Gut zwei Jahre war die einstige Eifelhöhen-Klinik in Marmagen Notunterkunft des Landes für bis zu 750 Geflüchtete. Die Zeit endet in wenigen Wochen.
Einstige Eifelhöhen-KlinikUnterkunft für Geflüchtete wird geschlossen – Wie geht es weiter?

Leergeräumt und funktional gestaltet ist der Bereich der Anmeldung in der ehemaligen Eifelhöhen-Klinik. In wenigen Wochen ist auch die Zeit des Hauses als Notunterkunft für Geflüchtete Geschichte.
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Eine bemerkenswerte Entwicklung hat die Notunterkunft gemacht, die die Bezirksregierung Köln Anfang 2023 in der einstigen Eifelhöhen-Klinik in Marmagen an den Start brachte. Vom Sorgenkind mauserte sich die Einrichtung unter Mithilfe vieler engagierter Personen zu einem Vorzeigeprojekt. Doch in sechs Wochen, am 30. April, ist Schluss, dann wird das markante Gebäude wieder leer stehen.
Bereits jetzt luden das DRK, zuständig für die Betreuung der Geflüchteten, und das Begegnungsteam aus Marmagen zu einem Fest ein – um sich zu verabschieden und um sich bei allen Beteiligten für die gelungene Kooperation zu bedanken. 70 Personen hatten sich angemeldet, darunter Hauptdezernent Philipp Sieben von der Bezirksregierung Köln, Landrat Markus Ramers und Bürgermeister Norbert Crump. Sie beleuchteten die Entwicklung und gaben Ausblicke.
Was waren die Probleme rund um den Start der Unterkunft?
Schon die Grundkonstellation bot Sprengstoff. In die leerstehende Klinik in direkter Nachbarschaft zum 1500-Seelen-Ort Marmagen sollten in einer Notunterkunft des Landes NRW bis zu 750 Geflüchtete einziehen. Schon vor dem Start wurde es schwierig: Der Vertrag mit dem Unternehmen BOS 112, das im Sommer 2022 die Ausschreibung für die Betreuung gewonnen hatte, wurde von der Bezirksregierung im Oktober 2022 wieder gekündigt. Im Hauruckverfahren erhielt der DRK-Kreisverband Euskirchen den Zuschlag.
Dazu kam die Kommunikationsstrategie der Bezirksregierung, die sich oft in Schweigen hüllte und bis zum Abschiedsfest an diesem Wochenende keine Besuche von außen in der Einrichtung zuließ. Auch hieß es zunächst, es sollten ukrainische Kriegsflüchtlinge in Marmagen untergebracht werden. Doch dies wurde revidiert: Noch vor dem Start hieß es, dass die Herkunft der Geflüchteten keine Rolle spiele.
Im Frühsommer 2023 drohte die angespannte Stimmung zu kippen, als im Ort Einbrüche und Diebstähle bekannt wurden. Auch die Polizei schlug Alarm: 63 Straftaten registrierte sie in den ersten fünf Monaten des Jahres in Marmagen, 23 davon in der Notunterkunft. Im Vorjahreszeitraum waren es 15 Straftaten.
Wie wurde die schwierige Situation in den Griff bekommen?
Markus Ramers, als Landrat auch Leiter der Kreispolizei, erinnerte an das erste Halbjahr 2023. Und dass man vor den Problemen nicht die Augen verschlossen habe, sondern dass Ideen entwickelt und Lösungen gefunden worden seien. Die Präsenz der Polizei wurde erhöht, das Ordnungsamt kontrollierte regelmäßig, die Zahl der Straftaten ging zurück. In Form von Bürgersprechstunden wurde das Gespräch mit den Anwohnern gesucht. Bereits im Juli 2023 konnte die Polizei ihre Sprechstunden mangels Nachfrage einstellen, das Ordnungsamt blieb noch mehrere Monate präsent.

Die Arbeit in Marmagen lobte Philipp Sieben von der Bezirksregierung Köln.
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Seine Erfahrungen als ehemaliger Bewohner schilderte Farhad Molla Khalilzadeh Band.
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„Die Sorge war schon, dass etwas passieren könne“, sagte Bürgermeister Crump. Dort, wo viele Menschen zusammenkommen, könne es immer Probleme geben. Doch man habe die Geschicke selbst in die Hand genommen, die Gemeinde habe gut mit Kreis, Polizei und Bezirksregierung zusammengearbeitet. Es seien Standards eingeführt worden, die bis dahin eben nicht Standard gewesen seien. Dazu habe, so Crump, auch beigetragen, dass die Bezirksregierung gesehen habe, was nötig war.
„Ich würde die Verbesserung der Situation auf die gute Arbeit vor Ort zurückführen“, so Philipp Sieben von der Bezirksregierung Köln. Das System der „Störerverlegung“ durch die Bezirksregierung hat wohl auch seinen Teil zum Gelingen beigetragen. Dabei werde versucht, problematische Bewohner voneinander zu trennen und in andere Einrichtungen zu bringen. Ein Allheilmittel sei das aber nicht: „Diese Leute verschwinden nicht, sie bleiben im landesweiten System.“ Und andere könnten kommen, die wieder Probleme verursachen. Jedoch sagt Sieben auch, dass die Zahl der Intensivtäter im Promillebereich liege.
Zwei weitere Faktoren nennt Crump: Das DRK sei ein Glücksfall gewesen. Und das Begegnungsteam sei der Garant für das Miteinander gewesen, so dass Marmagen ein guter Gastgeber für Schutzsuchende geworden sei.
Wie ist der aktuelle Stand in der einstigen Eifelhöhen-Klinik?
In Zeiten der Vollbelegung waren in der Unterkunft in Marmagen rund 750 Geflüchtete untergebracht. Diese Zahl wurde bereits heruntergefahren, Neubelegungen gibt es nicht mehr. Am Samstag waren noch rund 300 Menschen in der Einrichtung. Davon werden Anfang der Woche rund 200 Menschen an andere Standorte gebracht.

Spartanisch eingerichtet sind die Zimmer, in denen die Geflüchteten untergebracht wurden.
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Aus Brandschutzgründen sind die Zugänge zum Treppenhaus vergittert und mit einer Tür versehen.
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Bis zum 31. März werden alle Bewohner die Einrichtung verlassen haben. Dann heißt es für die Mitarbeiter des DRK, die Zimmer und die für die Unterkunft genutzten Bereiche zu räumen, bevor sich am 30. April die Tore endgültig schließen.
Für Manfred Poth vom Begegnungsteam ist das ein Unding. „Schade, dass das Gebäude dann leer steht. Marmagen ist ideal für Flüchtlinge.“ Grundsätzlich fordert er Veränderungen in der Asylpolitik – etwa, dass die Menschen so schnell wie möglich in Arbeit gebracht werden müssten. Er sei von vielen Geflüchteten dahingehend angesprochen worden. „Abschreckung ist der falsche Weg, wir müssen die Menschen da abholen, wo sie sind.“
Wie engagierten sich die Marmagener rund um die Unterkunft?
Das Engagement der Marmagener hat überregional Beachtung gefunden. Bereits im April 2023 gab es die ersten Ansätze, als eine Müllsammelaktion mit Bewohnern der Unterkunft und Marmagenern stattfand – die Burkhard Ohlerth bis heute jeden Freitag um 16 Uhr anbietet. Auch wurden Geflüchtete zum Sportfest der SG 69 eingeladen.

Mit dem Ehrenamt des Monats zeichnete Landrat Markus Ramers (l.) Caoimhe Mund und Burkhard Ohlerth stellvertretend für das gesamte Begegnungsteam aus.
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Derweil konstituierte sich beim Team des DRK ein Umfeldmanagement, das Kontakt zu den Marmagenern aufnahm und eine Vielzahl von Veranstaltungen organisierte: Schach- und Tischtennisturniere, Kunst- und Musikveranstaltungen, Plätzchenbacken. „Ich führe das Gelingen auf die funktionierende Vereinsstruktur in Marmagen zurück“, sagte Manfred Poth, der zugleich Vorsitzender des Vereinskartells ist: Das Begegnungsteam sei direkt auf die Vereine zugegangen, so dass alle mit ins Boot genommen worden seien – was wiederum für gute Stimmung gesorgt habe.
Zwei Mitglieder des Begegnungsteams, Caoimhe Mund und Burkhard Ohlerth, wurden von Ramers stellvertretend für das komplette Team mit dem Titel „Ehrenamt des Monats“ ausgezeichnet.
Wie wertet die Bezirksregierung Köln die Zeit in Marmagen?
Philipp Sieben, als Hauptdezernent für die Unterbringung von Geflüchteten zuständig, dankte im Namen der Bezirksregierung den Beteiligten für ihre Arbeit. Die Bezirksregierung, das räumte er unumwunden ein, sei nicht immer ein einfacher Nachbar. Häufig rege sich Widerstand oder Bürgerinitiativen werden gegründet, wenn bekannt werde, dass eine Flüchtlingsunterkunft eingerichtet werde. „Wenn es dann funktioniert, legt sich der Protest“, sagte er. Marmagen sei ein Beispiel dafür, wie so etwas funktionieren könne. Er sei stolz, dass dieses Fest so gefeiert werden könne.
Derzeit werden die Bewohner auf andere Einrichtungen des Landes verteilt. An zwölf Standorten ist laut Sieben derzeit Platz für rund 8000 Menschen: „Das ist ein ständiger Prozess, wir haben das vorgeplant.“ Ziel sei, eine Kapazität für 10.000 Menschen im Land vorzuhalten. Derzeit sei die Zahl der Belegungen zwar gesunken, doch bedingt durch verschiedene Faktoren gebe es Schwankungen – etwa durch die Jahreszeiten.
Wie geht es mit den DRK-Mitarbeitern weiter?
Die Übernahme der Betreuung in der Notunterkunft in Marmagen sei eine große Herausforderung gewesen, sagte der Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands Euskirchen, Rolf Klöcker. Der Vertrag sei kurzfristig geschlossen worden. Im Ort habe es Vorbehalte gegeben.
95 DRK-Mitarbeiter sind laut Klöcker in Marmagen tätig. Es sei gelungen, für knapp ein Drittel eine andere Stelle zu finden, etwa in der ZUE in Euskirchen. Ansonsten sieht es derzeit nicht so gut aus. Klöcker: „Wir haben uns umgeguckt, um uns auch auf andere Betreuungsangebote zu bewerben, aber da gibt es leider nichts Konkretes.“ In Marmagen sei toll gearbeitet worden, lautet sein Fazit – auch in Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlern. Es sei schade, wenn es aufhöre.
Was sagen die Mitarbeiter des DRK-Betreuungsteams?
„Es gab schöne Zeiten, doch es war auch herausfordernd“, sagte Lisa Pfeil, Leiterin des Betreuungsdienstes. Ein tolles Team habe sich in Marmagen zusammengefunden, mit ganz verschiedenen Ausbildungen und Fähigkeiten – es sei einzigartig gewesen. „Jeder, der hier arbeitet, bringt viel Herzblut ein.“ Man habe für die Menschen gearbeitet, um ihnen Stabilität und ein Zuhause zu bieten. Wenn es Konflikte gegeben habe, was bei 800 Menschen, 750 Bewohnern und 50 Betreuern unvermeidbar sei, sei es im Großen und Ganzen gut gelungen, sie zu lösen.
Viele Bewohner würden gerne in Marmagen bleiben. Sandra Barlach vom Umfeldmanagement: „Es gibt einige ehemalige Bewohner, die in den Fußballvereinen in Keldenich und Blankenheim spielen“. Denn auch wenn die Zuweisung anerkannter Asylbewerber in die Kommunen zentral über Arnsberg erfolgt, können diese angeben, welche Kommunen sie bevorzugen.
Was sagen aktuelle und ehemalige Bewohner der Unterkunft?
So sehr die aktuellen Bewohner von der Stimmung in Marmagen angetan sind, so mulmig ist ihnen vor der Verlegung in andere Einrichtungen. „In zwei Tagen komme ich nach Wegberg“, sagt etwa Alik Poladyan aus Armenien, der 14 Monate in Marmagen war. Hier habe es ihm gefallen. Wegberg sehe er mit Angst entgegen, da er im Internet ein Video gesehen habe. „Nicht gut, nicht gut“, sagte er. Und eines ist ihm ganz wichtig: Er wolle arbeiten, nicht herumsitzen.
Auch Redeer Jamaal, Kurde aus dem Irak, wird nach Wegberg kommen. Wenn sein Asylverfahren abgeschlossen ist, will er zurück in die Gemeinde Nettersheim: „Die Leute sind perfekt, ich will wieder zu ihnen.“ Er kenne hier die Menschen vom Sportverein, weil er gerne Tischtennis spiele. Als Doppelpartner von Landrat Ramers beim Tischtennisturnier des Begegnungsteams hinterließ er einen bleibenden Eindruck. „Er hat mir zu meinem einzigen Tischtennis-Sieg in den letzten Jahren verholfen“, so Ramers.
Farhad Molla Khalilzadeh Band aus Kurdistan ist es gelungen, nach seiner Anerkennung in der Gemeinde zu blieben und nach Zingsheim zu kommen: „Ich bin von der dunklen Seite auf die helle Seite gekommen.“ Dieser Ort habe ihm alle Möglichkeiten gegeben. Zur Zeit mache er einen Integrationskurs. Dann wolle er gerne, wie in seiner Heimat, als Tischler arbeiten.
Was geschieht mit dem Gebäude der ehemaligen Eifelhöhen-Klinik?
„Wir sind in Gesprächen mit Interessenten“, sagte Dirk Isenberg, Vorstand der MedNation AG, wie die Eifelhöhen-Klinik AG seit der Umfirmierung 2022 heißt. Dabei stimme er sich mit Bürgermeister Crump ab. Er spricht von einer Gesundheitseinrichtung in dem Gebäude – was er direkt als Herausforderung bezeichnet. „Bei einer Rehaklinik würden wir die Verträge mit den Kassen bekommen.“ Jedoch seien für einen solchen Betrieb rund 500 Beschäftigte erforderlich: „Das trauen wir uns nicht zu.“
Dann besteht in dem mehr als 50 Jahre alten Haus ein hoher Sanierungsaufwand. Während die Schadstoffsanierung laut Isenberg gemäß eines Gutachtens mit rund 500.000 Euro noch überschaubar sei, müssten für die Sanierung 20 bis 25 Millionen Euro in die Hand genommen werden. Gerade der Brandschutz und die energetische Situation sind die Knackpunkte. „Zum Beispiel sind die Treppenhäuser sehr weitläufig, was aber für den Brandschutz nicht sein darf“, erläuterte er.
Die MedNation AG sei bereit, das Gebäude an einen Investor abzugeben. „Die Zahl ist nachrangig, uns kommt es auf das Konzept an“, betonte er. Das Hauptproblem sei die Größe des Gebäudes. Es sei aber auch denkbar, dass nur ein Teil genutzt werde.
Was geschieht mit dem Marmagener Begegnungsteam?
Mit unübersehbarer Freude haben die Ehrenamtler des Betreuungsteams sich engagiert. Dass sie nicht mehr gebraucht werden, finden sie unwahrscheinlich. „Wir gehen von Zuweisungen aus, von denen wir bisher verschont wurden“, sagte Poth. Die Truppe habe funktioniert – und sie sei bereit, sich weiter zu engagieren.
Ein Ball, den Kerstin Brandhoff vom DRK nur zu gerne aufnahm. Marmagen habe gezeigt, dass Integration und Menschlichkeit Hand in Hand gehen könnten. Es wäre gut, wenn das Netzwerk aufrechterhalten werde.