Der Pranger mit Internet-Zugang1,5 Tonnen schwere Installation in Monschauer Altstadt
- Ein Thron aus Stein, ein Zerrspiegel, ein QR-Code und ein WLAN-Symbol.
- Die Nachricht der Künstler ist eigentlich offensichtlich: Was im Mittelalter der Pranger war, ist heute das Internet.
- Das hat es mit der tonnenschweren Installation in der Monschauer Altstadt auf sich.
Monschau – Monschau. Rund 20000 Euro kostete der neue Pranger in der Altstadt von Monschau. Doch dem im Mittelalter üblichen Zweck dient der nicht: Es wird niemand zur Schau gestellt und dem öffentlichen Spott ausgeliefert. Wer auf dem thronartigen Sitz Platz nimmt, macht sich freiwillig öffentlich – auch im Internet über den WLAN-Hotspot des Platzes. Und er wird vielleicht irritiert durch den Blick in einen Zerrspiegel vor ihm. Das alles ist von den Initiatoren genau so gewollt.
Verglichen mit der Drastik und Folter der öffentlichen Zurschaustellung von Straftätern, die mit Eisenketten auch in Monschaus Altstadt im Mittelalter an den Pranger gestellt wurden, ist dieses Plätzchen beim Amtsgericht einfach nur friedlich. Es gibt weder einen alten Holzpfahl noch die ollen Ketten, durch die man als Tourist fürs Foto mal spaßeshalber – wie andernorts – die Hände stecken könnte.
Pranger auf dem Resi-Schumacher-Platz
Resi-Schumacher-Platz wird die Baulücke an der Laufenstraße von den Monschauern nur genannt. Der Grund: Dort brannte vor rund 15 Jahren das Wohnhaus von Frau Schumacher in einer Winternacht ab. Nun sieht man jenseits des Grundstücks auf das Gemäuer des einstigen Monschauer Gefängnisses. Doch das ist das Einzige, was dort auf den ersten Blick an Justiz und Gerichtsbarkeit erinnert.
Nun ist in Monschau der neue Prangerplatz eingeweiht, unweit der vermutlich historischen Stelle des mittelalterlichen Prangers in der Altstadt.
Kunstinstallation begehbar
1,5 Tonnen schwer ist die Installation. Darunter musste aus statischen Gründen von Mitarbeitern des städtischen Bauhofs gar ein neues Fundament gegossen werden.
Die Besucher sind eingeladen, auf einem überdimensionierten Thron aus Grauwacke Platz zu nehmen. Die Lehnen aus Schiefer waren einst Treppenplatten in der Altstadt. Über diesem seltsamen Sitz ist erst ein konkav gewölbter Spiegel aus Scherben installiert. Und dann ist ganz oben das bekannte WLAN-Logo zu sehen, das bei Dunkelheit beleuchtet ist. Um was mag es sich handeln? Ist es nur ein weiterer, etwas seltsamer Hotspot für das kostenlose Internetangebot der Stadt Monschau?
Spiegel sollen Neugierig machen
Genau diese Verunsicherung ist von den Initiatoren gewollt. Denn wenn Besucher, die tatsächlich auf dem Pranger-Thron im Internet surfen, den Blick ein wenig schweifen lassen, fällt er auf einer Stele gegenüber in einen in Augenhöhe angebrachten zweiten, konvex gewölbten Spiegel. Und dann beginnt das Verwirr- und Verwandlungsspiel: Man sieht sich gespiegelt über den Reflektor hinten auf der Lehne, aber nur komplett verzerrt.
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Genau dieses Spieglein, Spieglein-Spiel soll neugierig machen. Darauf hoffen zumindest Stephanie Binding, Künstlerin aus Aachen, und Hajo Peters, Vorsitzender des Kunst- und Kulturvereins Haus Troistorff. Der Verein finanzierte das 20000 Euro teure Projekt zu 100 Prozent aus Spenden. Ein QR-Code, zu finden auf der Stele mit dem kleinen Spiegel vor dem Pranger-Thron, darf bei einer solchen Installation auch nicht fehlen. Darüber erhalten die Interessierten Antworten.
Internet als Pranger
Erklärt wird da, was der tiefere Sinn der neuen Sehenswürdigkeit ist, die nach zweijährigen Vorarbeiten mit Monschauer Handwerkern errichtet wurde. Wer den Code auf seinem Smartphone eingescannt hat, erfährt, welche Gedanken sich die Künstlerin zum Thema Pranger und Internet – genauer den Sozialen Netzwerken – gemacht hat.
„Das Internet ist in manchen Bereichen nichts anderes als der moderne Pranger“, so Künstlerin Binding: „In den USA werden hier öffentlich Straftäter zur Fahndung ausgeschrieben.“ Die Sozialen Netzwerke, in denen Hassposts und Manipulationen inzwischen fast an der Tagesordnung sind, seien nichts anderes: Sie prangern andere an, verunglimpfen und beleidigen sie.
„Soziale Plastik“
Wer sich so als Pranger- Besucher in Monschau spiegelt und dank des QR-Codes und über das kostenlose WLAN im Internet recherchiert, der wird unweigerlich selbst ein Teil der Installation und aktiv in einer „Sozialen Plastik“. So nannte bereits der Aktionskünstler Joseph Beuys die aktiven Teilnahme- und Gestaltungsprozesse von Kunstbetrachtern im Kontakt mit der Kunst.
Ob diese Effekte und auch die gewollte Aufklärung über modernes und traditionelles Pranger-Verständnis bei den Besuchern des Plätzchens an der Laufenstraße erreicht werden? Stephanie Binding und Hajo Peters hoffen es. Sie wissen zumindest, dass es einen solchen Pranger in der Region kein zweites Mal gibt.
Zur Geschichte des Monschauer Prangers gibt es weitere Informationen im Internet: