Der perinatale Schwerpunkt bleibt im Kreiskrankenhaus Mechernich. Doch längst sind nicht alle Punkte der NRW-Krankenhausplanung klar.
NRW-KlinikplanungErfreuliches für den Kreis Euskirchen, wichtige Entscheidungen stehen aus
Das war fast schon filmreif: Gegen 16 Uhr, berichtet Kreiskrankenhaus-Geschäftsführer Martin Milde, habe er am Montag seine Präsentation ins Rathaus geschickt. Diese hat er im Rahmen der Sondersitzung des Mechernicher Stadtrates gehalten, in der eine Resolution der Stadt zur Krankenhausplanung beschlossen worden ist.
Wenige Minuten später seien gleich mehrere Mails aus dem NRW-Gesundheitsministerium angekommen. „Da geht schon der Puls hoch“, sagt Milde. Auch wenn die Mails nicht angekündigt gewesen seien und nichts auf den Zeitpunkt zur Verkündung von Neuigkeiten hingedeutet hatte, sei der Inhalt überaus erfreulich gewesen: Sowohl der perinatale Schwerpunkt zur Versorgung von Frühchen bleibt in Mechernich als auch die Komplexe Gastroenterologie mit aufwendigen Untersuchungen des Magen- und Darmtrakts.
Drohende Streichungen schlagen im Kreis Euskirchen hohe Wellen
Im Juni hat das NRW-Gesundheitsministerium im Zuge der neuen Krankenhausplanung seine beabsichtigten Zuweisungen der Versorgungsaufträge bekanntgegeben – also welche Klinik welche Behandlung anbieten darf. Würde dies alles so umgesetzt, wären das für die Versorgung im Kreis Euskirchen deutliche Einschnitte. Martin Milde, der die Ideen des Laumann-Plans nicht grundsätzlich schlecht findet, wählt im Juni deutliche Worte: „Das ist für den Kreis schlecht. Das ist für das Krankenhaus schlecht. Der ländliche Raum wird wieder bluten.“
Gerade die vorgesehene Streichung des perinatalen Schwerpunkts schlägt daraufhin im Kreis hohe Wellen. Fiele der tatsächlich weg, könnten rund 400 der 1000 Geburten im Jahr nicht mehr in Mechernich stattfinden, da das Kreiskrankenhaus für werdende Mütter bei bestimmten Risiko-Indikationen erst gar nicht mehr als Geburtsklinik infrage komme. Sehr weite Fahrten wären die Folge für die Familien: nach Bonn, Köln, Aachen, Düren oder Neuwied.
Umsetzung der Krankenhausplanung in NRW wird verschoben
Im Rahmen des Anhörungsverfahrens werden bis Mitte August zahlreiche Stellungnahmen verfasst, auch darüber hinaus glühen die Drähte zwischen dem Kreis Euskirchen und Düsseldorf, eine Petition wird gestartet. Nicht nur die Kliniken, auch die Politiker jedweder Couleur setzen sich ein. Doch ob das alles Erfolg zeigen oder vergebliche Liebesmüh sein würde, weiß niemand.
In der vergangenen Woche bewegt sich erstmals etwas: Im Gesundheitsministerium ist man zu der Einsicht gelangt, dass es wohl wenig sinnvoll ist, wie geplant Mitte Dezember die endgültigen Zuteilungsbescheide zu versenden – und den Kliniken wenige (Feier-)Tage für die Umsetzung zum Jahresbeginn 2025 zu geben. Also verkündet Minister Karl-Josef Laumann, dass die Umsetzung erst im April beginnt und zudem eine Übergangsfrist von einem Jahr gilt.
In Mechernich herrscht Freude über Erhalt des perinatalen Schwerpunkts
Die Überraschung für einige Kliniken folgt am Montag in Form der E-Mails mit den veränderten Planungen in einigen Leistungsgruppen. Der Erhalt des perinatalen Schwerpunkts ist eine erfreuliche Kunde aus Düsseldorf – was ja per se nicht ganz so häufig vorkommt. Wer am Ende welchen Anteil am Gelingen hat, ist Landrat Markus Ramers ziemlich schnuppe. Sein Dank geht in erster Linie nach Mechernich in die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin mit Dr. Herbert Schade und Wael Shabanah an der Spitze sowie die Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Dr. Tatjana Klug, die ihrer Arbeit mit so viel Herzblut nachgehen: „Das alles wäre ohne sie nicht möglich gewesen. Sie haben uns bewaffnet und überzeugt – sie leisten einfach Tag für Tag tolle Arbeit.“
Logisch: Auch im Kreiskrankenhaus verbreitet sich die frohe Kunde wie ein Lauffeuer. „Ich bin total glücklich, dass alle zusammengehalten und wir Gehör gefunden haben“, sagt Chefärztin Klug. Das Thema sei in ihrem Team immer im Hinterkopf gewesen – inklusive der Frage, ob man gehen oder bleiben soll, falls ein negativer Bescheid aus dem Ministerium gekommen wäre.
Ihre Freude teilt man auch in Euskirchen. „Wir begrüßen den positiven Entscheid zur Leistungsgruppe perinataler Schwerpunkt unseres Nachbarkrankenhauses in Mechernich, da dieser für die Frühgeborenenversorgung sowie die Versorgung kranker Neugeborener im Kreis sehr erfreulich ist“, sagt Nicole Nettersheim, Sprecherin des Marien-Hospitals.
