In Mechernich wurden Labrador-Mischlinge mit Fehlstellungen aufgenommen – eine Mitarbeiterin hatte den richtigen Riecher und schöpfte Verdacht.
Strafanzeige gegen BesitzerBehinderte Hundewelpen im Mechernicher Tierheim „entsorgt“
„Als ich die Story gehört habe, hatte ich gleich ein komisches Gefühl“, erinnert sich Jana Goebel, Mitarbeiterin des Kreistierheims in Mechernich. Am Donnerstag der vergangenen Woche erschienen zwei Frauen am Tor des Tierheims. Im Gepäck: sechs kleine Labrador-Golden-Retriever-Mix-Welpen. „Die beiden Frauen gaben an, dass sie auf dem Weg nach Grevenbroich die Tiere auf einem Autobahnparkplatz an der A61 bei Weilerswist gefunden hätten. Doch obwohl es an dem Abend gestürmt und geregnet hat, waren die Welpen alle ganz trocken“, berichtet Goebel.
Als sich die Mitarbeiter des Tierheims die erst wenige Wochen alten Welpen genauer anschauen, fällt auf, dass alle Tiere beeinträchtigt sind. „Alle weisen Missbildungen an Pfoten, Gelenken und Beinknochen auf, die zu unterschiedlich stark ausgeprägten Fehlstellungen geführt haben“, so Goebel weiter: „Der Verdacht liegt nahe, dass die Tiere ausgesetzt wurden, weil sie mit ihrer Behinderung schwer verkäuflich sind.“
Tierheim-Mitarbeiterin mit kriminalistischem Spürsinn
Goebel selbst war am fraglichen Abend nicht vor Ort, als die Welpen abgegeben wurden. Als ihr am Tag darauf die Kollegen von den Angaben der beiden Finderinnen berichten, schöpft sie gleich Verdacht, dass die Frauen die Tiere nicht zufällig gefunden hatten. „Sie wollten zunächst keine Angaben zu ihren Personalien machen, hatten angeblich keinen Personalausweis oder Führerschein dabei, obwohl sie mit dem Auto unterwegs waren“, fasst Goebel die Indizien zusammen.
Außerdem hatten die Frauen nicht unmittelbar vor dem Tor des Tierheims geparkt, wo eine Überwachungskamera das Nummernschild des Fahrzeugs hätte dokumentieren können. „Meine Vermutung war, dass die Frauen die behinderten Tiere selbst loswerden wollten“, so die Tierfreundin, die als Teilzeitkraft im Tierheim arbeitet.
Übers Wochenende beginnt Goebel zu recherchieren. Im Internet stößt sie tatsächlich auf eine passende Anzeige: „In Grevenbroich wurden vier Welpen angeboten, die unseren Tieren verdächtig ähnlich sahen, allerdings keine Behinderung hatten.“ Mit fast schon kriminalistischem Spürsinn gelingt es Goebel, Fotos aus Online-Profilen der Anbieter mit den Aufnahmen zu vergleichen, die von den „Finderinnen“ am Tor des Tierheims aufgezeichnet worden waren.
Inzwischen wurden weitere Hunde in Grevenbroich beschlagnahmt
Ihr Verdacht: „Offenbar hat die Besitzerin, die die vier gesunden Welpen im Internet anbietet, ein Familienmitglied losgeschickt, um die kranken Tiere loszuwerden.“ Tierheim-Chef Reiner Bauer informiert das Kreis-Veterinäramt in Euskirchen über den Fall, dort nimmt man Kontakt zu den Kollegen in Grevenbroich im Kreis Neuss auf.
Mit Erfolg: „Bei einer Begehung der Wohnung der Tierhalter am Mittwoch wurden eine einjährige Hündin, ein Rüde sowie sechs weitere Welpen vorgefunden. Alle Tiere befanden sich in einem schlechten Pflege- und Ernährungszustand und wurden umgehend sichergestellt“, teilte Sven Gnädig von der Pressestelle der Kreisverwaltung Euskirchen auf Anfrage mit.
Es bestehe der Verdacht, dass alle Welpen aus demselben Wurf stammen. „Dies soll durch einen Abstammungstest, bei dem Blutproben der Mutterhündin und eines Welpen analysiert werden, abschließend geklärt werden“, so Gnädig.
Physiotherapie soll den sechs Welpen in Mechernich helfen
Aber wie geht es nun weiter mit den sechs behinderten Welpen im Mechernicher Tierheim? „Aktuell versuchen wir zu klären, woher die Missbildungen stammen“, sagt Reiner Bauer. Möglich seien ein Gen-Defekt oder Schäden durch falsche Haltung – etwa, wenn das Muttertier bei der Geburt der Welpen zu wenig Platz hatte und sich auf die frischgeborenen Hundebabys gelegt hat.
„Mit einer langwierigen Physiotherapie könnte es zumindest bei einigen der sechs Welpen möglich sein, die Fehlstellungen zu korrigieren“, sagt Bauer. Wenn die Tiere alt genug sind, könne man auch über eine Abgabe in vertrauenswürdige Hände nachdenken: „Man muss sich allerdings der Tatsache bewusst sein, dass die Behandlung der Tiere sehr teuer werden wird.“
„Pflege und Behandlung der Tiere sind sehr teuer“
Tierheim-Chef Reiner Bauer hat die Hoffnung, dass zumindest einige der sechs beeinträchtigten Welpen erfolgreich behandelt werden können. „Pflege und Physiotherapie für die Tiere sind allerdings sehr teuer“, betont der Vorsitzende des Mechernicher Tierschutzvereins.
Geplant sei nun eine Strafanzeige wegen Tieraussetzung. „Außerdem wollen wir von einem Anwalt prüfen lassen, ob eine privatrechtliche Klage gegen die Besitzer Aussicht auf Erfolg hat, um zumindest einen Teil der uns entstehenden Kosten erstattet zu bekommen“, sagt Bauer.
Bis dahin sei man auf Hilfe angewiesen: „Wir brauchen hochwertiges Welpenfutter, weil die Tiere mangelernährt waren.“ Geldspenden, die das Stichwort „Behinderte Welpen“ enthalten, werden zweckgebunden verwendet, so Bauer. Wer helfen will, kann sich an den Tierschutzverein Mechernich wenden.