WeizenanbauLandwirte im Kreis Euskirchen: „Wir könnten mehr produzieren“
Kreis Euskirchen – Wie sich der Krieg in der Ukraine auf den eigenen Geldbeutel auswirkt, das kann sich jeder beim Blick auf die Kraftstoffpreise ausrechnen. Aber auch jeder, der kein Auto hat, muss beim Einkaufen tiefer in die Tasche greifen. Auch bei den Lebensmitteln scheinen die Preise derzeit nur eine Richtung zu kennen: nach oben.
Besonders deutlich wurde das zunächst bei Produkten aus Weizen, denn die Ukraine und Russland gelten als größte Weizenexporteure der Welt. Zusammen decken die beiden Länder etwas mehr als ein Viertel des weltweiten Weizenhandels ab.
Preis für den Doppelzentner Weizen stieg auf 38 Euro
Der Weizenpreis auf dem Weltmarkt verdreifachte sich folglich innerhalb weniger Tage nach dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine. „Im vergangenen Jahr habe ich 14,80 Euro für den Doppelzentner Weizen bekommen. Aktuell liegt der Preis bei rund 38 Euro“, rechnet Landwirt Thomas Gräf aus Elsig vor. „Wir in Deutschland können uns höhere Preise leisten. Aber was ist mit den Menschen in den ärmeren Ländern?“, fragt sich unterdessen sein Enzener Berufskollege Markus Kurth.
Für Gräf kann es angesichts der drohenden Versorgungskrise nur eine Konsequenz geben: „Wir Bauern könnten jetzt schon wesentlich mehr produzieren, aber man lässt uns nicht.“ Deutschland verfüge bei Lebensmitteln über einen Selbstversorgungsgrad von 86 Prozent. „Ziel der EU-Politik ist es aber, dass wir weniger produzieren. Folglich muss in Zukunft der Importanteil steigen, zu Lasten der ärmeren Länder“, befürchtet Kurth.
Neben dem Verbot einiger Pflanzenschutzmittel und der vorgeschriebenen Reduzierung von Düngemitteln ist den beiden Landwirten aus der Voreifel vor allem die für das Jahr 2023 geplante Flächenreduzierung ein Dorn im Auge: Vier Prozent ihrer Produktionsfläche sollen Landwirte in der EU ab dem kommenden Jahr nicht mehr bewirtschaften dürfen. Das sieht die geplante Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vor.
Protestaktion #grueneVier
Für Willi Kremer-Schillings aus Rommerskirchen im Kreis Neuss, in den sozialen Netzwerken bekannt als „Bauer Willi“, ist das „angesichts der kommenden, vorhersehbaren Hungerkrise in vielen armen Ländern der Welt ein nicht erklärbarer Wahnsinn“. Er hat daher zu einer Protestaktion aufgerufen mit dem Titel „#grueneVier – gegen den Hunger“.
Auch Landwirte aus dem Kreis Euskirchen haben sich bereits an der Aktion beteiligt und auf ihren Äckern oder an den Zufahrten zu ihren Höfen eine aus grün angestrichenen Holzlatten angefertigte „Vier“ aufgestellt. Die Aktion knüpft unmittelbar an den Protest gegen das Höfesterben an, auf das die Teilnehmer bereits vor einigen Jahren mit einem grünen Holzkreuz aufmerksam machten.
Helmut Dahmen gewählt
Einen neuen Vorsitzenden hat die Kreisbauernschaft Euskirchen unlängst gewählt: Helmut Dahmen aus Lorbach tritt die Nachfolge von Hans-Josef Schorn aus Lommersum an, der sein Amt aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hat. Schorn gehört dem geschäftsführenden Vorstand der Bauernschaft jedoch weiterhin an, wie Dahmen informierte. (thw)
„Wir Landwirte kündigen hiermit öffentlich den zivilen Ungehorsam an, indem wir uns an diese Vorschrift nicht halten werden“, so Kremer-Schillings. Man werde gegen das Gesetz auf allen Ackerflächen und somit illegal Lebensmittel anbauen. „So lange, bis sich die Ernährungssituation wieder normalisiert hat“, fordert „Bauer Willi“ in seinem Blog.
Thomas Gräf will die „Grüne Vier“ jetzt an seinem Hof in Elsig aufstellen. „Es muss dringend etwas passieren“, sagt der Landwirt. „Wir haben jetzt erst Ende März und bis zur nächsten Ernte dauert es noch drei bis vier Monate. Ich bin überzeugt davon, dass Getreide auch bei uns knapp wird und die Preise weiter steigen“, so Gräf.
Kreisbauernschaft: Flächenstilllegung ist nicht nachvollziehbar
Auch für Helmut Dahmen, den neuen Vorsitzenden der Kreisbauernschaft Euskirchen, ist die für 2023 geplante Flächenstilllegung nicht nachvollziehbar: „In Zeiten drohender Lebensmittel-Knappheit ist der Verzicht auf wertvolle Anbauflächen das falsche Signal, während anderswo in der Welt gehungert wird“, so der Chef der Bauern im Kreis Euskirchen.
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Vor allem die Art und Weise der Anbauflächen-Reduzierung findet Dahmen kritikwürdig, denn bereits nach der diesjährigen Ernte sollen die Landwirte die vier Prozent ihrer Ackerflächen brachliegen lassen. „Wir wollen stattdessen gezielte Maßnahmen, zum Beispiel die Blühstreifen, mit denen wir in der Vergangenheit bereits gute Erfahrungen gemacht haben“, so Dahmen.
Trotzdem warnt der Landwirt aus Lorbach seine Berufskollegen, die von der EU geforderte Flächenreduzierung einfach zu ignorieren: „Wer dagegen verstößt, riskiert Sanktionen bis hin zur Streichung der gesamten Flächenprämien“, so Dahmen.
Ein erstes Entgegenkommen der EU gibt es aber schon: Auch für das laufende Jahr waren Flächenstilllegungen geplant, die nun aber wegen der aktuellen Situation aufgeschoben werden sollen. „Es wird jetzt aber höchste Zeit, dass das genau geregelt wird“, fordert Dahmen: „Denn wenn wir dieses Jahr auf diesen Flächen noch etwas ernten wollen, müssen wir eigentlich jetzt säen.“