Marina Cardinale spielt beim SSV Lommersum in der Kreisliga C mit Männern zusammen. Mixed-Team auch bei der SpVg Nöthen-Pesch-Harzheim.
Gemischte Fußball-ElfMutter geht mit ihrem Sohn im Team der Männer auf Torejagd
Eine Mutter, die gemeinsam mit ihrem Sohn in einer Mannschaft im Männerfußball aufläuft? Ein solcher Doppelpass dürfte deutschlandweit seinesgleichen suchen.
Das Vorhaben ist vielleicht einmalig, aber ein nicht unrealistischer Traum. Die Euskirchenerin Marina Cardinale hat nämlich seit wenigen Tagen einen Spieler(innen)pass beim SSV Lommersum. Das erste Testspiel hat sie bereits absolviert. Das allerdings noch ohne ihren Sohn Gian Luca. Der spielt nämlich eigentlich in der ersten Mannschaft des SSV in der Kreisliga A. Seine Mutter hingegen wird grundsätzlich in der Reserve in der Kreisliga C auf Torejagd gehen.
Mutter erzielte in der vergangenen Saison 72 Tore für Oberdrees
„Wir werden das für mindestens ein Spiel aber ganz sicher hinbekommen“, ist die 40-Jährige überzeugt. Als Fußballerin stieg sie mit dem VfL Kommern bis in die Regionalliga auf. Mit dem TuRa Oberdrees wurde sie in der vergangenen Saison Kreismeisterin und erzielte starke 72 Tore. Aber ein großes Ziel hat die 40-Jährige eben noch nicht erreicht: „Ich möchte mit meinem Sohn gemeinsam in einem Meisterschaftsspiel auf dem Platz stehen.“
Beim SSV Lommersum rannte Cardinale mit diesem Wunsch offene Türen ein. „Marina hat bereits früher das ein oder andere Mal bei der Zweiten mittrainiert. Die Integration in die Mannschaft war daher mühelos“, sagt SSV-Trainer Sebastian Hecker. Es freue ihn für Marina und den Verein, dass man eine gewisse Vorreiterrolle übernommen habe. Doch nicht nur durch das Training bei der Reserve sei sie schon länger Teil der SSV-Familie. „Zu jedem Spiel werden wir von Marina mit frischem Obst versorgt. Das ist ein traumhafter Service“, so Hecker.
Cardinale: Unterschied zwischen Frauen- und Männerfußball ist riesig
Und Cardinale? Sie tut auf jeden Fall alles dafür und trainiert zweimal pro Woche beim SSV mit. Die Unterschiede zum Herrenfußball? Riesig! „Ich zähle mich schon nicht zu den langsamen Spielerinnen, aber hier habe ich tempomäßig und körperlich eigentlich keine Chance“, sagt die Torjägerin: „Spielerisch muss ich mich aber nicht verstecken.“
Wenn nur eine Frau in einer Herrenmannschaft spiele, so Cardinale, sei das auf einem bestimmten Niveau überhaupt kein Problem. Alles darüber hinaus sei hingegen leistungsmäßig schon eher schwierig – zumindest, wenn man erfolgreich spielen wolle. Die Fußballerin spricht aus Erfahrung. Sie spielte mit dem VfL Kommern lange auf hohem Niveau. „Wir haben in Testspielen häufiger gegen Männermannschaften gespielt. Rein körperlich hatten wir keine Chance“, sagt sie.
Und wie war ihr erstes Spiel mit den Männern des SSV? „Anstrengend“, sagt sie. Es habe Spaß gemacht. Aber es sei noch viel Luft nach oben. Was die reinen Ballkontakte angeht, war das SSV-Debüt von Cardinale auf Harry-Kane-Niveau, der im EM-Finale nach 60 Minuten und elf Ballkontakten ausgewechselt worden ist.
Aber als Offensivspielerin weiß Cardinale, dass oft ein Ballkontakt reicht, um ein Spiel zu entscheiden. Und so war sie im Testspiel gegen Berrenrath vielleicht nicht oft am Ball, dafür aber an der Entstehung eines Tores beteiligt.
Mama-Sohn-Team: Gemeinsame Kabine, getrennte Dusche
Auf dem Spielfeld ist der Doppelpass mit den männlichen Mannschaftskollegen das eine. Doch wie klappt das mit dem Umziehen vor dem Spiel oder dem Duschen nach der Partie? „Umgezogen wird sich zusammen, geduscht wird getrennt. Hier kann Marina auf eine Einzeldusche in der Schiedsrichterkabine zurückgreifen“, erklärt Coach Hecker. Für sie sei das Umziehen mit den Mannschaftskollegen kein Problem, sagt Cardinale. Schließlich trage sie Sportunterwäsche. Das sei nichts anderes als ein Bikini.
