Eine Gefahr für Mensch und TierJakobskreuzkraut breitet sich auch im Kreis aus
Nettersheim – Manchmal sind es kleine Dinge, die den Menschen tiefe Freude bereiten können. Wie die zugegebenermaßen attraktive, kleine Raupe, die Stefan Meisberger am Bahnübergang in Nettersheim entdeckt. „Und das ist der Blutbär“, ruft er und zeigt auf die abgefressenen Stiele des Jakobskreuzkrautes, an denen sich eine kräftig geringelte Raupe gütlich tut. Aber so viele davon auf einer Pflanze habe er noch nicht gesehen, staunt er.
Mit dem Leiter der Biostation in Nettersheim durch einen Ort zu gehen, ist aber ohnehin schon ein Abenteuertrip in die Welt der verborgenen Wunder der Botanik. An jeder Ecke vermag er mit ansteckender Begeisterung eine spannende Geschichte über ein Kraut zu erzählen, dass in einer Mauerritze ein vermeintlich kümmerliches Dasein führt. „Dass der Blutbär die Lösung für das Problem mit dem Jakobskreuzkraut sein soll, halte ich für eine Legende“, sagt Meisberger.
JKK schädigt der Leber
Denn es gibt in der Tat ein Problem mit dem Jakobskreuzkraut. Die gelb blühende Pflanze breitet sich immer weiter auf Wiesen und Wegen aus. Eigentlich völlig unbedenklich, denn es handelt sich um ein heimisches Gewächs, das bei den augenblicklichen klimatischen Gegebenheiten ideale Bedingungen vorfindet. Doch das Jakobskreuzkraut und auch seine nahen Verwandten sind giftig und stellen die Landwirte bei der Heumahd vor große Aufgaben. JKK, wie es knapp genannt wird, enthält so genannte Pyrrolizikinalkaloide, die die Leber schädigen. Besonders tückisch ist dabei, dass das Gift sich im Körper nicht abbaut, sondern lebenslang wirksam ist.
Die Pflanze ist eigentlich als Futter bei Tieren unbeliebt, denn sie schmeckt bitter. Doch im Heu ist sie für Rinder und Pferde nicht zu unterscheiden und wird mitgefressen. Dabei sei das bei Pferden in der Regel ein größeres Problem als bei Rindern, sagt Meisberger. „Möglicherweise ist das so, weil sie einen kürzeren Verdauungstrakt haben und deshalb das Gift konzentrierter aufgenommen wird“, erläutert er.
Langfristige Wirkungen nicht zu unterschätzen
Rund 40 Gramm frisches JKK pro Kilogramm Lebendgewicht werden bei Pferden als tödliche Dosis angenommen, rund 140 Gramm bei Rindern. Im Heu reduziert sich die Dosis. Zwei Kilogramm getrocknetes JKK sind ausreichend, um etwa ein 350 Kilogramm schweres Islandpferd zu töten. Nicht zu unterschätzen sind die langfristigen Wirkungen bei niedrigerer Dosis auf die Leber.
Regelmäßig ist die Biostation damit befasst, da viele Landwirte auf den extensiv bewirtschafteten Flächen im Vertragsnaturschutz Heu machen. „Wer Heu verkauft, muss es eigentlich giftfrei liefern“, erklärt Meisberger. Das sei allerdings nur mit Handarbeit zu gewährleisten. Denn die Pflanze sei widerstandsfähig und treibe auch nach einem Beschnitt wieder aus. „Für uns kann es dazu führen, dass Flächen im Vertragsnaturschutz nicht verpachtet werden können“, so der Leiter der Biostation.
Freiwilligendienst unterstützt Landwirte
Die Bundesfreiwilligendienstler der Biostation unterstützen die Landwirte und rupfen die Pflanzen aus den Wiesen. Gegen das Jakobskreuzkraut, so Meisberger, helfe nur langer Atem. Oft sei eine gelbe Fläche nach Rupfen grün und nach wenigen Tagen wieder gelb. „Vor allem früh reagieren“, sagt er. Dass die Pflanze sich so ausgebreitet habe, dürfte mit den Trockenheitsschäden auf den Weideflächen zusammenhängen, vermutet Meisberger. Denn offene Böden bieten dem JKK erst die Möglichkeit, sich zu verbreiten.
Naturschützer warnen vor einer Verteufelung des Jakobskreuzkrautes. Immerhin sei es Bestandteil der heimischen Flora und wertvolle Futterpflanze für eine Vielzahl von Arten, wie beispielsweise dem Blutbär.
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Dass der nicht die Lösung für das Problem ist, ist übrigens bereits am Nettersheimer Bahnhof zu sehen. Denn auch wenn die Stengel des JKK völlig abgefressen und voller Raupen sind, blüht die Pflanze trotzdem. Dabei erlebt Meisberger direkt am Bahnübergang eine Überraschung. „Das wusste ich noch nicht, dass der Blutbär auch auf das Raukenblättrige Kreuzkraut geht, davon habe ich noch nie gehört“, staunt der erfahrene Botaniker und bückt sich, um das Phänomen mit dem Handy festzuhalten.