Die Volkshochschule im Kreis Euskirchen hatte es schwer während Corona und nach der Flut. Doch die Entwicklung kann sich sehen lassen.
BildungNach Corona und Flut: Die Volkshochschule im Kreis Euskirchen feiert Comeback
Die Freude ist Vanessa Becker anzusehen. „Corona und die Flut haben uns ja erheblich getroffen“, sagt die Leiterin der Volkshochschule (VHS) Kreis Euskirchen. Doch inzwischen nähmen wieder 4500 bis 5000 Menschen die etwa 500 Angebote wahr. „Das ist fast wieder wie vor Corona“, freut sich Becker über das Comeback der VHS.
Eine Zahl ist indessen gesunken: die der Seiten im neuen Programmheft. Statt wie bisher rund 190 umfasst die Auflage für 2024 nur noch 60 Seiten – der Umwelt und dem VHS-Etat zuliebe, wie Becker betont.
Die Ankündigungstexte in den Programmbereichen seien nun über einen QR-Code zu erreichen oder direkt auf der Homepage der VHS. „Das soll dann auch hin zur digitalen Anmeldung führen“, erläutert die Leiterin. Das erste Semester in diesem Jahr beginnt am 19. Februar (einige Bewegungskurse schon früher), das zweite am 9. September.
Ein weiterer Vorteil: Neue Angebote könnten immer aktuell auch während des Semesters veröffentlicht werden und nicht erst im nächsten Heft. Auf der Homepage würden auch immer wieder mal die Highlight-Kurse präsentiert.
VHS bietet bald wieder Kurse in allen Kommunen des Kreises an
Seit fast genau drei Jahren ist Vanessa Becker Leiterin der VHS, für die sie seit 2005 tätig ist. Ihren Posten hat sie in schwierigen Zeiten übernommen, doch nun gehe es bergauf. „Weiterbildung für alle in allen Kommunen“ nennt die Leiterin die Devise, der sich auch die Politik verpflichtet fühlt: „Wir sind ja eine Abteilung des Kreises.“
Wenn, wie geplant, ab Sommer dann auch wieder die Kursräume in Kall im Rahmen des Wiederaufbaus nach der Flutkatastrophe 2021 zur Verfügung stehen, ist die VHS in der Tat wieder in allen elf Kreis-Kommunen vor Ort. „Euskirchen und Mechernich sind unsere stärksten Standbeine“, so die Leiterin. Dort habe die VHS eigene Räumlichkeiten: im Alten Rathaus der Kreisstadt sowie in der St.-Barbara-Schule in Mechernich. „Da hat die Stadt ganz toll renoviert“, lobt Becker.
Angesichts der Nachfrage könnte die VHS sogar weitere Kurse anbieten, doch hier muss Becker dann doch etwas Wasser in den Wein schütten. „Wir haben zurzeit etwa 250 Lehrkräfte“, sagt sie, „es waren schon mal mehr.“ Der Fachkräftemangel mache auch vor der VHS nicht halt, stellt die Leiterin fest – und nutzt die Gelegenheit für einen Aufruf: „Wer qualifiziert ist, kann sich gerne bei uns melden“ – gerne auch per Mail.
Esoterisches hat kaum Chancen, ins VHS-Programm zu kommen
Dann könne man sehen, ob die Inhalte, etwa im kreativen Bereich, ins VHS-Konzept passten. Die Leitung sei sehr gespannt und offen für Neues, wenn natürlich auch nicht alles den Weg ins Programmheft schaffe: etwa Esoterisches und allzu ausgefallene Sachen, die voraussichtlich nicht auf große Resonanz stoßen dürften.
Voraussetzungen seien Qualifikation und Eignung. „Um Deutsch zu unterrichten, reicht es natürlich nicht, Deutsch als Muttersprache zu haben“, sagt Vanessa Becker. Ein erwachsenen-pädagogischer Hintergrund und am besten auch Unterrichtserfahrung sollten schon mitgebracht werden. „Es muss natürlich niemand ein Keramik-Zertifikat vorweisen“, sagt Becker mit einem Lachen.
