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Landesweite Wolfsverordnung gefordertIm Kreis Euskirchen sorgt der Wolf für Ärger

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Normalerweise meidet der der Wolf den Menschen.

Kreis Euskirchen – Der Wolf ist zurück – und das nicht erst seit gestern. Durch mehrere Kreise in Nordrhein-Westfalen streifen mittlerweile einzelne Wölfe oder kleine Rudel. Oft kommt es deshalb zu Konflikten mit Nutztierhaltern, die um ihre Schafe, Pferde oder Hühner fürchten.

Auch im Kreis Euskirchen sorgten Wölfe bereits für Ärger. Zuletzt riss ein Wolf im Februar 2021 ein Schaf in Nettersheim. Auf Landesebene diskutiert die Politik deshalb, wie Nutztiere vor Wölfen geschützt werden können. Die Landtagsfraktionen von CDU und FDP sprechen sich in einem Antrag für eine nordrhein-westfälische Wolfsverordnung aus.

NRW-Umweltministerium soll über Tötung eines Wolfes entscheiden

„Diese neu auftretenden Schäden sind ohne weitere Herdenschutzmaßnahmen eine Bedrohung für die Weidetierhaltung“, heißt es im Antrag der NRW-Koalition. Für sie ist Weidetierhaltung wichtig für die Gesellschaft, für Biotop- und Landschaftspflege und den Hochwasserschutz. Die Koalition fordert deshalb, die von ihr als Problemwölfe und verhaltensauffällig bezeichneten Tiere „zu vergrämen oder zu entnehmen“ – sprich: die Wölfe zu vertreiben oder zu töten.

Geht es nach dem Antrag, erhält ein Wolf den Status „verhaltensauffällig“, wenn er sich regelmäßig von Menschen genutzten Gebäuden nähert und sich nicht vertreiben lässt. Die Entscheidung darüber, ob ein Wolf getötet wird, will die NRW-Koalition dem Umweltministerium des Landes überlassen. Gleichzeitig setzt sich die Koalition dafür ein, die Prävention vor Wolfsangriffen zu fördern und Schäden zu erstatten.

Auch der Erhaltungszustand des Wolfes in Deutschland steht für CDU und FDP zur Diskussion – er sei günstig, ein regionales Bestandsmanagement müsse möglich gemacht werden. Weiter heißt es im Antrag, dass die NRW-Koalition die Weidetierhaltung dauerhaft als Haltungsform erhalten und sogar ausweiten wolle. Aus Sicht der Antragsteller ist es nicht möglich, Nutztiere vollständig vor Wölfen zu schützen. Sie beziffern die Kosten für den Bau von Zäunen und anderen Schutzmaßnahmen allein in NRW auf bislang rund 1,5 Millionen Euro.

Drei Wolfsrudel leben in NRW

Wolfsexperten halten das Wolfsmanagement für schwierig – und wollen zum Vorschlag der NRW-Koalition keine Stellung nehmen. Marietta Schmitz kann das verstehen. „Problemwölfe sind ein emotionales Thema“, sagt die Hellenthaler Naturschützerin. Bei Problemwölfen handele es sich oft um junge Tiere, die sich auf der Suche nach einem neuen Revier an anderen Orten niederlassen – auch in der Nähe des Menschen. „Der Wolf braucht keine Naturräume. Er kann sich gut anpassen und findet hier bei uns viel Nahrung.“

Vier ausgewiesene Wolfsgebiete gibt es derzeit in NRW: Schermbeck, Senne, Eifel-Hohes Venn und Oberbergisches Land. Laut des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums leben sieben Wölfe und elf ausgewachsene Welpen in den ausgewiesenen Gebieten. Die Tiere verteilen sich auf drei Rudel. Einen Wolf konnte das Ministerium keinem Rudel zuordnen. Zwei der drei Rudel leben auf den Landesgrenzen und halten sich nicht das ganze Jahr in NRW auf. Das gilt auch für die Wölfe, die im Kreis Euskirchen nachgewiesen wurden. Sie leben hauptsächlich im belgischen Teil des Hohen Venns. 2021 ist die Anzahl der im Land nachgewiesenen Wölfe nicht gestiegen.

