Blei im Mechernicher BodenFragen und Antworten zu den Blutuntersuchungen
Mechernich – Menschen, die viel im Garten arbeiten, sowie Kinder im Vorschulhalter gehören vor allem zur Zielgruppe für die freiwilligen Blutuntersuchungen in Mechernich. Um zu erfahren, wie sich das reichlich vorhandene Blei im Mechernicher Boden auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirkt, sollten vorrangig Menschen untersucht werden, die viel mit diesem Boden in Berührung kommen oder bei denen sich Blei besonders auswirken könnte, sagt Christian Ramolla, der stellvertretende Leiter des Kreisgesundheitsamtes. Die Fachleute sprechen von einem Worst-Case-Kollektiv.
Am Montag, 6. Mai, findet ab 17 Uhr in der Aula des Mechernicher Turmhof-Gymnasiums die Infoveranstaltung zum geplanten Blutscreening statt. Es soll Licht ins Dunkel bringen: Wie gefährlich ist das Blei im Boden für die Gesundheit der Menschen, die dort leben?
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Warum finden die Untersuchungen statt?
Im trockenen Sommer des vergangenen Jahren beklagten Anwohner, dass in den Baugebieten im Norden der Kernstadt zu wenig getan werde, um die Staubbildung des in Mechernich überdurchschnittlich bleibelasteten Bodens zu vermeiden. Auch Bewohner des Wohngebiets Vierwege zeigen sich besorgt. Dort ergaben Messungen Werte von 2000 bis 5000 Milligramm Blei pro Kilogramm Erde.
Die Stadt Mechernich hat kürzlich neue Bodenuntersuchungen vornehmen lassen. Die Ergebnisse lägen aber noch nicht vor, teilte der Beigeordnete Thomas Hambach am Montag auf Anfrage mit. Für Kinderspielplätze gilt ein Prüfwert von 200, für Wohngebiete von 400 Milligramm pro Kilo. Ab diesen Werten sind Vorsichtsmaßnahmen angesagt. Der Kreis kommt dem nach, indem er den Bewohnern unter anderem empfiehlt, Obst und Gemüse aus den Gebieten gründlich zu waschen. Möhren sollten geschält werden, Wirsing wegen seiner rauen und damit schlecht zu reinigen Haut erst gar nicht angebaut werden. Auf Spielplätzen werde Sand vom Boden getrennt, so Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick (CDU). Darüber, ob das ausreicht, sollen die Untersuchungen Erkenntnisse liefern.
Was bedeuten die Werte für die Gesundheit?
Darüber soll am Montag Professor Dr. med. Thomas Kraus in der Versammlung Auskunft geben. Er ist Leiter des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der RWTH Aachen und federführend bei den Blutuntersuchungen und deren Auswertung.
Es herrscht noch viel Unklarheit in Mechernich. Auf der Internetseite „Leben in Mechernich“ teilen Bürger mit, welche möglichen Gefahren sie befürchten. Dort ist von Krebsgefahr, möglicher eingeschränkter Intelligenzentwicklung bei Kindern sowie Beeinflussung der sexuellen Entwicklung bei Jungen und Mädchen die Rede.
Die Stadtverwaltung Mechernich erklärte: Die Mediziner im Kreiskrankenhaus in Mechernich hätten bisher keine Auffälligkeiten wegen des Schwermetalls festgestellt. Trotzdem nehme der die Sorgen der Bürger ernst, versicherte Bürgermeister Schick.
Dass Blei, wenn es übermäßig stark in den Körper gelangt, gesundheitsgefährdend ist, scheint allerdings klar. Das Kreisgesundheitsamt zählt zu den Risikogruppen folgende Personenkreise: nicht oder frühzeitig abgestillte Säuglinge, Kinder, besonders mit ausgeprägtem Pica-Verhalten (Essen von Dingen, die als nicht genießbar gelten, etwa Sand), Frauen im gebärfähigen Alter, Personen mit Mangelernährung (Eisen-, Calcium-, Zink-, Phosphatmangel erhöhen die Bleiresorption im Magen-Darmtrakt), Personen mit einem genetisch bedingten Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel, Hypertoniker und Diabetiker und Personen, die beruflich Umgang mit Blei haben.
Sind die Anwohner also automatisch gefährdet?
„Es ist keinesfalls so, dass ein erhöhter Bleigehalt im Boden bedeutet, dass automatisch eine Gesundheitsgefahr besteht“, sagt Mediziner Ramolla. Das Blei müsse zunächst in das Blut des Menschen. Eine Bleiaufnahme über intakte Haut sei nahezu ausgeschlossen. Nur wenn bleihaltige Partikel, etwa Erdanhaftungen an Obst und Gemüse, einen Weg in den Körper fänden, könne das zu einer Aufnahme führen. Auch über das Einatmen bleihaltigen Staubs kann Blei in den Körper gelangen.
Wer nimmt die Untersuchung vor?
Das Kreisgesundheitsamt in Kooperation mit dem Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der RWTH Aachen. Das Ordnungsamt der Stadt Mechernich sowie die Abteilungen Geoinformation, Umwelt und Gesundheit des Kreises sind ebenfalls beteiligt.
Welche Erkenntnisse soll die Untersuchung bringen?
Sie sei ergebnisoffen, so Ramolla. Es solle festgestellt werden, ob Handlungsbedarf besteht. Dabei werde ein bundesweiter Referenzwert zugrunde gelegt, so der stellvertretende Leiter des Kreisgesundheitsamtes. Dieser Wert betrage 35 Mikrogramm (µg, ein Mikrogramm = 0,001 Milligramm) pro Liter Blut bei Kindern (3-14 Jahre), 30 µg/l bei Frauen (18-69 Jahre) und 40 µg/l bei Männern (18-69 Jahre).
Der Kreis-Mediziner stellt aber auch klar: Referenzwerte haben primär keinen gesundheitlichen Bezug. Sie sagen lediglich aus, wie hoch im Bundesdurchschnitt ein Stoff im Blut der Normalbevölkerung nachweisbar ist. „Von diesen Werten weichen immer rund fünf Prozent der Bevölkerung ab“, so Ramolla.
Insofern wird die Frage ermittelt, ob der Bleigehalt des Blutes bei den Menschen in Mechernich stark von dem der deutschen Gesamtbevölkerung abweicht. Sollte das der Fall sein, bedürfe es weiterer Maßnahmen.
„Ob sich dem Screening eine weitere Blutuntersuchung anschließt, wird Prof. Kraus in seinem Abschlussbericht empfehlen müssen“, erklärt Ramolla: „Hierzu muss sicher neben dem prozentualen Anteil der ,Abweichler’ auch das individuelle Risikoprofil und das individuelle Laborergebnis beurteilt werden.“