Gefahr für BäumeWeißbeerige Misteln breiten sich im Kreis Euskirchen aus
Kreis Euskirchen/Holzheim – Einem keltischen Druiden würden bei dem Anblick vielleicht wohlige Schauer über den Rücken laufen. Dicke, grüne Puschel hängen in den Pappeln, die unterhalb von Holzheim an einem Bach stehen. Es sind Misteln, Schmarotzerpflanzen, die ihre Berühmtheit nicht zuletzt den Asterix-Comics verdanken, in denen der Druide Miraculix aus ihnen den berühmten Zaubertrank braut, mit dessen Hilfe die Gallier sich der Übermacht der römischen Legionen erwehren.
Doch das mit dem Zaubertrank verweist Dr. Elke Sprunkel direkt ins Reich der Legende. „Das war eher die gelbe Mistel, die auf Eichen siedelt und vor allem in Süd- und Südosteuropa vorkommt“, erklärt die Biologin. In diesem Falle handele es sich um die Weißbeerige Mistel, botanisch Viscum Album – und dabei um die Unterart der Laubholzmistel.
Sprunghafte Ausbreitung der Mistel im Nordkreis
Und diese macht der Streuobstspezialistin der Biologischen Station keine Freude. Denn die Pflanzen breiten sich gerade im nördlichen Kreisgebiet sprunghaft aus und bedrohen rund 40 Laubholzarten. Darunter sind vor allem Apfel-, aber auch Birnbäume, deren Pflege Sprunkel am Herzen liegt.
Die Mistel
Naturschutz
Unter Naturschutz steht die Mistel nicht. Nach Angaben von Elke Sprunkel handele es sich bei ihr nicht um eine besonders geschützte Art. Daher könne sie von Privatgelände oder aus gewerblichen Kulturen wie Gärten oder Streuobstwiesen problemlos entfernt werden. (sev)
Wildwachsende Pflanzen
Bei wildwachsenden Pflanzen sei die Lage jedoch anders. Da sei es laut Bundesnaturschutzgesetz generell nicht gestattet, diese ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen. Somit sei die Mistel nicht größeren Sammelaktionen zugänglich, informiert die Biologin. Die Entnahme der Pflanze sei nur mit besonderer Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde möglich. Exemplare, die beispielsweise vom Sturm vom Baum geworfen würden, dürften aber bedenkenlos gesammelt werden. (sev)
Botanik
Botanisch gilt die Mistel als ein Halbschmarotzer, da sie der Wirtspflanze zwar Wasser und Nährstoffe entzieht, aber selbst Photosynthese betreibt. Die Pflanze treibt lange Saugwurzeln in das Holz des Wirtsbaumes, bis sie die Leitungsbahnen erreicht. Wenn diese Wurzeln nicht entfernt werden, keimt die Mistel immer wieder neu, bis die Wirtspflanze schließlich eingeht. (sev)
Um über die Lage zu informieren, initiierte sie ein Online-Seminar über das Spannungsfeld zwischen Misteln und Streuobstwiesen. 80 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet interessierten sich für das Thema.
Drosseln verbreiten die Misteln im Kreis Euskirchen
„Das ist hier eine typische Situation“, sagt sie und deutet auf die mit Misteln übersäte Pappelreihe im Tal. Derartige Bäume würden selten gepflegt, da sie weder im Bereich eines Weges stehen noch als wertvoll angesehen werden. Doch für Drosseln, die die Misteln verbreiten, seien sie ein beliebter Anflugort. Die Vögel fressen die weißen Beeren, in denen die Samen stecken.
Deren Besonderheit demonstriert Sprunkel. Die Samen seien von einer klebrigen, unverdaulichen Schleimhülle umgeben. Entweder versuchen die Vögel, die klebrigen Reste an einem Ast abzustreifen – oder sie scheiden die unverdaulichen Samen später aus. Dann hängen die Samen in langen Fäden von den Bäumen, bis sie an einem Ast klebenbleiben und auskeimen.
Wie stark die Ausbreitung der Mistel ist, kann man an dem Bachlauf zwischen Holzheim und Weiler am Berge sehen. Direkt neben den Pappeln steht eine Robinie, die stark befallen ist. Ein etwa 100 Jahre alter Apfelbaum wehrt sich noch tapfer.
Auch die Bäume auf einer Streuobstwiese am Rand von Weiler am Berge zeigen starken Befall, in den Bäumen am Rand der Landstraße nach Mechernich sind erste Misteln zu sehen. Durch den Klimawandel werde die Ausbreitung in Richtung Südkreis begünstigt. „Die Mistel liebt Wärme“, sagt Sprunkel.
Mit zwei kleinen Blättchen fängt es an
Zu Beginn des Befalls seien es nur zwei kleine Blättchen, die entfernt werden müssten. „Wenn die Mistel erst einmal da ist, ist es zu spät. Dann kriegt man sie kaum noch weg“, so Sprunkel. Gerade bei Kulturpflanzen sei das nur mit intensiver Pflege möglich: „Ich möchte die Menschen aufrufen, ihre Streuobstwiesen zu pflegen und alle Misteln zu entfernen.“ Wenn die Pflanzen überhand nehmen, habe das in der Regel zur Folge, dass der Baum eingehe. „Die Lebensdauer der Bäume wird begrenzt“, stellt sie klar.
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Kleine Misteln können einfach mit einer Astschere abgeschnitten werden, treiben aber wieder aus. Größere Exemplare müssen mit einem etwa einen halben Meter langen Aststück des Wirtsbaums entfernt werden. „Da die Mistel nach vier Jahren Beeren austreibt, müssen die Streuobstwiesen alle vier Jahre gepflegt werden“, rät Sprunkel.