Beim Duschen kommt sie gerne auf das Angebot des SSV zurück. Doch das „Allein-Duschen“ hat auch Nachteile, wie die 40-Jährige schon feststellen musste: „Das Bier unter der Dusche nach dem Training schmeckt alleine einfach nicht so gut wie das früher mit den Mannschaftskolleginnen. Und wenn ich mal mein Shampoo vergessen sollte, habe ich keinen, der mir damit aushilft.“
Und dann gibt es noch ein Problem zu lösen: „Die Trikots der Jungs sind mir einfach viel zu groß. Es wird jetzt hoffentlich eines in meiner Größe bestellt“, sagt die Offensivspielerin. Ein Wunsch, den der Verein der Spielerin sicher gerne erfüllt – schließlich liebäugelte ihr Sohn Gian Luca mit einem Wechsel, hatte sich sogar schon abgemeldet. Aber auch er will mit seiner Mutter kicken und ist dem SSV treu geblieben.
Während Cardinale für den SSV bereits in einem Testspiel aufgelaufen ist (wenn auch in einem zu großen Trikot), haben die Fußballerinnen der SpVg Nöthen-Pesch-Harzheim das noch vor sich. Aber in der Eifel ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann auch dort Vereinsgeschichte geschrieben wird.
Nöthen: 14 Spielerinnen haben Lust auf Mixed-Team in der Kreisliga C
Bei der SpVg sind es gleich 14 Spielerinnen, die in der kommenden Saison gerne mit der dritten Mannschaft der Männer in der Kreisliga C spielen möchten. „Für eine reine Frauenmannschaft haben wir derzeit nicht genügend Spielerinnen, aber wir bringen es nicht übers Herz, unseren Heimatverein zu verlassen“, sagt Spielerin Eva Zumbé. Deshalb sei die Idee einer gemischten Mannschaft aufgekommen.
„Wie das alles in der Praxis aussehen wird, müssen wir sehen. Das ist schon ein großer Sprung für uns“, sagt Zumbé. Aber Motivation und Ehrgeiz seien auf jeden Fall da. Für Thomas Schwermann, Teammanager bei der SpVg, ist die Motivation der Fußballerinnen ein Glücksfall. „Aus Vereinssicht ist das eine tolle Möglichkeit, die Mädels, die sehr mit dem Verein verbunden sind und auch sehr engagiert das Vereinsleben mitgestaltet haben, zu halten. Solche Menschen braucht es immer“, sagt er.
Immer noch nicht ganz abgehakt sind laut Schwermann bei einigen Vereinsmitgliedern Bedenken mit Blick aufs Verletzungsrisiko. „Das haben wir mit den Mädels offen kommuniziert und mit ihnen besprochen, dass wir uns langsam an den Herren-Spielbetrieb herantasten, sodass sie selbst entscheiden können, ob das zu gefährlich ist oder nicht“, sagt er.
Der Kader sei groß genug, um das spontan entscheiden zu können. Der Plan sei aber grundsätzlich, dass immer drei Frauen bei der dritten Mannschaft auf dem Platz stehen. Zudem sollen zwei Frauen als Reservespielerinnen dabei sein. Geplant sei, dass für die Spielerinnen auch nur Frauen eingewechselt werden. So solle erreicht werden, dass eben drei Spielerinnen gleichzeitig auf dem Platz stehen, so Schwermann. In der Kreisliga C können zudem Spieler – und ab dieser Saison damit auch Spielerinnen – immer wieder ein- und ausgewechselt werden.
Schwermann sieht auch ein bisschen Nachbesserungsbedarf im Spielbetrieb. Bei den Frauen dürfen Jugendliche, die in der B-Jugend aktiv sind, bereits dann im Seniorenbereich eingesetzt werden. Das ist bei den Herren nicht möglich. Stand jetzt muss die Fußballerin in der A-Jugend spielen, um dann bei einer Herrenmannschaft frühzeitig spielberechtigt zu sein.
