Die Nordeifelwerkstätten eröffnen im Mai ihr modernes Qualifizierungs- und Bildungszentrum in dem Neubau am Mechernicher Bahnhof.
Ehemaliges RWZ-GebäudeIn Mechernich ist ein Neubau mit vertrautem Anblick entstanden
Vor knapp zwei Jahren haben die Umbauarbeiten am ehemaligen RWZ-Gebäude am Mechernicher Bahnhof begonnen – jetzt dauert es nicht mehr lange, bis die ersten Mieter einziehen: Bereits Anfang April will der Gesundheitsdienstleister Pro Medik seine neuen Räumlichkeiten nutzen, wie Geschäftsführer Diederik Pauwels im Gespräch mit dieser Redaktion ankündigte (siehe auch „Weitere Mieter“).
Obwohl fast alles neu ist an dem Gebäude, das über 6000 Quadratmeter Nutzfläche und weitere 2000 Quadratmeter Verkehrsfläche verfügt, bietet es den Mechernichern doch einen vertrauten Anblick. „Der 28 Meter hohe, ehemalige Siloturm, der so etwas wie ein Wahrzeichen der Stadt ist, sollte erhalten und einer neuen Nutzung zugeführt werden“, erklärt Norbert Schnotale, Prokurist der H. & P. Schilles Tiefbau GmbH aus Floisdorf.
Zweistelligen Millionenbetrag in den Standort investiert
Neben dem Treppenhaus und den Aufzügen sind in den beiden obersten Etagen des Turms, in dem früher Getreide getrocknet wurde, Wohnungen untergebracht. Auch die Fassadengestaltung ruft mit den verwendeten roten Klinkersteinen Erinnerungen an das ehemalige RWZ-Gebäude wach.
Die Unternehmer Peter und Hubert Schilles haben einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag in den Standort investiert. Als Miteigentümer von zwei der vier Etagen sind die Nordeifelwerkstätten (NEW) beteiligt.
Unter der Leitung von Christina Pötz werden die NEW in Mechernich ihre Angebote aus dem Berufsbildungsbereich zentralisieren. Denn bislang gab es an jedem der vier Werkstattstandorte in Zingsheim, Ülpenich, Kall und Kuchenheim einen eigenen Bereich, in dem meist junge Menschen mit Handicap direkt nach der Schule, aber auch ältere Menschen, die etwa durch physische oder psychische Einschränkungen wie etwa Depression, Burnout oder Psychosen vorübergehend oder dauerhaft aus ihrem bisherigen Arbeitsleben ausscheiden müssen, geschult und fortgebildet werden.
Auf 2800 Quadratmetern Grundfläche entsteht auf zwei Geschossen des Neubaus ein Qualifizierungs- und Bildungszentrum für Menschen mit Behinderung, das „QuBi.Eifel“. „Voraussichtlich im Mai geht es los“, freut sich Pötz auf die neue Tätigkeit. Inklusive Verwaltung werden dann 35 NEW-Mitarbeiter und bis zu 150 Schulungsteilnehmer das Gebäude bevölkern.
Ziel für die Teilnehmer ist ein Platz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
„Unser Ziel ist es, junge Menschen intensiv und innovativ bei ihrem Berufsstart zu begleiten und ihnen damit möglichst eine Chance auf einen Platz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen“, sagt die aus Kärnten stammende QuBi-Chefin. Dazu gibt es erst einmal ein dreimonatiges Eingangsverfahren und im Anschluss daran die zweijährige Berufsbildungsmaßnahme. „Wir testen erst einmal mit den Teilnehmern, wo die Fähigkeiten und Fertigkeiten jedes Einzelnen liegen“, so Pötz.
Es sei aber erklärtes Ziel des QuBi, viele Teilnehmer der beruflichen Bildungsmaßnahmen anhand von Zertifikatslehrgängen mit Anerkennung von Fachschule oder IHK zu zertifizieren. „Das gibt es sonst nicht im Werkstattumfeld, darauf sind wir sehr stolz“, betont Pötz. Dazu werde die Möglichkeit geboten, alles im eigenen Haus zu erledigen.
