Beim Kreisparteitag der FDP gab's einen nachdenklichen Bundestagsabgeordneten Markus Herbrand und kämpferischen Europakandidaten Moritz Körner.
ParteitagDie Bundespolitik beschäftigt die FDP im Kreis Euskirchen
Es sind nicht die Zeiten, um sich als FDP-Mitglied selbstzufrieden auf die Schulter zu klopfen. Irgendwo im Bereich zwischen drei und sechs Prozent verorten die Demoskopen die möglichen Ergebnisse der FDP bei einer Bundestagswahl – nichts, wo man sich sicher im nächsten Bundestag sehen kann. So stand der Kreisparteitag der Freidemokraten im Dorfsaal in Scheven nicht nur im Licht kommunaler Ereignisse oder der vor der Tür stehenden Europawahl, sondern auch unter dem Eindruck der immer wieder kontrovers diskutierten Regierungsbeteiligung in der Ampel.
Mit welcher Spannung die Situation in Berlin betrachtet wird, wurde deutlich angesichts der Stille, die bei den mehr als 40 Mitgliedern im Saal herrschte, als der Gemünder Bundestagsabgeordnete Markus Herbrand über die Bundespolitik sprach. Er hielt eine nachdenkliche Rede, die auch nicht frei war von einer selbstkritischen Betrachtung der Rolle seiner Fraktion.
Abgeordneter Markus Herbrand hält die Ampel für besser als ihren Ruf
Zwei Thesen habe er – auch wenn nicht alle diesen zustimmen. Erstens sei die Ampel besser als ihr Ruf, was aber immer wieder von Streitereien überschattet werde. Zweitens setze die FDP einiges aus ihrem Wahlprogramm durch. „Die Ampel hat viel auf den Weg gebracht“, so Herbrand. So sei das Zwei-Prozent-Ziel der Verteidigungsausgaben im Haushalt erreicht, eine längst überfällige Wahlrechtsreform sei verabschiedet und Deutschland sei nach den USA der größte Unterstützer der Ukraine. In vielem sei die liberale Handschrift zu erkennen.
Doch nun müsse die Wirtschaftswende angesichts eines geringen Wirtschaftswachstums auf den Weg gebracht werden. Da das Geld nicht vom Himmel falle, bekenne sich die FDP zur Schuldenbremse. „SPD und Grüne glauben, es gehe nur mit Steuererhöhungen oder neuen Schulden“, sagte er.
Dabei sei die Lage der Wirtschaft besser als die Stimmung. „Vor allem sind das strukturelle Probleme, die nicht alle in den letzten anderthalb Jahren entstanden sind“, betonte er: die demografischen Probleme, der Mangel an Arbeitskräften, die Infrastruktur oder auch die Bürokratie, die oft aus Brüssel komme. Es seien wahrscheinlich die herausforderndsten Jahre im Nachkriegsdeutschland. „Es wäre naiv, wenn wir sagen würden, mit einem Regierungswechsel wären die Probleme weg“, warnte er vor Gedankenspielen, aus der Koalition auszutreten. Ihm fehle die Strategie, wie die FDP mit der Situation umgehen wolle, betonte er: „Dabei hat sich herumgesprochen, dass eine Strategie nicht das Schlechteste ist.“
Kandidat Moritz Körner lenkt den Blick der Liberalen auf die Europawahl
Eine kämpferische Rede hielt Moritz Körner, Kandidat für die Europawahl im Juni. Er nahm die EVP, die europäische Dachorganisation der CDU, und ihre Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen ins Visier. Von der Leyen forciere als Kommissionspräsidentin den Green Deal und vernachlässige die Wirtschaft. Die EVP wolle jetzt aber weniger Green Deal und mehr Wirtschaft. Was sei da zu erwarten? Die FDP wolle dagegen weniger von der Leyen und mehr Freiheit: „Wir müssen Europa einfacher machen.“
Er sei Mitglied der mächtigsten Partei in Europa, wenn er den Meldungen glaube, dass die FDP ganz Europa blockiere. Dabei habe die FDP das Lieferkettengesetz mit vielen Staaten gemeinsam gestoppt: „Es hätte bedeutet, dass die Unternehmen sich aus kritischen Regionen zurückziehen, die dann von den Chinesen übernommen werden.“
FDP im Kreis Euskirchen hält die Talsohle für durchschritten
„Wenn Putin in der Ukraine erfolgreich ist, macht er weiter“, prophezeite Körner. Erst seien die baltischen Staaten, dann Polen dran. Er erinnerte an das Budapester Memorandum, in dem der Ukraine der Verzicht auf ihre Atomwaffen mit der Garantie der Unverletzlichkeit ihrer Grenzen schmackhaft gemacht wurde. Habe Putin Erfolg, bedeute dies, dass kleine Staaten nicht weiter bereit seien, auf Atomwaffen zu verzichten. „Wir wollen nicht in einer Welt leben, in der die Großen die Kleinen unterjochen“, warb er für Unterstützung der Ukraine.
Den Blick auf die lokale Ebene lenkte der Kreisvorsitzende Frederik Schorn – nicht ohne auf die augenblickliche Lage der Partei Bezug zu nehmen. Die Bauernproteste täten weh. „Da gehen unsere Leute gegen uns auf die Straße“, sagte Schorn. Mit Blick auf die Bundespolitik lasse er es nicht zu, dass unter den Tisch falle, dass die vergangenen sechs Landwirtschaftsminister von der CDU gewesen seien.
Und derzeit regiere die Union in fünf Bundesländern mit den Grünen. In NRW sei die Regierung haushalterisch unbeweglich geworden, da sie in einem Jahr das Geld für fünf Jahre ausgegeben habe. Von vielen Vorhaben, wie dem Gemeindefinanzierungsgesetz, sei nichts mehr zu hören. „Wir kriegen das hier im Kreis schmerzhaft zu spüren“, sagte er.
Der Mitgliederschwund trifft auch die FDP im Kreis: Von 320 Mitgliedern sei die Zahl auf jetzt 306 gesunken, schilderte Schorn die Lage im Kreisverband. Doch anscheinend sei die Talsohle erreicht: Seit Dezember habe es wieder sechs Neueintritte gegeben.
Wahlen und Ehrungen
Als Kreisvorsitzender wurde Frederik Schorn mit 39 Stimmen bei zwei Enthaltungen im Amt bestätigt, eine Zustimmung von 95 Prozent. Als Stellvertreter wiedergewählt wurden Oliver Totter, Mathias Schoenen und Petra Kanzler. Zu Beisitzern wählte die Versammlung Jan Griskewitz, Thomas Scholzen, Lukas Krüger, Timo Zander und Britta Schiffer. Schatzmeister ist weiterhin Thomas Müller.
Für langjährige Mitgliedschaft in der FDP wurden geehrt: André Zimmermann, der seit 25 Jahren bei den Liberalen ist, sowie Gabriela Wesseler und Erich Rupp, beide seit 40 Jahren Mitglied.