Die dritte Mannschaft sei jetzt „eine schöne Mischung aus Familienvätern, Altstars und weiteren, die entweder nicht die Zeit oder den Ehrgeiz haben, in der ersten Mannschaft zu spielen und einfach nur gemeinsam Fußball spielen wollen.“
Meldung der Mannschaft war unkompliziert
Die Meldung der gemischten Mannschaft beim Fußballverband Mittelrhein sei „extrem unkompliziert“ gewesen. „Wir hatten uns nach der ersten Idee schon auf längere Verhandlungen und Anträge eingestellt“, berichtet Schwermann. Nach einem Telefonat mit Doris Mager, der Vorsitzenden des Fußballkreises, seien aber fast alle Bedenken weg gewesen. „Wir mussten nur im DFBnet, also dem offiziellen Mannschaftsportal, einen Haken setzen, dass wir gemischt spielen wollen“, sagt der Teammanager.
Und wie organisiert die SpVg den Spielbetrieb rund um die gemischte Mannschaft? Schwermann: „Im Moment gibt es da gar keine Probleme, wir trainieren ja derzeit nur. Da haben die Mädels ihre eigene Kabine und fertig.“
Probleme könnten auswärts auftreten, wenn nur eine Dusche vorhanden ist
Im Ligaalltag werde es zu Hause keine Probleme geben – auch mit drei Mannschaften im Spielbetrieb. „Dann treffen wir uns ein bisschen früher und die eine Gruppe zieht sich zuerst um und dann die andere. Genauso nach dem Spiel. Kein Thema“, so Schwermann.
Auswärts kommt aber die eine oder andere Sportanlage auf das Mixed-Team zu, bei der es nur einen Nassbereich gibt. „Da wird es etwas schwieriger, aber ich glaube, dass wir da mit dem jeweiligen Heimverein zu einer sinnvollen Lösung kommen“, so Schwermann: „Daran wird das Ganze sicherlich nicht scheitern. Wir haben jedenfalls sehr große Lust auf das Projekt und sind den Frauen sehr dankbar für die Unterstützung.“
Peter Dierichsweiler, Leiter des Spielbetriebs im Kreis Euskirchen, freut sich auf die beiden gemischten Teams. „Das tut dem Fußballkreis gut“, sagt er. Man habe das Thema konkret bisher nicht auf dem Schirm gehabt, freue sich aber, dass mit dem SSV und der SpVg nun zwei Vereine in dem Bereich vorangehen.
So ist die Männer-Frauen-Regelung in anderen Sportarten
Dass Frauen und Männer im Seniorenfußball gemeinsam auf dem Platz stehen, ist im Kreis Euskirchen ein Novum. Bei anderen Sportarten, beispielsweise beim Badminton oder Reiten, ist hingegen schon länger Praxis, dass entweder gemischt gespielt oder zumindest nicht zwischen den Geschlechtern unterschieden wird.
Eine Ligamannschaft beim Badminton besteht in der Regel aus vier Männern und zwei Frauen. Gespielt wird auch im Mixed-Team. „Bei uns sind es meist die Frauen, die die Punkte holen“, sagt Frank Sorgatz, von der Badminton-Abteilung des ETSC. Sich umgezogen und geduscht werde getrennt.
Beim Volleyball gibt es eigens eingerichtete Mixed-Mannschaften und -Ligen. Beim Handball hingegen ist eine gemischte Mannschaft nach Angaben von Niklas Müller, Handball-Obmann bei der HSG Euskirchen, in der Spielordnung nicht vorgesehen – zumindest aktuell.
Ab der C-Jugend wird beim Handball in männlich und weiblich getrennt. Corinna Schmitz, die aktuell wohl beste Handballerin im Kreis Euskirchen, sagt: „Ich habe bis zur C-Jugend immer mit Jungs zusammengespielt.“ Auf vielen Freizeitturnieren habe sie schon mal in Mixed-Mannschaften gezockt. Und würde es sich die HSG-Euskirchen-Torjägerin heute zutrauen, bei den Herren mitzuspielen? „Grundsätzlich traue ich mir das natürlich zu. In welcher Spielklasse das jedoch Sinn ergibt, das wäre eine andere Frage“, so Schmitz.
Beim Intercrosse, eine Variante des Lacrosse, wird mit einem Mixed-Team gespielt, gleiches gilt für Korfball – eine Art Basketball. Bei der Sportart muss der Ball durch einen Korb in 3,50 Meter Höhe geworfen werden. Gespielt wird mit vier Männern und vier Frauen in einem Team. Das Besondere: Frauen dürfen nur gegen die gegnerischen Spielerinnen verteidigen, Männer nur gegen Männer.