Kamelle-Boykott in KommernGrundschule und Karnevalisten finden Kompromiss
- Das Lehrerkollegium der Katholischen Grundschule in Kommern hatte beschlossen, aus Umweltgründen keine Kamelle zu werfen.
- Nun soll es aber doch Wurfmaterial beim Kinderzug geben, denn der Protest war riesengroß. Sogar die Politik hat sich eingeschaltet.
- Die Schule setzt jetzt auf Klasse statt Masse. Sogar Süßigkeiten wird es vermutlich geben.
Mechernich-Kommern – Der Kinderzug der katholischen Grundschule Kommern findet an Weiberfastnacht statt – und es wird auch Wurfmaterial geben. Das soll allerdings nicht geworfen, sondern den Kindern und Zuschauern am Zugrand in die Hand gedrückt werden. Im Kommerner Kamelle-Knatsch gibt es also ein Happy End.
Auf den Kompromiss haben sich Kommerns Ortsvorsteher Rolf Jaeck, Schulleiterin Maria Cloot-Schmich, die kommissarische Konrektorin Tanja Feuser, Lehrer und Zugleiter Frank Drehsen, die Schulpflegschafts-Vorsitzende Nicole Kleinfeldt und Nicole Reipen von der Karnevalsgesellschaft „Greesberger“ in einem längeren Gespräch am Montag verständigt.
„Nicht spalten lassen”
„Wir haben über alles geredet, was in den vergangenen Wochen bezüglich unseres Kinderzugs passiert ist“, sagt die Rektorin und fügt an: „Die gute Zusammenarbeit zwischen unserer Schule und dem Dorf soll erhalten bleiben. Wir wollen uns nicht durch die Sozialen Netzwerke spalten lassen.“
Der Aufschrei und die Empörung oder gar Anfeindungen gegen die Schulleitung seien sehr kontraproduktiv gewesen, meint Ortsvorsteher Jaeck. Und weiter: „Reden hilft immer, aber das muss offen und ehrlich abgehen – Hintenherum sorgt immer nur für Ärger.“
Naturnahes Wurfmaterial
Beim Wurfmaterial legt die Schule Wert auf Fair-Trade-Produkte. „Es sollen etwa Samentütchen und naturnahe Produkte verteilt werden. Wir werden auch die örtliche Bäckerei Quasten einbeziehen“, kündigt Cloot-Schmich an. Berliner, Mutzen und Quarkbällchen werde es wohl geben. Zudem soll Obst verteilt werden. Die Schule setzt auf Klasse statt Masse. Es sei nicht ausgeschlossen, dass auch Süßigkeiten verteilt würden. Das sei eine Kostenfrage. „Wenn es Fair-Trade-Gummibärchen gibt, die ins Budget passen, werden wir sie kaufen“, so Zugleiter Drehsen.
Man müsse immer an die Kinder denken, lautet das Credo von Ortsvorsteher Jaeck: „Wenn der Zug wegen des Kamelle-Streits abgesagt worden wäre, wären die Kinder die Leidtragenden gewesen.“ Das wäre schade gewesen. Deshalb sei er froh, dass man im Gespräch noch einen Konsens gefunden habe.
Heftige Anfeindungen gegen Kommerner Grundschule
Nach dem Beschluss der Lehrerkonferenz, auf Kamelle im Kinderzug zu verzichten, habe es – vor allem in den Sozialen Netzwerken – heftige Anfeindungen gegeben. „Kolleginnen und Kollegen hatten Angst, im Zug mitzugehen, weil sie dann vielleicht angepöbelt oder sogar beworfen worden wären“, sagt Zugleiter Drehsen. Einen Kinderzug, der nur unter Polizeischutz hätte gehen können, habe man nicht gewollt.
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Der Kinderzug lebe von den Kostümen, nicht so sehr von den Kamelle, meinen Cloot-Schmich und Jaeck. Lehrer, Eltern und Kinder seien immer mit viel Engagement dabei, einen tollen Lindwurm an Weiberfastnacht auf die Beine zu stellen.
Umweltschutz und Brauchtum sollen in Kommern vereinigt werden
Das Lehrerkollegium der Grundschule habe auf das Werfen von Kamelle aus Gründen des Umweltschutzes verzichten wollen. „Wir können doch nicht selber Müll produzieren und dann eine Woche nach Karneval einen Umwelttag im Dorf veranstalten“, meint Rektorin Cloot-Schmich. Dieser wird am Samstag, 29. Februar, stattfinden. Dann wird die Schule mit Bürgern und dem Ortskartell in und um Kommern illegal entsorgten Müll einsammeln.