Im Kreis Euskirchen würden dem Wolf 50.000 Hektar bleiben

Wolfsterritorien sind groß. Das Umweltministerium gibt ihre Größe mit durchschnittlich 20.000 Hektar an. Dürfen sich Wölfe keinen Menschen mehr nähern, bleibt ihnen im Kreis Euskirchen nicht viel Platz: Von den rund 124.000 Hektar Fläche des Kreises sind 17.000 Hektar Siedlungsgebiet, 57.000 werden landwirtschaftlich genutzt. Abzüglich der Gewässer bleiben den Tieren weniger als 50.000 Hektar.

Eine existenzielle Bedrohung für die Weidetierhaltung in NRW ist der Wolf bisher nicht. 48 Tierrisse gingen 2021 im Land auf das Konto von Wölfen. Das ist etwa ein Fünftel der 250 Verdachtsfälle, die sich sowohl auf Wild als auch auf Nutztiere verteilen. Im Kreis Euskirchen gab es im vergangenen Jahr acht Tierrisse. In zwei Fällen – einem in Nettersheim und einem in Schleiden – war zweifelsfrei ein Wolf verantwortlich.

Mehr Hunde- als Wolfsrisse

Oft lasse sich das Raubtier nach einem Riss nicht mehr eindeutig nachweisen, erläutert Schmitz. „Es kommen viele andere Tiere infrage, Dachse zum Beispiel.“ Besonders schwierig werde es, wenn ein Hund beteiligt sei. „Hunde sind wie Wölfe auch Kaniden“ , sagt die Hellenthalerin.

Wolfsschutz

Zu den streng geschützten Arten gehört der Wolf in Deutschland. Er ist als Art im Anhang IV der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie geführt. Für ihn gelten die Vorschriften und Zugriffsverbote des besonderen Artenschutzes nach Paragraf 44 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes.

Es ist verboten, Wölfe zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Außerdem dürfen wild lebende Wölfe nicht so stark gestört werden, dass sich der Erhaltungszustand der Population verschlechtert. Das gilt für viele Tiere etwa während der Fortpflanzungs-, der Aufzucht- oder der Überwinterungszeit. Für den Wolf resultiert daraus ein ganzjähriges Störungsverbot. Es ist auch verboten, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten wild lebender Tiere zu beschädigen.

Noch immer zählt der Wolf in Nordrhein-Westfalen zu den ausgestorbenen Arten. (maf)

Hunderisse kommen deutlich häufiger vor als Wolfsrisse. Zum Ärger vieler Tierhalter werde bei einem Riss nur der Schlachtpreis erstattet, erläutert Schmitz. „Was ist aber, wenn es sich um ein wertvolles Zuchttier handelt? Das Geld kriegen die Tierhalter nicht zurück.“ Sie halte selbst Nutztiere, verstehe daher die Angst vor dem Wolf und den wirtschaftlichen Folgen. „Aus meiner Sicht ist ein großes Problem: Lernt ein Wolf, wie er Präventionsmaßnahmen umgehen kann, legt er das Verhalten nicht mehr ab“, so Schmitz.

Für den Herdenschutz bedeutet das großen Aufwand. Die Hellenthalerin verdeutlicht das mit einem Beispiel: Sind keine Tiere auf der Weide, schalten Landwirte oft ihren Elektrozaun ab. Die Konsequenz: Der Wolf lernt, dass er den Zaun überwinden kann. Vermieden werden könne das nur, wenn bei abgeschaltetem Zaun die Litzen samt gespanntem Draht abgehangen werden.

Bereits jetzt gibt es nach dem Bundesnaturschutzgesetz die Möglichkeit, Wölfe zu töten. Über die Ausnahmen entscheidet die Untere Landschaftsbehörde des Kreises. Ausnahmen erlaubt das Gesetz unter anderem, um Nutztierherden oder Menschen zu schützen. Es gilt allerdings: Eine Alternative muss fehlen, und der Erhaltungszustand der Art darf sich nicht verschlechtern. Wölfe befinden sich laut Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in einem ungünstigen Erhaltungszustand.

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Dass der Abschuss von Problemwölfen eine Lösung ist, hält Naturschützerin Schmitz für nicht gesichert. „Vielleicht bringe ich damit die Rudelstruktur durcheinander. Ich weiß nicht, ob dadurch die Tierrisse aufhören und ich das erreiche, was ich will.“ Für sie ist nur klar: Der Wolf gehört zur Natur und wird nicht von selbst verschwinden. „Für uns ist der Wolf normalerweise keine Bedrohung. Wir können das Risiko aber nicht richtig einschätzen.“ Sie hält es deshalb für wichtig, die Menschen mit Öffentlichkeitskampagnen über den Wolf aufzuklären.