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Lesung in HeimbachFranz Müntefering geht es um das Grundsätzliche

Lesezeit 4 Minuten
Franz Müntefering spricht in ein Mikrofon, neben ihm Moderatorin Mona Ameziane.

Franz Müntefering war zu Gast bei der Lit.Eifel. Im Jugendstilkraftwerk Heimbach las er aus seinen aktuellen Büchern, die das Leben im Alter thematisieren.

SPD-Urgestein Franz Müntefering bot im Jugendstilkraftwerk Heimbach einen unterhaltsamen und nachdenklich stimmenden Abend.

Die Demokratie verteidigen und sie schützen – dieser Appell stand am Ende der Autorenlesung mit SPD-Urgestein Franz Müntefering bei der Lit.Eifel im Jugendstilkraftwerk Heimbach. Doch so politisch wurde „Münte“ eigentlich nur selten. Der mittlerweile 84-jährige Sozialdemokrat war für die SPD insgesamt 33 Jahre lang im Bundestag, Landesminister in NRW, Bundesminister unter den Kanzlern Gerhard Schröder und Angela Merkel, kurzzeitig auch Bundesvorsitzender seiner Partei.

Es geht ihm inzwischen mehr ums Grundsätzliche. Das hat er in zwei Büchern aufgeschrieben: „Unterwegs – Älter werden in dieser Zeit“ ist 2019 erschienen, „Nimm das Leben, wie es ist. Aber lass es nicht so“, eine Sammlung von Gedanken, Reimen und Geschichten, wurde im Januar veröffentlicht.

Der Dialog mit Jüngeren ist Franz Müntefering wichtig

Mit diesen Titeln waren die Themen der kurzweiligen, eineinhalbstündigen Autorenlesung, moderiert von Mona Ameziane, vor 280 Zuhörern im Maschinensaal des Kraftwerks gesetzt. Es sind Themen, die Müntefering beschäftigen, aber auch sein Publikum, das in Heimbach größtenteils deutlich Ü60 war.

Der aus dem sauerländischen Sundern stammende Müntefering lässt sich allerdings nicht in eine Alten-Ecke abschieben. Im Gegenteil. Teilhabe, Engagement, Neugier aufs Leben, auf den Dialog mit Jüngeren (er selbst ist in dritter Ehe mit einer 40 Jahre jüngeren Frau verheiratet): Das ist ihm wichtig, dafür will er mit seinen beiden Büchern werben.

Ich will so schreiben, dass man es versteht und es interessant findet.
Franz Müntefering

„Lachen, Lernen, Laufen“ nennt er den Dreiklang, der sein Leben bestimme und den er als Tipp für Gleichaltrige hat: „Das müssen Sie genauso machen.“ Dazu gehöre die Pflege von sozialen Kontakten und Freundschaften. Denn Einsamkeit im Alter sei das größte Problem. Man müsse aber nicht einsam sterben, sagt Müntefering. Er selbst hat erlebt, wie wichtig die Nähe von geliebten Menschen ist, wie zentral Nächstenliebe und Fürsorge sein können.

Der Abend in Heimbach machte nachdenklich

Um seine 2008 an den Folgen einer Krebserkrankung gestorbene zweite Ehefrau Ankepetra in ihren letzten Monaten zu begleiten, hatte Franz Müntefering zuvor alle politischen Ämter aufgegeben. 2023 brachte ihn eine schwere Herz-Operation dazu, noch einmal grundsätzlicher nachzudenken über das Leben, den Tod, den Sinn des Lebens. Er entdeckte seine teilweise über Jahrzehnte gesammelten kleinen Zettel, auf denen er kleine Alltagsweisheiten und Sinnsprüche aufgeschrieben hatte.

Die Welt wird nur menschlich sein, wenn wir von der Gleichwertigkeit aller Menschen ausgehen.
Franz Müntefering

Lauter leicht verständliche, vom Katholizismus wie den Erfahrungen aus der Politik geprägte Anmerkungen. „Ich will so schreiben, dass man es versteht und es interessant findet. Ich bin kein Schriftsteller“, so Müntefering zu seinem Selbstverständnis. Die klare, ungekünstelte, manchmal etwas hölzern wirkende Sprache, für die „Münte“ bekannt ist, taucht so auch in diesen Kurzprosatexten auf.

Am eindrücklichsten an diesem immer wieder nachdenklich machenden Abend schließlich neben Erzählungen aus der Kindheit in der Nachkriegszeit sind seine Appelle: Müntefering spricht sich entschieden für die Eigenverantwortung des Einzelnen gegenüber dem Gemeinwesen aus. Er stellt klar, dass das bedeutet, sich nicht wegzuducken. „Man kann erkennen, was gut und was schlecht ist. Etwa wenn es um die Umwelt oder den Frieden geht“, so seine Überzeugung.

Eifeler Publikum feiert das Plädoyer für die Demokratie

Dies richtet er auch ausdrücklich an die Älteren. Denn es gehe ums Ganze: „Die Welt wird nur menschlich sein, wenn wir von der Gleichwertigkeit aller Menschen ausgehen.“ Um diesen Anspruch zu verteidigen, schließt Müntefering etwa auch Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht aus. Und dann wurde es am Ende doch noch vordergründiger.

Welcher Politiker ihn denn in seinem Leben am meisten beeindruckt habe, lautete eine der Fragen aus dem Publikum? Johannes Rau, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Gerhard Schröder oder Angela Merkel? Müntefering zögerte. Doch dann war es Helmut Schmidt: „Er hat uns gefordert.“ Zur Tagespolitik äußerte sich Müntefering an diesem Abend nur ein einziges Mal – und auch das grundsätzlich.

Mit Blick auf das Ergebnis der Europawahlen und den Rechtsruck in vielen EU-Staaten mahnte er: „Es gibt nicht so ganz viele Ecken in dieser Welt, in denen es so viel Verständnis für die Demokratie gibt wie in Europa. Lasst uns dieses Europa erhalten. Lasst uns die Demokratie bewahren. Sie ist nicht perfekt, aber die einzige Art, in der die Menschen in Frieden zusammen leben können.“ Es gab Standing Ovations für einen, dem man diese Mahnung abnimmt.