„Der Schule ist im Vorfeld ihres Beschlusses die Tradition und das Brauchtum des Karnevals in Kommern offenbar nicht ganz so bewusst gewesen“, sagt die KG-Vorsitzende Nicole Reipen. Man wolle die Leute allerdings zum Nachdenken anregen, dass beides möglich sei – Brauchtum und Umweltschutz, so Zugleiter Frank Drehsen: „Als Bildungseinrichtung arbeiten wir das Thema nun mit den Kindern auf.“ Bei den Kindern ihrer Klasse sei der Kompromiss sehr gut angekommen, versichert Lehrerin Tanja Feuser.
Kamelle-Historie
„Brauchtum“. Dieses Wort fiel bei bei der Einigung im Kommerner Kamelle-Knatsch immer wieder. Und tatsächlich: Kein Karnevalszug geht ohne Kamelle und Strüßjer – das galt schon für die ersten Maskenzüge nach der Karnevalsreform von 1823. Der Prinz – damals noch „Held Karneval“ genannt – zog bereits vor 197 Jahren auf einem Triumph-Wagen wie ein feudaler Herrscher durch die Stadt und verteilte als Teil des Zeremoniells Geschenke an seine Untertanen. (tom)
„Der erzielte Konsens ist bei der Karnevalsgesellschaft und den meisten Bewohnern im Dorf gut angekommen“, versichert Reipen. Nach einem Gespräch mit Mitgliedern des Kegelklubs „Söhne Kommerns“ hätten diese ihre Online-Petition in den Sozialen Netzwerken gelöscht.
1000 Teilnehmer werden beim Kinderzug in Kommern mitgehen
Mit rund 1000 Zugteilnehmern rechnet die Grundschule auch in diesem Jahr beim 9. Kinderzug. Denn auch andere Schulen und Kindergärten aus dem Stadtgebiet Mechernich würden sich wieder daran beteiligen. Mit einigen Vertreten habe sie bereits, mit den anderen werde sie noch kurzfristig sprechen, so Cloot-Schmich: „Alle, mit denen ich bisher gesprochen habe, sind von dem Kompromiss angetan.“ Auch sie wollten umweltverträgliche Sachen an die Narren am Wegesrand verteilen, versichert sie. Dazu Rolf Jaeck: „Leuchtende Kinderaugen sind doch das Wichtigste. Jetzt haben wir ein Happy End für alle.“
„Wo ist jetzt das Problem?”
„Eigentlich sollte man den Zug boykottieren“, schreibt eine Frau unmittelbar nachdem der Kompromiss im Internet gepostet worden ist. Dafür erntet sie Zustimmung. Ein anderer kommentiert: „Unfassbar. Da profiliert sich jemand auf dem Rücken der Kinder.“
Aber es gibt auch Zustimmung von einem User: „Wo ist jetzt das Problem? Es gibt Wurfmaterial, nur eben keine eingepackten Kamelle.“
Das sagt die KG Greesberger
„Auch die Karnevalsgesellschaft steht hinter der Entscheidung“, sagt Nicole Reipen, Vorsitzende der KG „Greesberger“. Der gefundene Kompromiss sei ein guter, einer, mit dem alle Beteiligten gut leben könnten. Allerdings stelle er die KG auch vor ein Problem. „Unsere Tollität hat sämtliches Wurfmaterial bereits gekauft. Darauf wird sie nun beim Kinderzug verzichten“, so Reipen. In den kommenden Tagen werde sie noch ein paar Gespräche führen, damit die Tollität nicht mit leeren Händen dastehe. Die 15-jährige Tollität Barbara I. (Elschenbroich) werde die Kamelle beim Rosenmontagszug werfen.
„Ohnehin schwierig, eine Tollität zu finden”
In der heutigen Zeit sei es ohnehin schon schwierig, eine Tollität zu finden. Wenn man dieser nun auch noch vorschreiben müsse, nur Fair-Trade-Kamelle werfen zu dürfen, werde die Suche noch schwieriger, so Reipen: „Wir achten aber bereits seit Jahren darauf, dass wir Klasse statt Masse werfen, weil wir merken, dass viele einfache Kamelle liegenbleiben.“ Beim Rosenmontagszug in Kommern werden laut Reipen erstmals Container aufgestellt, damit die Teilnehmer ihren Müll problemlos entsorgen können. (tom)