Das Kursangebot ist im ständigen Fluss. Mit der Zuwanderung, etwa aus der Ukraine, haben die Deutschkurse größeren Zulauf erhalten. Diesem Bedarf komme die VHS natürlich nach, so Becker: „Wir haben ja ein offenes Programm und ein Programm, das durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gefördert wird. Das sind die Integrationskurse, die bieten wir in Euskirchen und Mechernich an.“
Integrationskurse finden in Euskirchen und in Mechernich statt
Hierin gehe es auch um das gesellschaftliche und politische System der Bundesrepublik. „Selbstverständlich sind das auch Themen, die die Inhalte im Sprachkurs bilden.“ Das offene Programm stehe allen Bürgerinnen und Bürgern offen, die Deutsch lernen wollten – sowohl abends als auch tagsüber.
Hinzu kommen die Einbürgerungskurse, die die VHS inklusive der benötigten Tests anbietet. „Wir sind sozusagen das ausführende Organ für das BAMF“, erläutert Becker. Auch Menschen, die den deutschen Pass beantragen wollen, können laut Becker bei der VHS den Sprachtest absolvieren – auch ohne vorherige Kursteilnahme.
Insgesamt nehmen rund 100 Menschen an den vier oder fünf Integrationskursen teil. Sie gehen über sechs Monate, der Alphabetisierungskurs sogar über zehn Monate, fünf Tage in der Woche. Sie umfassen jeweils mehrere Hundert Stunden. „Dazu haben wir noch einen berufsbezogenen Deutschkurs, der nach dem Integrationskurs beginnt“, so Becker. Die Gruppen seien sehr gemischt, was die Herkunftsländer der Teilnehmerinnen und Teilnehmer angeht.
Volkshochschule Kreis Euskirchen bietet 17.000 Kursstunden im Jahr
Die VHS-Klassiker wie Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch oder Niederländisch bilden das Kerngeschäft, darüber hinaus gibt es etwa Chinesisch im Grund- und im Aufbaukurs, Neugriechisch, Kroatisch und sogar Japanisch online. In den Bereichen EDV, Gesundheit und Fitness sowie politische Bildung ist das Angebot reichhaltig. Überhaupt, so Vanessa Becker, biete die VHS mit ihren rund 17.000 Kursstunden im Jahr weit mehr als die vom Landesgesetzgeber gemäß der Einwohnerzahl geforderten 9600.
Auftragskurse für Firmen und Kommunen, etwa in EDV, gehören ebenfalls zum Portfolio der VHS: „Wir haben zum Beispiel einen Kunden, der hat viele Ingenieure aus dem Ausland gewonnen. Die unterrichten wir in Deutsch, schriftlich und mündlich, passgenau auch in der Fachsprache.“
Weiteren Zuspruch erhofft sich die Schulleitung durch ein erstmals stattfindendes Sommerprogramm in diesem Jahr, das mit „Schnupper-Kursen“, wenn man so will, neue Zielgruppen erschließen soll und Kurse anbietet, die später durchaus ins Regelprogramm einfließen könnten. Derzeit laufen die Vorbereitungen.
Zudem ist die VHS an das Digitale Wissensprogramm der Bundes-VHS (hier geht's zur Homepage) angeschlossen, in dem seit Neuestem Vorträge online zu hören sind – mit durchaus namhaften Referenten wie dem Afrika-Experten Bartholomäus Grill oder dem Bestseller-Autor Peter Longerich.
Dass die Online-Kurse durch Corona stark zugenommen haben, ist wenig verwunderlich. „Aber ich bleibe dabei“, stellt Vanessa Becker klar, „die VHS muss digital und analog bleiben.“ Der persönliche und soziale Austausch in den Kursräumen dürfe auf keinen Fall verloren gehen.
Die Pflichtaufgabe
Die VHS erfreue sich auch eines hohen Stellenwerts in den politischen Gremien im Kreis und in den Kommunen, sagt Leiterin Vanessa Becker. Aber selbst wenn dem nicht so wäre, wäre der Fortbestand der VHS gesichert. Volkshochschulen sind nämlich laut dem NRW-Weiterbildungsgesetz eine kommunale Pflichtaufgabe.
Dafür müssen die Teilnehmerentgelte möglichst gering sein und die VHS darf keine Gewinne erwirtschaften. Mit 330.000 Euro bezuschusst der Kreis die VHS, 580.000 Euro kommen vom Land.
Die Entgelte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer betragen 400.000 Euro und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zahlt 280.000 Euro für die Durchführung der Integrationskurse.