Ergebnisse ungültig?Mechernicher Kinder werden erneut auf Blei im Blut getestet
Mechernich – Die Erleichterung war groß, als am 2. September des vergangenen Jahres die Ergebnisse des Blutscreenings in Mechernich bekanntgegeben wurden. Bei keinem der 506 Probanden sei ein Bleiwert im Blut gemessen worden, der als gesundheitlich bedenklich zu werten sei, erklärte Untersuchungsleiter Thomas Kraus, Professor für Arbeitsmedizin an der RWTH Aachen, in einer Bürgerversammlung mit rund 200 Teilnehmern.
Und der Professor stellte auch fest: „Es gibt derzeit keine Hinweise auf eine erhöhte Belastung bei Kindern.“ Das war den Verantwortlichen besonders wichtig, weil Körper von Kindern Blei leichter aufnehmen als die von Erwachsenen. Laut Kraus wurde in keinem der 32 Tests, die bei Kindern vorgenommen wurden, der bundesweite Referenzwert erreicht.
Änderung der Referenzwerte
Diese Aussage stimmte damals. Doch nur wenige Wochen später haben sich die Referenzwerte geändert. Darauf hatte vor wenigen Tagen der frühere Chefarzt der Kinderabteilung am Kreiskrankenhaus Mechernich, Dr. Jörg Schriever, hingewiesen. Zur Zeit der Ergebnisbekanntgabe des Screenings lag der Referenzwert für Kinder im Alter von 3 bis 14 Jahren bei 35 Mikrogramm pro Liter Blut.
Doch schon Ende September 2019 sind die Referenzwerte gesenkt worden, hat Schriever auf Anfrage beim Umweltbundesamt (UBA) erfahren. Die neuen Referenzwerte liegen nun für Jungen der Altersgruppe 3 bis 10 Jahre bei 20 Mikrogramm/Liter. Für alle Mädchen von 3 bis 17 Jahren und Jungen von 11 bis 17 Jahren gilt ein Referenzwert von 15 Mikrogramm pro Liter. In einem Schreiben des UBA heißt es mit Blick auf die Mechernicher Untersuchung: „Die aktuellen Werte führen dazu, dass die Auswertung der Screening-Studie diesbezüglich überarbeitet werden muss und diese Ergebnisse dann auch in die Gesamtbewertung einfließen müssen.“
15 bis 28 Prozent über dem gesetzlichen Referenzwert
Dieser Forderung schlossen sich die Mechernicher Grünen vor wenigen Tagen an. „Es liegen also fünf bis neun Kinder – je nach Geschlechterverteilung– beziehungsweise 15 bis 28 Prozent der getesteten Kinder über dem aktuellen gesetzlichen Referenzwert“, heißt es in einer Mitteilung des Stadtverbands.
Laut Untersuchungsleiter Kraus wird der Abschlussbericht zu den Untersuchungen derzeit fertiggestellt. „Selbstverständlich werden dabei die neuen Referenzwerte auch mit berücksichtigt“, teilte Kraus auf Anfrage dieser Zeitung mit. Landrat Günter Rosenke geht noch weiter: „Bereits jetzt hat das Gesundheitsamt des Kreises die von den neuen Referenzwerten betroffenen Personen ermittelt und bietet diesen ein erneutes Blutscreening und eine individuelle Beratung an.“
Ergebnis erscheint in einem neuen Licht
Es handele sich um sieben Kinder im Alter zwischen 6 und 14 Jahren. Zwei weitere Kinder im Alter von 3 und 8 Jahren würden ebenfalls in die Nachuntersuchung einbezogen, da deren Werte nahe den neuen Referenzwerten gelegen hätten. Diese Blutuntersuchung werde zu einem Zeitpunkt angeboten, der den klimatischen Bedingungen des ersten Untersuchungszeitraums ähnelt, um mögliche Umwelteinflüsse zu erfassen, führte Rosenke aus.
Das könnte Sie auch interessieren:
Zieht man diese neuen Referenzwerte für die Bluttests in Mechernich heran, erscheint das Ergebnis des Blutscreenings in der Tat in einem neuen Licht. Denn demnach befindet sich eine Reihe der damals 32 getesteten Kinder über dem neuen Referenzwert: auf jeden Fall die drei Kinder, bei denen 20 bis 25 Mikrogramm gemessen wurden, und die zwei Kinder, die mehr als 25 Mikrogramm pro Liter Blut aufwiesen.
Betroffene werden nun kontaktiert
Aus der Grafik zur Studie wird nicht deutlich, wie viele der vier Kinder, bei denen 15 bis 20 Mikrogramm gemessen wurden, Mädchen zwischen 3 und 17 Jahren und Jungen zwischen 11 und 17 Jahren sind. Daher bleibt zunächst unklar, wie viele weitere Kinder Werte oberhalb des für sie aktuell gültigen Referenzwertes von 15 Mikrogramm aufwiesen. Messergebnisse und Personendaten liegen dem Gesundheitsamt jedoch vor, sodass die Betroffenen nun kontaktiert werden können.
Was aber sagt das über deren Gesundheit aus? Professor Kraus hat deutlich gemacht, dass den Referenzwerten keine gesundheitsbezogene Bedeutung zukomme. Sie sagten lediglich aus: 95 Prozent der gesunden Bevölkerung haben niedrigere, fünf Prozent der gesunden Bevölkerung höhere Bleikonzentrationen im Blut – daher der Zusatz RV95. Sie werden im Rahmen bundesweit angelegter Gesundheitsstudien ermittelt.
Auch die „Bürgerinitiative für ein gesundes und lebenswertes Mechernich“ stellt mit Bezug auf die neuen Referenzwerte und das Blutscreening fest: „Es bedeutet nicht, dass die Kinder jetzt mehr krank sind als vorher.“ Dennoch sei zu prüfen, auf welchem Weg dieser Blei-Anteil in den Körper gelangt. „Diese Quellen müssen gefunden und zukünftig möglichst reduziert werden“, fordert die Initiative. Sie fordert zudem eine längerfristige und repräsentative Untersuchungen.