Auch dort ist eine erfreuliche Mail ins Postfach geflattert. Im Bereich der Neurologischen Frührehabilitation ist die Zahl der freigegebenen Fälle laut Nettersheim von 40 auf 100 Fälle erhöht worden. Auf eine positive folgt fürs Marien-Hospital gleich eine negative Nachricht: Für die Leistungsgruppe „Tiefe Rektumeingriffe“ besteht, so Nettersheim, weiterhin ein abschlägiger Bescheid: „Selbstverständlich werden wir unseren Widerspruch diesbezüglich erneuern.“
Die Kliniken plagen weiterhin enorme finanzielle Sorgen
Ohnehin ist man nach diesen Mails in den Chefetagen der Kliniken längst nicht aller Sorgen ledig. Die prekäre wirtschaftliche Lage besteht nach wie vor. Und für zahlreiche Leistungsgruppen hat das Ministerium noch keine Entscheidungen getroffen.
Im Kreiskrankenhaus Mechernich ist die Zukunft zweier Punkte, die aktuell auf der Streichliste stehen, offen: Ein Teilbereich der Gefäßchirurgie und in der Kardiologie die Ablation, ein Verfahren zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen. Letzteres wird sowohl in Mechernich als auch in Euskirchen angeboten. Das Kreiskrankenhaus weist in der Gefäßmedizin die höchsten Fallzahlen im Kreis auf. Allein bei der Ablation sieht die Hochrechnung für dieses Jahr 238 Fälle, Milde geht jedoch aufgrund steigender Fallzahlen von mehr aus.
Zudem hat sein Haus in diesem Bereich bereits rund 2,5 Millionen Euro in einen zweiten Herzkatheterplatz und die Software für das erforderliche 3D-Mapping investiert. Und mit Dr. Erol Saygili ist zum Jahresbeginn ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet als Chefarzt nach Mechernich gekommen.
Mit Blick auf die Versorgung im Kreis hofft Milde, dass es nicht zu einer Auswahlentscheidung Mechernich oder Euskirchen kommt. Entsprechend hat sich im Sommer auch die Kreis-Gesundheitskonferenz in ihrer Stellungnahme geäußert: „Eine umfassende Versorgung mit sämtlichen diesbezüglichen Leistungsgruppen muss deshalb an beiden Standorten (Kreiskrankenhaus Mechernich und Marien-Hospital Euskirchen) belassen werden.“
Wann hierzu Neuigkeiten aus Düsseldorf zu erwarten sind, ist unklar. „Das Ministerium spricht aktuell nicht mit den Krankenhäusern über einzelne Leistungsgruppen“, sagt Milde. Ramers kündigt bereits an, weiterhin den Austausch mit dem Ministerium zu suchen.
Doch die jetzige Entscheidung zeige, so Milde, dass all die Stellungnahmen, Gespräche, Analysen und Petitionen, die aus dem Kreis im Ministerium eingegangen seien, nicht einfach nur zu den Akten gelegt, sondern ernst genommen worden seien. Daher sei er mit Blick auf die ausstehenden Entscheidungen durchaus positiv gestimmt – wenn auch der Puls hoch bleibe.
Kreiskrankenhaus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Mechernich
Kurz vor der Sitzung war die Nachricht im E-Mail-Postfach von Martin Milde, Geschäftsführer des Kreiskrankenhauses, aufgetaucht, dass einige der drohenden Streichungen im Zuge der NRW-Krankenhausplanung vom Tisch sind. Doch der Stadtrat wollte dennoch in seiner Sondersitzung ein Zeichen setzen und änderte den Text der Resolution „Gegen die Gefährdung der Gesundheitsversorgung im Kreis Euskirchen – Für den Erhalt des Krankenhauses Mechernich“ nicht mehr. Sie wird nun auch an Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann geschickt.
Nicht nur für die Gesundheitsversorgung der Menschen in der Nordeifel sei das Kreiskrankenhaus von enormer Bedeutung, betonte Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, sondern auch die wirtschaftliche Strahlkraft des Hauses: „Wir sind froh, dass das Krankenhaus in Mechernich ist, denn es ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.“ So seien allein in Mechernich rund 1100 Mitarbeiter in dem Haus tätig, kreisweit beschäftigt der Kreiskrankenhaus-Konzern rund 2000 Mitarbeiter. „Damit ist das Kreiskrankenhaus einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Stadt“, so Schick.
Nicht zu vernachlässigen sei, dass rund um das Krankenhaus viele Betriebe der medizinischen Infrastruktur entstanden seien. So gebe es das Medizinische Versorgungszentrum, zahlreiche Fachärzte, Physiotherapiepraxen oder auch Apotheken in Mechernich. „Die Bedeutung des Kreiskrankenhauses ist nicht zuletzt das Werk von Dr. Hans Rossels“, erinnerte Schick an den 2015 verstorbenen Geschäftsführer. Er habe früh erkannt, dass das Krankenhaus sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren solle und Fachkliniken ausgegliedert: „Dabei hat er auch die Ärzte mitgenommen.“
So habe das Kreiskrankenhaus mittlerweile eine Bedeutung, die weit über den Kreis hinausgehe. Patienten kommen auch aus dem Ahrgebiet und dem Kreis Daun, weil für diese ansonsten das Krankenhaus in Trier die nächste Alternative darstelle.
Der Gesundheitssektor, der in viele Bereiche abstrahle, sei von enormer Bedeutung für Mechernich, führte Schick aus. Denn in den vergangenen Jahrzehnten sei Mechernich schon kräftig zur Ader gelassen worden. Nach der Schließung des Bleibergwerks 1957 siedelte sich zwar die Bundeswehr auf dem Gelände an, doch auch die habe in den vergangenen Jahren viel Personal abgebaut. In guten Zeiten seien dort mehr als 2000 Menschen beschäftigt gewesen, heute habe der Standort noch rund 400 Zivilangestellte. Durch den Mechernicher Bundeswehrstandort seien schon viele Menschen in die Stadt gezogen und auch hiergeblieben, so Schick.