Das von Landrat Markus Ramers vorgeschlagene, dritte beitragsfreie Kita-Jahr im Kreis Euskirchen lehnen CDU, FDP und UWV ab. Sie machen einen anderen Vorschlag.
Nach Vorschlag zu Kita-BeiträgenKreis Euskirchener Landrat spricht von Willkür und Murks
Markus Ramers macht aus seiner Gefühlslage keinen Hehl. „Es ist kein Wunder, dass ich enttäuscht bin“, sagt der Landrat. Er hatte intensiv für seinen Vorschlag geworben, ein drittes beitragsfreies Kita-Jahr im Kreis Euskirchen einzuführen.
Dieses Vorhaben wird die Liste aus CDU, FDP und UWV aller Voraussicht nach ablehnen. Dies haben die Parteien, die im Kreistag die Mehrheit haben, jüngst in einer Pressemitteilung angekündigt. Stattdessen schlagen die drei Fraktionen vor, die Beitragsbemessungsgrenzen um einen Inflationsausgleich in Höhe von zehn Prozentpunkten heraufzusetzen. Aktuell muss jede Familie, die weniger als 37.000 Euro verdient, keinen Kita-Beitrag bezahlen. Nach Vorschlag der Liste läge die Grenze bei 40.700 Euro.
Markus Ramers: Personal könnte sich um andere Dinge kümmern
FDP-Fraktionsvorsitzender Frederik Schorn: „Die Liste hat sich für eine deutliche Entlastung von Familien im Kreis Euskirchen entschieden, wir werden damit unserer sozialen Verantwortung in einer herausfordernden Zeit gerecht.“
Geschätzte 470.000 Euro Mindereinnahmen hat Ramers dafür im Haushaltsentwurf 2023 eingeplant, die über die Kreisumlage, die wiederum die Kommunen an den Kreis zahlen müssen, hereingeholt werden sollen. Die Summe bezieht sich auf die vier Monate bis zum Jahresende. Fürs kommende Jahr wäre ebenfalls mit Mindereinnahmen zu rechnen. Nach Angaben der Liste belaufe sich die Summe auf insgesamt etwa 1,2 Millionen Euro. Ramers hält dagegen: „Die Personalkosten zur Kita-Beitragserhebung bei den Städten und Gemeinden liegen bei 879.000 Euro. Da würde viel Potenzial frei, weil man sich um andere Dinge kümmern könnte. In allen Verwaltungen fehlen Mitarbeiter. Das wäre eine Chance.“
Drittes freies Kita-Jahr würde 600 Familien im Kreis entlasten
Der bürokratische Aufwand, so Ramers, werde durch das von der Liste angedachte Heraufsetzen der Beitragsgrenzen sogar noch erhöht. Allein schon, weil die Beitragsgrenzen angepasst und kontrolliert werden müssen. Der Vorschlag der Verwaltung sei der pragmatischste. „Alle Familien, die im dritten Jahr vor der Einschulung sind, profitieren. Und wir minimieren den Aufwand, den die Beitragsstellen haben“, so Ramers.
79 Prozent der Familien im Kreis Euskirchen bezahlen laut Ramers schon jetzt keinen Beitrag mehr. Mit einem zusätzlichen dritten beitragsfreien Jahr läge man dem Landrat zufolge bei 88 Prozent. Als konkrete Zahl nennt Ramers 600 Familien, die mit dem Vorschlag der Verwaltung entlastet würden. „Es werden nach dem Vorschlag der Liste immer nur die Grenzbereiche entlastet. Das ist aus meiner Sicht völlige Willkür und auch Murks“, ärgert sich der Landrat.
Landrat will sich nicht entmutigen lassen
In vielen Bereichen werden gerade Tarifverhandlungen geführt, so Ramers: „Wenn ich jetzt etwas mehr Lohn bekomme, was ich jedem gönne, kann es sein, dass ich dadurch nicht bei den Kita-Beiträgen entlastet werde, weil ich nun doch wieder über dem Grenzbereich liege.“ Der Vorschlag der CDU, FDP und UWV sei „von vorne bis hinten nicht durchdacht“.
Bei der Kreisumlage entstünde durch den Listen-Vorstoß im Vergleich zum dritten beitragsfreien Jahr eine Entlastung von etwa 300.000 Euro. Die Städte und Gemeinden entlaste man derzeit schon mithilfe der Rücklagen. Neun Millionen Euro seien aus den Rücklagen im Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 eingeplant. Sollte die Liste bei ihrem Vorschlag bleiben und ihre Mehrheit im Kreistag nutzen, um ihren Antrag durchzubringen, will Ramers das sportlich nehmen: „Das Thema ist deshalb für mich nicht vom Tisch, ich lasse mich dadurch nicht entmutigen und werde auf Landesebene Druck machen, damit die Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag möglichst schnell umgesetzt wird.“ Die schwarz-grüne NRW-Regierung hat angekündigt, ein drittes beitragsfreies Kita-Jahr im Laufe der Legislaturperiode zu schaffen.
Grüne machen Kompromissvorschlag, SPD ist sauer
„Bildung muss kostenfrei sein“, sagt Thilo Waasem, Fraktionsvorsitzender der SPD. Der Vorschlag der Liste, bestehend aus CDU, UWV und FPD, sei „der gescheiterte Versuch, davon abzulenken, dass sie die Entlastung von Familien nicht wollen, wie wir sie vorgeschlagen haben.“ Der Vorschlag der SPD und der Verwaltung würde zu Bürokratieabbau führen, sagt Waasem, der eine Rechnung mit zwölf Vollzeitstellen in den Rathäusern aufmacht, die bei einem völligen Wegfall der Kita-Beiträge für andere Aufgaben „freigezogen“ würden. Zudem decke der Vorschlag der Liste nicht den Inflationsausgleich ab. Der betrage seit 2019, seitdem gilt die jetzige Satzung, mehr als 15 Prozent. „Die Liste wird nicht mal ihren eigenen Ansprüchen gerecht“, ärgert sich der Chef der Sozialdemokraten.
Jörg Grutke, Fraktionsvorsitzender der Grünen, würde die Bildung am liebsten ebenfalls kostenfrei anbieten. „Wir müssen niedrige und mittlere Einkommen massiv entlasten“, sagt Grutke. Entsprechend habe sich seine Fraktion Gedanken über einen möglichen Kompromiss gemacht. „Wir könnten damit leben, wenn der Freibetrag von 37.000 auf 50.000 Euro Jahreseinkommen angehoben wird. Wir müssen eine Entlastung schaffen, wo sie wichtig ist“, sagt er. Der Grünen-Chef betont allerdings, dass dieser mögliche Kompromiss nur ab dem Sommer für das kommende Kita-Jahr gelten würde. Für das Jahr 2024/25 müsse dann wieder neu verhandelt werden. (tom)