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WasserversorgungHamsterkäufe und viel Solidarität nach Sabotageverdacht in Mechernich

Lesezeit 3 Minuten
Ein fast leeres Getränkeregal in einem Supermarkt in Mechernich.

In den Supermärkten in Mechernich bildeten sich am Donnerstagabend lange Schlangen, die Menschen versuchen sich mit Trinkwasser einzudecken.

Viele Mechernicher deckten sich noch am Donnerstagabend mit Wasser und anderen Getränken ein. Einige versorgten auch gleich die Nachbarn mit.

Ausnahmesituation in Mechernich und den betroffenen Dörfern. Der Aufforderung der Stadt Mechernich, sich mit Trinkwasser einzudecken, kamen die Bürger nach. In den Super- und Getränkemärkten, beispielsweise im Rewe am Markt in Mechernich, wurden die Regale leergekauft. Augenzeugenberichten zufolge kam es zu ähnlichen Situationen wie zu Beginn der Corona-Pandemie mit Toilettenpapier, Mehl und Hefe. Menschen fuhren mit komplett gefüllten Einkaufswagen voller Mineralwasser und sonstigen Getränken aus den Märkten, im Inneren bildeten sich lange Schlangen an den Kassen. Ein Getränkemarkt in Euskirchen verlängerte die Öffnungszeit spontan bis 1 Uhr.

Auch Idris Bozan und sein Team vom Barber-Shop und der Shisha-Bar gegenüber des Mechernicher Rathauses schleppten Wasser sixpackweise aus dem Kofferraum. Den Feuerwehrleuten, die ihre Einsatzzentrale auf dem Parkplatz hinter ihren Geschäften eingerichtet hatten, brachten sie frisch aufgebrühten Kaffee. Der wurde natürlich nicht mit Wasser aus der Leitung gekocht, sondern mit Wasser aus der Flasche – was wegen des kalkhaltigen Wassers in Mechernich für den Betreiber Standard sei.

Mechernicher Seniorin erhielt die Trinkwassernachrichten übers Telefon

Am Morgen nach dem turbulenten Donnerstagabend wurde in der Stadt und den betroffenen Dörfern weiter über die Ausnahmesituation diskutiert. Anne Krämer stand auf dem Wochenmarkt an einem Gemüsestand mit zwei Freundinnen zusammen – die waren allerdings froh, dass sie nicht von den Einschränkungen beim Trinkwasser betroffen sind, weil sie aus einer anderen Ecke des Stadtgebiets kommen.

Idris Bozan stellt einige Kaffeetassen auf ein Tablett.

Mit Wasser aus der Flasche kochte Idris Bozan Kaffee für die Helfer.

DRK-Gemeinschaftsleiter Sascha Suijkerland mit einem Einkaufswagen voller Getränke im Supermarkt.

Im Einkaufseinsatz für das Rote Kreuz: Mechernichs DRK-Gemeinschaftsleiter Sascha Suijkerland kaufte Getränke ein.

„Wir haben tatsächlich erst durch einen Anruf der erwachsenen Kinder erfahren, was los ist“, blickte Anne Krämer auf den Vorabend zurück. Sie selbst sei in ihrem Alter ja nicht so fit mit Handy und Internet. „Wir haben dann aber sofort alle Nachbarn informiert und Bekannte aus Strempt angerufen. Kurz darauf fuhr dann auch schon die Feuerwehr mit dem Lautsprecherwagen bei uns vorbei“, so die Mechernicherin.

Sie fühle sich gut von der Stadt über die eingeleiteten Vorsichtsmaßnahmen informiert, sagte Krämer. Panik habe das alles bei ihr nicht ausgelöst. Trotzdem seien sie und ihr Mann dann auch noch einmal schnell zum Einkaufen ins Zentrum gefahren: „Wir haben aber nur noch einen Sixpack Mineralwasser bekommen im Supermarkt.“

Junge Mutter aus Mechernich macht sich Sorgen um ihr Baby

Als bedrohlich empfand hingegen Angelique Fischer die Situation am Donnerstag. „Ich habe mir sofort Sorgen gemacht, als ich im Internet von der Warnung gelesen habe. Wenn man ein Baby versorgen muss, reagiert man vielleicht eher so“, überlegte die junge Mutter, die am Freitag mit der drei Monate alten Leonie im Kinderwagen unterwegs war. Zuspruch – und einen kleinen Wasservorrat – bekam sie bereits am Abend von hilfsbereiten Nachbarn.

Den Austausch mit Freunden und Nachbarn suchten bereits am Donnerstagabend etliche Mechernicher, die in kleinen und größeren Grüppchen bis in den späten Abend vor ihren Häusern zusammenstanden. „Ich habe mich unweigerlich an die Zeit der Flutkatastrophe erinnert gefühlt“, sagte ein Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte: „Ich hatte damals fast gar keine Vorräte, was ich inzwischen aber geändert habe.“

Nette Angebote, aber auch üble Scherze in den Sozialen Medien

Allerdings wollten nicht alle Mechernicher so offen über ihre Wasserbevorratung sprechen: Ein Familienvater, der in einem der Außenorte gerade eine größere Zahl an Mineralwasser-Packs aus dem Kofferraum seines Autos auslud, winkte ab: „Das ist unser ganz normaler Wocheneinkauf. Ich habe eine große Familie“, sagt der Mann.

Ein Kontrastprogramm boten die sozialen Medien: Viele nette Angebote gab es aus nicht betroffenen Gebieten, dass Betroffene gerne mit Kanistern vorbeikommen und Wasser abzapfen könnten. Böse Kommentare rief hingegen die Anzeige aus einem Kleinanzeigen-Portal hervor, die ein Nutzer gepostet hatte: „Mineralwasser verschiedene Sorten Notfallration“ stand unter einem Foto, auf dem drei Sixpacks zu sehen waren. Der Preis: „495 Euro zuzüglich Versand“. Wenn dieses (inzwischen wieder gelöschte) Inserat als Scherz gemeint war, so wurde er in dieser Situation jedoch von den Wenigsten als solcher verstanden.