Wenn Rivalen zusammenwachsen50 Jahre Kommunale Neugliederung im Kreis Euskirchen
Mechernich-Kommern – Beide liegen zwischen Eifel und Flachland, beide sind vom Bleibergbau geprägt: Mechernich und Kommern teilen sich die gleiche Geschichte. Doch Jahrzehnte – wenn nicht sogar Jahrhunderte – prägte das Konkurrenzdenken die Beziehung zwischen den Orten. Bis heute ist manchmal nicht klar, wer häufiger die Oberhand behalten hat.
Einer, der die Geschichte von Mechernich und Kommern in den vergangenen 50 Jahren beobachtet hat, ist Johannes Ley. Der Lokalpolitiker startete seine politische Karriere in der Gemeinde Veytal, die von Kommern aus verwaltet wurde. Für Ley beginnt die Rivalität zwischen beiden Gemeinden mit Grenzen – Grenzen von Kreisen, Regierungsbezirken, Gerichten, Bistümern. Grenzen, die auch die Menschen trennten. „Und das hat sich in den Siebzigern zunächst nicht geändert. Der Kreis wurde neugegliedert – und nicht wir.“
Der Größere beneidete den Reicheren
Mechernich war mit 12 886 Einwohnern die größere von beiden Gemeinden und wurde nach der Neugliederung das Verwaltungszentrum. Das schürte in Kommern die Angst vor Zentralisierung und Hauptstadt-Allüren. Aber auch in Mechernich war die Politik misstrauisch gegenüber dem neuen Partner, dessen kommunale Finanzen deutlich solider waren. Veytal profitierte von der Wirtschaftskraft des Altkreises Euskirchen. „Wir hätten uns die Klinken vergolden lassen können“, sagt Ley.
Doch das bedeutete nicht, dass der Zusammenschluss der Gemeinden nicht auch Befürworter hatte. In einem Entwurf des Gesetzes zur Neugliederung der Landkreise heißt es: Die Gemeinde Mechernich sei an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit angelangt, Kommern ergänze sie deshalb ideal mit Reserveflächen und Wirtschaftskraft. Bei zwei selbstständigen Gemeinden, die mit ihren Zentralorten so nah beieinander liegen wie Mechernich und Kommern, sei die Gefahr einer Konkurrenz besonders groß – etwa im Hinblick auf Schulen und Einkaufsmöglichkeiten.
Kommern setzte sich durch
Einer der Befürworter kam aus Kommern selbst: Es war der langjährige Gemeindedirektor Norbert Leduc. „Der Gedanke ist Leduc schon früh gekommen“, sagt Ley. Der Kommerner ist damit einer der Vordenker der Kommunalen Neugliederung – er wollte bereits 1966 Veytal über die Kreisgrenzen hinaus mit Mechernich vereinen, lange bevor die Vereinigung der Kreise ein Thema war.
„Leduc hat immer gesagt: Die vereinte Kommune sei wirtschaftlich stärker und könne ihre Daseinsberechtigung stärker nach außen vertreten“, erinnert sich Ley. Doch der Veytaler Gemeindedirektor stieß mit seinen Ansichten nicht auf offene Ohren. Lokalpolitiker aus Mechernich fürchteten in der neuen Kommune eine Dominanz des Veytaler Gemeinderates unter Leduc – und das nicht ganz zu unrecht.
Hartnäckig trat Leduc für Kommern ein und erkämpfte für den Ort unter anderem das Rheinische Freilichtmuseum, den Hochwildpark und den Mühlenpark. Auch im neugebildeten Rat von Mechernich bewiesen die Kommerner ihre Durchsetzungskraft. Für Ley liegt der Grund auf der Hand: „Kommern war immer geschlossen. Mechernich nicht.“ Nicht selten habe er sich mit Vertretern anderer Parteien aus Kommern getroffen und vor Abstimmungen beraten, sagt Ley. „Uns waren die Interessen unserer Bürger wichtiger als Parteigrenzen.“
Zuerst kam die Partei, dann der Ort
Dass das in Mechernich anders war, bestätigt Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick. „Hier kam immer zuerst die Partei, dann der Ort.“
Die Serie zur Kommunalen Neugliederung
Mit dem Aachen-Gesetz, das am 1. Januar 1972 in Kraft trat, wurde das Gebiet des Regierungsbezirks Aachen und des Kreises Euskirchen neu gegliedert. Für die Menschen in den Altkreisen Euskirchen und Schleiden war die Zusammenlegung ein einschneidendes Erlebnis.
Wirtschaft, Natur, Entwicklungsstand – in fast jeder Hinsicht unterschieden sich Nord- und Südkreis damals. Im neuen Kreis trafen zwei Mentalitäten aufeinander, die kaum verschiedener sein könnten. Konflikte zwischen Nordeifelern und Tieflandbewohnern waren programmiert.
Mittlerweile sind 50 Jahre vergangen. Viele Hoffnungen der damaligen Politik haben sich erfüllt, aber auch die Kritiker sollten Recht behalten. In dieser Serie beleuchtet die Redaktion die Neugliederung – immer mit der Zukunft im Blick. Wir haben mit Zeitzeugen und Entscheidern von heute gesprochen, in Archiven und historischen Sammlungen recherchiert.
Im Mittelpunkt der Serie stehen Fragen wie: Sind alte Rivalitäten noch immer ein Thema? Welche unsichtbaren Grenzen gibt es zwischen den Altkreisen? Wie stände ein theoretischer Eifelkreis Schleiden-Monschau heute da? (maf)
Echte Rivalitäten – die hat Schick, Jahrgang 1961, aber selbst nicht mehr erlebt. „Wir haben direkt fraktionsübergreifend gearbeitet. Sicherlich gibt es bei den Vereinen noch die eine oder andere Rivalität.“ Nicht selten seien Mechernicher Vereine Sturm gelaufen, wenn stadtweite Veranstaltungen in der Bürgerhalle Kommern stattgefunden hätten, sagt Schick.
Mittlerweile setzt aber auch bei den Vereinen ein Umdenken ein. Selbst sportliche Erzfeinde wie der TuS Mechernich und der VfL Kommern wollen zusammenarbeiten. Dass vor allem in Mechernich das Konkurrenzdenken schnell vergessen war, führt Schick auf die Bürger zurück. „Durch die Bundeswehr und das Kreiskrankenhaus sind viele zugezogen, die keinen Bezug mehr zur alten Rivalität haben.“ Auch der Bürgermeister ist klarer Gegner der historischen Grenze. Die territoriale Aufsplitterung des Bleiberggebietes sei ein wesentlicher Grund für das Ausbleiben des wirtschaftlichen Durchbruchs in den vergangenen Jahrhunderten gewesen, so Schick.
Physisch bleiben beide Orte getrennt
Fest steht: Mechernich und Kommern werden zusammenwachsen – aber nicht physisch. Eine bauliche Vereinigung der größten Orte im Stadtgebiet hält Schick für ungünstig. „Beide Orte haben natürliche Grenzen. Es kann nicht das Ziel sein, Kommern über die Bundesstraße hinaus zu entwickeln“, sagt Schick. Sport-, Musik- und andere Kulturvereine würden sich aber jetzt schon über Ortsgrenzen hinweg zusammenschließen.
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Dass aus zwei Orten langsam einer wird, zeigt sich auch an anderer Stelle – während des Brunnenfestes am 13. und 14. August etwa. An einem Tag feiert die Stadt in Kommern, am anderen in Mechernich.