Nachwuchs macht HoffnungVon Ramers’ Sieg sollte sich die SPD nicht blenden lassen
- Die Kommunalwahl ist vorbei und lieferte teilweise überraschende Ergebnisse.
- Doch wo stehen die wichtigen Parteien? Welche Lehren sollten sie ziehen? Diesen Fragen gehen wir in einer Serie nach.
- Heute: die SPD.
Kreis Euskirchen – Gut, dass Franz Müntefering da war. Wer, wenn nicht dieses sozialdemokratische Urgestein, das einige Siege, aber auch nicht wenige Niederlagen in seinem politischen Leben erfahren hat, hätte Markus Ramers besser trösten können? Mehr als 30 Prozent Gegenstimmen bei der ersten Wiederwahl zum Kreisparteichef – das saß. „Er hat alle politischen Talente“, machte der alte Fuchs „Münte“ als Stargast auf dem Kreisparteitag im Sommer 2015 dem ziemlich geknickten Ramers Mut: „Der Markus wird seinen Weg machen.“
Er hat ihn gemacht. Fünf Jahre danach steht Ramers wenige Wochen davor, Landrat im Kreis Euskirchen zu werden.
Und seine SPD? Natürlich kam Freude auf am Sonntagabend, Jubel, Beifall, Umarmungen, soweit Corona dies zuließ. Doch angesichts des kreis-historischen Ereignisses, infolgedessen das Landratsbüro im übertragenen Sinne erstmals politisch rot gestrichen wird, war die Begeisterung eher maßvoll. Kann sein, dass die Genossen im Feiern von Wahlsiegen etwas aus der Übung sind. Doch vielleicht schwante dem einen oder anderen auch, dass der Kater danach schmerzvoll werden könnte, dass das Hoch „Markus“ die Tiefs nicht lange wird verdrängen können. Sie werden vernommen haben, dass die SPD vorrangig mit drei Argumenten im Wahlkampf unterwegs war: 1. Ramers, 2. Ramers, 3. Ramers.
Frischzellenkur
Dass der Freilinger in seinem Wahlbezirk Blankenheim bei der Kreistagswahl sagenhafte 50 Prozent holte und vielleicht auch woanders das SPD-Ergebnis pushte, hat sicher dazu beigetragen, dass die SPD mit kreisweit 1,4 Prozentpunkten Verlust weitaus besser dasteht als die einst an Rhein und Ruhr so stolze Partei im Landesschnitt. Bezeichnend auch, dass die einzigen drei Kommunen Blankenheim (plus 3,3 Prozentpunkte), Hellenthal (3,9) und Kall (7,4), in denen die SPD bei den Ratswahlen zugelegt hat, zu Ramers Hochburgen zählen.
Die nächsten Wahlen warten schon
Wie geht es weiter im SPD-Kreisvorstand? Der künftige Landrat Markus Ramers wird sich vom Vorsitzenden-Posten in Bälde zurückziehen, weil er Parteivorsitz und Landratsamt für nicht vereinbar hält. Daher werden seine Stellvertreter Helena Vitt und Thilo Waasem die Partei wohl bis zur turnusmäßigen Wahl im Frühjahr führen.
Denn die Bundestagswahl im kommenden und die Landtagswahl im darauffolgenden Jahr wollen vorbereitet sein. Waasem weiß nach eigenem Bekunden noch nicht, ob er den Vorsitz übernehmen will. Als Mitarbeiter der SPD-Landtagsfraktion wird er auch als Direktkandidat für 2022 gehandelt. „Darüber“, so Waasem, „habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.“ (sch)
Unter dem Strich bleibt bei nüchterner Betrachtung: Ramers wurde von vielen nicht wegen, sondern trotz der SPD gewählt. Landrat wird er in wenigen Wochen nur, weil er erfolgreich in anderen Gewässern – bis in die der CDU hinein – gefischt hat. Die Genossen haben ihn unterstützt, Parteivize Thilo Waasem tapfer die Angriffe der CDU auf Ramers abgewehrt, während der Chef, bereits ganz auf Landrat gepolt, sich clever aus dem politischen Kleinkrieg heraushielt und währenddessen auch als „Schwiegermutter-Traum“ und „Kumpeltyp“ reüssierte, wie es CDU-Kreisparteichef Detlef Seif durchaus anerkennend formulierte.
Diesen Orden kann sich der Kreisverband stolz an die Brust heften – zumal in einer Partei, in der Spitzenkandidaten auf Bundes- und Landesebene nicht selten aus der zweiten, dritten oder wievielten Reihe auch immer gerne mal wirkungsvoller Knüppel zwischen die Beine geworfen werden, als es der politische Gegner je könnte. So wären die Genossen im Kreis gut beraten, bei aller Freude übers Ramers’ Sieg die Schwächen nicht zu übersehen, die die Kommunalwahl auch zutage förderte. Die liegen etwa dort, wo sie sich aus den Kämpfen um die Bürgermeisterzimmer vollkommen heraushielten: in Nettersheim, in Dahlem und, besonders auffällig, im prestigeträchtigen Bad Münstereifel.
Dass eine SPD, die sich als Volkspartei sehen möchte, in der Kurstadt das Rennen kampflos der CDU-Bürgermeisterin überlässt, kann und darf nicht der Anspruch ihrer Führung sein. Geradezu kläglich auch der Versuch, in Weilerswist im Bunde mit CDU und FDP den parteilosen Alexander Welter mit den besten Wünschen in den Kampf mit Amtsinhaberin Anna-Katharina Horst (parteilos) zu schicken, um sich danach ziemlich gerupft in einem Trio der Verlierer wiederzufinden: CDU minus 9 Prozentpunkte, FDP minus 1,9 und SPD minus 13,5 (Rat). In Blankenheim waren die Genossen immerhin im Siegerteam mit UWV, FDP und Grüne, das Jennifer Meuren erfolgreich aufstellte.
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In Euskirchen hat die SPD keinen ihrer Genossen aufgestellt, aber immerhin mit der Nominierung des parteilosen Sacha Reichelt auf den richtigen Mann gesetzt. Dass Reichelt sich von der SPD aufstellen ließ, aber dann schon fast aufreizend darauf hinwies, keiner Partei anzugehören, haben die Euskirchener Sozialdemokraten mangels personeller Alternative geschluckt. Letztlich hat hier Stadtparteichef Fabian Köster-Schmücker ganze Arbeit geleistet. Er ist einer aus der Riege junger Leute, die Ramers seit seinem Amtsantritt als Kreisparteichef 2013 nach und nach aufgebaut hat.
Die jungen Wilden in der SPD haben es zum Teil geschickt verstanden, das Ruder so elegant zu übernehmen, dass es die Älteren geschehen ließen oder durch die Arbeit mit dem Nachwuchs gar eine Frischzellenkur verspüren, wie etwa der 61-jährige Facebook-Dauerposter Karl Vermöhlen, der nach der Wahlparty mit geradezu väterlichen Stolz in sein Endgerät tippte: „Der Senior der Kaller SPD-Ratsfraktion musste schon heim – feiert noch schön! Toll mit so vielen jungen Leuten und politischen Talenten weiter arbeiten zu können. Ich habe wieder so richtig Lust auf Politik!“ Mit einer Mischung aus jugendlichem Elan, personalisiert durch den 28-jährigen Ortsvereinschef Emmanuel Kunz, und der in Jahrzehnten angehäuften Erfahrung, vertreten durch den Wahlkreissieger Vermöhlen, hat die Kaller SPD die dortige politische Szene aufgemischt, mit einem Plus von 7,4 Prozentpunkten im Rat die CDU als stärkte Fraktion abgelöst und ganz nebenbei die für die leidgeprüfte SPD optimistische These untermauert: Dort, wo sie den Wählerinnen und Wählern ein attraktives (personelles) Angebot macht, hat sie Chancen, auch einstmals schwarze Hochburgen zu erobern.
Als Gegenexemplar dient hier Mechernich. Hier ist es dem ebenfalls noch jungen Dustin Gemünd als Stadtparteivorsitzendem nicht gelungen, die Partei geschlossen aufzustellen. Die Querelen, die vor Monaten zum Parteiaustritt des ehemaligen Fraktionschefs Wolfgang Weilerswist führten, dürften nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass die SPD bei den Ratswahlen in der ehemaligen Bergbaustadt um 5,3 Punkte auf erbärmliche 17,3 Prozent bei abrutschte.
Von „Münte“ lernen
Wer auch immer Ramers auf den Stuhl des Kreisparteivorsitzenden folgen wird, er oder sie steht vor großen Herausforderungen. Ramers wird den Genossen im Clinch mit den politischen Gegnern nur bedingt helfen können. Als Landrat unterliegt er der Neutralitätspflicht.
Mit Blick aufs Wahljahr 2025 wäre es auch geradezu dumm, sich in solchen Scharmützeln aufzureiben. Nur wenn die SPD ihren Vorsprung in der Außendarstellung ausbaut und aus dem überaus erfolgreichen und modernen Wahlkampf „ihres“ Landrats die richtigen Lehren zieht, kann sie den Nachteil, voraussichtlich nicht mehr als Teil einer Kreistagsmehrheit Erfolge wie zum Beispiel die Senkung der Kita-Beiträge verkünden zu können, kompensieren.
Ansonsten gilt, um noch einmal den eingangs erwähnten Franz Müntefering zu zitieren, die traurige Weisheit: „Opposition ist Mist.“