die Investitionskosten vom Land – und beides ist auch laut Ramers eben nicht auskömmlich. Doch wer soll das bezahlen? Den Kreis sieht der Landrat da eher weniger als Adressaten. „Auf Dauer kann das nicht richtig sein, dass die kommunale Familie hier einspringen muss“, schreibt er etwa auf seinem WhatsApp-Kanal.

Auf Dauer kann das nicht richtig sein, dass die kommunale Familie hier einspringen muss.
Markus Ramers, Landrat im Kreis Euskirchen

Ein Defizit von sieben Millionen Euro hatte die Kalkulation der Kreiskrankenhaus GmbH für 2024 zunächst vorgesehen. Doch so hoch werde es laut Milde definitiv nicht ausfallen. Auch wenn der Jahresabschluss noch nicht final erstellt ist, geht er davon aus, dass das Minus unter fünf Millionen Euro liegen wird. Sondereffekte wie die Auflösung von Rückstellungen haben zu der Verringerung im Laufe des Jahres geführt. Die Schließungen am Standort Schleiden spielen laut Milde in der Bilanz für 2024 noch keine signifikante Rolle, sie werden 2025 zum Tragen kommen. Für dieses Jahr wird mit einem Defizit von rund vier Millionen Euro geplant.

Die Verluste des Vorjahres werden, so der Plan, anteilig ausgeglichen: 50 Prozent kommen aus den Rücklagen des Kreiskrankenhauses, die anderen 50 Prozent von den Gesellschaftern. Von diesem Anteil entfallen 76,92 Prozent auf den Kreis. Als der Kreishaushalt erstellt und die Verlustübernahme geplant wurde, sah der Plan noch einen Fehlbetrag von mehr als fünf Millionen Euro vor. Daher gehen Milde und Ramers davon aus, dass der Anteil des Kreises am Ende weniger als die vorgesehenen zwei Millionen betragen wird.

Landrat sieht die beiden Gesellschafter in der Pflicht

Die Erstellung des Kreis-Etats ist schon nicht vergnügungssteuerpflichtig, dessen Verkündung für den Landrat wohl noch weniger. Im Fall des 2025er Haushalts liegt das in erster Linie an der vorgesehenen deutlichen Steigerung der Kreisumlage, die die Kommunen stark belasten wird. „Ich musste mir von den Bürgermeistern vieles anhören deswegen“, sagt Ramers: „Aber es ist ja nicht so, dass das Geld im Kreishaus in ein großes Loch geschüttet wird.“

Beim im Etat berücksichtigten Verlustausgleich fürs Kreiskrankenhaus sieht Ramers den Kreis als Haupteigentümer in der Verantwortung – und zitiert Artikel 14 des Grundgesetzes: „Eigentum verpflichtet.“ Hier hat er wohl auch den Mitgesellschafter im Auge, von dem sich Ramers wünscht, dass er ähnlich vorgehen möge wie der Kreis.

Stadt Zülpich ist als einzige Kommune im Kreis an der Klinik beteiligt

Neben dem Kreis ist die Stadt Zülpich mit 23,08 Prozent an der Kreiskrankenhaus GmbH beteiligt. Der Grund dafür, dass Zülpich als einzige Kommune im Kreis eine eigene Beteiligung hat, liegt in der Vergangenheit. Bis 1994 hatte Zülpich ein eigenes Krankenhaus, an dem unter anderem der bekannte Orthopäde Prof. Josef Steinhäuser arbeitete. Doch wirtschaftlich waren die Zeiten schwierig, wie sich Josef C. Rhiem, von 1975 bis 1999 Bürgermeister in Zülpich, erinnert: „Es war das Schicksal vieler kleiner Krankenhäuser in ganz Nordrhein-Westfalen: Sie waren nicht finanzkräftig genug und wurden sukzessive geschlossen.“

Die vollständige Schließung drohte laut Rhiem auch Zülpich, sie konnte jedoch abgewendet werden. Das Haus wurde Bestandteil des Kreiskrankenhaus-Konzerns und beherbergt heute etwa das Geriatrische Zentrum und das Ambulante OP-Zentrum. Die Lösung wertet Rhiem als Erfolg, die Entwicklung bezeichnet er als „äußerst positiv“.

Gemessen an den beim Kreis eingepreisten zwei Millionen und daran, dass die Zahl abhängig vom Jahresabschluss noch sinken könnte, könnte der Zülpicher Anteil um die 400.000 Euro betragen. Wenn die Stadt denn mitmacht. Das jedoch erscheint aufgrund einer Äußerung von Bürgermeister Ulf Hürtgen nicht sehr wahrscheinlich. „Einen Verlustausgleich sieht der Gesellschaftervertrag nicht vor“, sagt er.

Das Ausfalldarlehen wurde 2024 teilweise in Anspruch genommen

Den Verlustausgleich wird das Kreiskrankenhaus nicht zurückzahlen müssen. Anders sieht es im Fall der Liquiditätssicherung aus, für die der Kreis ein Ausfalldarlehen von bis zu zehn Millionen Euro bereitstellt. Dies haben die Politiker bereits im Dezember 2023 beschlossen, es besteht auch weiterhin.

In Anspruch genommen hat das Kreiskrankenhaus diese Option im vergangenen Jahr teilweise, wie Milde berichtet: „Die punktuell schwierige Lage hat sich wieder entspannt“, sagt Milde. Mit Verweis auf die Nicht-Öffentlichkeit dieser Maßnahmen machen weder Milde noch Ramers Angaben dazu, in welcher Höhe die Mechernicher diese Option wahrgenommen haben und welcher Betrag demnach zurückzuzahlen ist.

Martin Milde fordert eine Übergangsfinanzierung

Martin Milde blickt zwar bereits mit Spannung auf die Bundestagswahl und danach möglicherweise folgende Änderungen – Hoffnung auf signifikant bessere Zeiten hat er indes nicht. „Die Krankenhausfinanzierung wird sich 2025/26 nicht maßgeblich ändern. Die Kostenschere geht weiter auseinander.“

Den Verantwortlichen in den Kliniken sind dabei weitestgehend die Hände gebunden. Die Preise anheben können sie nicht, da sie bei den Abrechnungen an den Landesbasisfallwert gebunden sind, der in diesem Jahr nur um 4,41 Prozent steigt. Und die Kosten zu senken, ist gerade beim dicksten Batzen, den (tarifgebundenen) Personalkosten, weder möglich noch gewünscht.

Die Lauterbach-Krankenhausreform hat zwar Bundestag und Bundesrat passiert, doch wird es nach Mildes Einschätzung sicherlich bis 2027 dauern, bis alle Verordnungen fixiert sind und sie in der Praxis ankommt. Daher schließt er sich der Forderung von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann an: „Es muss eine Übergangsfinanzierung geben.“


Die Versorgung ist sicherzustellen

Der Kreis ist nicht nur Gesellschafter der Klinik mit einem Anteil von 76,92 Prozent (die restlichen 23,08 Prozent hält die Stadt Zülpich), sondern hat auch einen gesetzlichen Auftrag, der sich aus dem Krankenhausgestaltungsgesetz NRW ergibt. Darin heißt es etwa in Paragraf 1, dass die Krankenhausversorgung bedarfsgerecht und wohnortnah sicherzustellen ist. Das ist Aufgabe des Landes, doch auch Gemeinden und Gemeindeverbände wirken dabei mit.

In Paragraf 3 geht es auch um den Fall, dass sich kein anderer Träger findet: Dann müssen Gemeinden und Gemeindeverbände die Kliniken betreiben. Kreisangehörige Kommunen trifft das jedoch nur, „wenn sie die erforderliche Finanzkraft besitzen“. Die haben sie jedoch in der Regel nicht. Und dann sind im Zuge des Sicherstellungsauftrags die Kreise am Zug.

Dass dies nicht eine irgendwo in einem Gesetzestext verankerte, theoretische Option ist, hat sich im vergangenen Jahr im St.-Willibrord-Spital in Emmerich am Rhein gezeigt. Nach der Insolvenz ist der Kreis Kleve zunächst mit 4,5 Millionen Euro eingesprungen, um den Betrieb zu sichern, später hat der Kreis die Klinik zu 74,9 Prozent übernommen und stellt bis 2027 mehr als 16 Millionen Euro zur Verfügung.

Beim Blick über den Tellerrand erfährt Landrat Markus Ramers durch seine Kollegen immer wieder von solchen und ähnlichen Fällen. Beispielsweise aus dem Kreis Lippe, wo man das Krankenhaus in Lemgo schließen wollte, Gesundheitsminister Laumann dies aber untersagte. An einem solchen Fall zeigt sich für Ramers die gesamte Misere des unterfinanzierten Kliniksystems: Es gibt die Verpflichtung, die Notfallversorgung sicherzustellen, sei sie auch noch so defizitär. „Wer es bezahlt, ist dann nämlich nicht beinhaltet“, sagt Ramers. Darum hat sich dann die kommunale Ebene zu kümmern.