„Sogar die Prüfungsabnahme durch die IHK-Prüfer kann im QuBi erfolgen. Wir haben dafür alle notwendigen Strukturen geschaffen, von der Lehrküche über Werkstätten für Montage und Holzbearbeitung, Verpackung, Lager, Logistik und Fahrradwerkstatt bis zu PC-Schulungsräumen“, erklärt Pötz: „Und das alles in einer hellen, freundlichen Atmosphäre mit cool und modern ausgestatteten Räumen.“
QuBi-Chefin aus Österreich verfügt über eine vielfältige Ausbildung
Die Österreicherin, die der Liebe wegen in die Eifel kam, kann eine vielfältige Ausbildung vorweisen: Sie verfügt nicht nur über einen Masterabschluss in Nutztierwissenschaften und den Bachelor of Education in Agrar- und Umweltpädagogik, sondern ist auch diplomierte Kinder- und Jugend-Mentaltrainerin. „Mir bringt es einfach sehr viel Freude zu sehen, wie Menschen sich ganzheitlich entwickeln können, und meinen Teil bei der Wegfindung und -beschreitung dazu beizutragen!“
Die vielfältigen Bildungsmöglichkeiten im QuBi beschränken sich dabei nicht auf die rein berufliche Ebene, wie Christina Pötz betont: „Wir vermitteln auch lebenspraktische Fähigkeiten: Ob gesundes Essen zubereiten, Wäsche waschen, wie Banken und Versicherungen funktionieren oder wie man mit modernen Medien umgeht.“
In diesem Zusammenhang sei auch der neue QuBi-Standort in Mechernich ein echter Vorteil, denn er liegt in Sichtweite des Bahnhofs, wo neben den Zügen aus Richtung Kall oder Euskirchen auch verschiedene Buslinien Station machen. „Die ÖPNV-Nutzung kann dazu beitragen, die Selbstständigkeit unserer Teilnehmer zu verbessern. Wo es notwendig ist, können wir die Nutzung auch zusammen mit den Teilnehmern üben“, sagt Pötz. Viele seien bislang auf den Fahrdienst angewiesen gewesen, um zu den NEW-Werkstätten zu kommen. „Mobilität ist ein ganz wichtiges Thema“, hebt die Qubi-Leiterin daher die Bedeutung der ÖPNV-Anbindung hervor.
123 Meter langer Neubau am Mechernicher Bahnhof
Viele Jahrzehnte lang prägten das Kornlager und die Silotürme der Rheinischen Warenzentrale (RWZ) den Bereich rund um den Mechernicher Bahnhof. Die Umbauarbeiten begannen Mitte des Jahres 2022.
Das multifunktionale Gebäude, das auf dem Areal zwischen den Bahnanlagen und den Werkshallen der Deutschen Mechatronics entstanden ist, ist insgesamt 123 Meter lang. Der Turm hat eine Höhe von 28 Metern. Um die Standfestigkeit zu garantieren, musste ein Bodengutachten erstellt werden.
Beheizt wird das Gebäude mit Erdwärme. „Dazu wurden insgesamt rund 70 Geothermie-Bohrungen vorgenommen“, berichtet Norbert Schnotale von der H. & P. Schilles Tiefbau GmbH. Rund 40 Stellplätze bietet die Tiefgarage des Neubaus. „Innen ist schon fast alles fertig, und voraussichtlich bis Mai werden alle Arbeiten abgeschlossen sein“, so Schnotale. (thw)
Weitere Mieter: Pro Medik, Frauenärztin und die Lebenshilfe
Auch die Pro Medik GmbH zieht ins ehemalige RWZ-Gebäude. Die Gesundheitsexperten waren zuletzt gut 20 Jahre im Kreiskrankenhaus Mechernich beheimatet. Nun also ein neuer Standort und moderne Räume. „Wir freuen uns auf die Herausforderung“, sagt Geschäftsführer Diederik Pauwels.
Etwa 70 Mitarbeiter hat Pauwels zufolge die Pro Medik in der Eifel. Mit den Standorten in Hürth und Brauweiler seien es sogar 170. Und es dürften weitere hinzukommen. Der Grund: In Euskirchen wird der Gesundheitsdienstleister ebenfalls einen Standort eröffnen. Laut Pauwels bezieht das Unternehmen im zweiten Quartal 2025 den Office Park II an der Thomas-Eßer-Straße. Auf 600 Quadratmetern werden dann zum Beispiel Krankengymnastik, Massagen, Reha-Sport und medizinische Trainingstherapie angeboten.
„Die Mitarbeiter wollen etwas Neues und freuen sich auf beide Standorte“, so Pauwels. Mit zehn Mitarbeitern habe er damals angefangen, berichtet der Geschäftsführer, der sich im vergangenen Jahr auch einigen Unmut einhandelte, weil er aus Kostengründen das Bewegungsbad im Geriatrischen Zentrum in Zülpich komplett dichtmachte.
Im Kreiskrankenhaus Mechernich fand sich mit der Schwimmschule Wellenbrecher ein neuer Mieter, sonst wären auch diese Wasserzeiten für Schwimmanfänger wohl weggefallen. Für Pauwels ist spätestens im September im Kreiskrankenhaus komplett Schluss. Dann will er mit all seinen Angeboten auf die 800 Quadratmeter im ehemaligen RWZ-Gebäude gezogen sein. Die ersten Gesundheitsleistungen sollen aber bereits ab dem 1. April am neuen Standort in der Nähe des Bahnhofs angeboten werden. „Mit den beiden Standorten sehe ich das Potenzial für 80 bis 100 Mitarbeiter“, so Pauwels.
Auch die Frauenärztin Melanie Schäfer aus Mechernich, die ihre Praxis derzeit noch im Ärztehaus am Stiftsweg hat, soll laut Norbert Schnotale ins ehemalige RWZ-Gebäude umziehen.
Mehrere Wohnungen für Menschen mit Behinderung wird das Heilpädagogische Zentrum Lebenshilfe mit Hauptsitz in Bürvenich in dem Neubau anbieten. Betreutes Wohnen bietet die Lebenshilfe bereits an drei Standorten im Kreis Euskirchen an. (tom/thw)