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WeihnachtskrippeRassismus-Diskussion in der Nettersheimer Pfarrkirche – Bistum will Fall prüfen

Lesezeit 4 Minuten
Eine Missionsspardose (li.), die eine dunkelhäutige Frau mit einem Kind auf dem Schoß darstellt, ist Teil der Kirchenkrippe der Pfarrkirche St. Martin in Nettersheim.

Die Missionsspardose (links), im Volksmund „Nick-Männchen“ genannt, gehört seit Jahrzehnten zur Nettersheimer Kirchenkrippe. Aber gehört sie heute noch dorthin?

In der Nettersheimer Kirche wird seit Jahrzehnten eine aus heutiger Sicht problematische Figur aufgestellt. Das Bistum will den Fall prüfen.

Kann eine Krippenfigur rassistisch und diskriminierend sein? Diese Diskussion wurde bereits im vergangenen Jahr schon einmal in Nettersheim geführt, als sich ein Besucher der Pfarrkirche St. Martinus schriftlich an den Pfarreirat wandte. Im Mittelpunkt stand dabei eine Figur, die eine dunkelhäutige Frau mit einem kleinen Kind auf dem Schoß darstellt.

Wirft man ein Geldstück in den integrierten Einwurfschlitz, fällt die Münze auf ein Metallplättchen im Inneren der Figur, das mit dem Kopf verbunden ist. Die Figur „bedankt“ sich mit einem Nicken für die milde Gabe.

Figur gehört in Nettersheim „traditionell“ zur Weihnachtskrippe

„Wir haben intern im Pfarreirat über die Figur gesprochen und sind zu dem Schluss gekommen, dass es keine rassistische Darstellung ist“, sagt die Vorsitzende des Gremiums, Regina Schruff: „Sie gehört für uns traditionell zur Krippe dazu.“ Deshalb stehe das „Nick-Männchen“, wie viele Nettersheimer die Figur nennen, auch in diesem Jahr wieder an der Krippe. Andere nennen sie allerdings „Nick-Neger“, da auch diese Bezeichnung in früherer Zeit geläufig war. Heute wird die Bezeichnung „Neger“ im öffentlichen Sprachgebrauch als stark diskriminierend eingestuft und ist deshalb verpönt.

Detailansicht der Missionsspardose an der Kirchenkrippe der Pfarrkirche St. Martin in Nettersheim.

Die Nettersheimer Missionsspardose zeigt eine dunkelhäutige Frau mit einem Kind auf dem Schoß. Weil der Figur eine untergeordnete und hilfsbedürftige Position zugewiesen wird, sehen Kritiker darin eine rassistische Darstellung.

Kulturhistorisch betrachtet, handelt es sich bei der Figur um eine Missionsspardose: Die ersten Figuren dieser Art entstanden wahrscheinlich um 1850 in Süddeutschland, weiß das Online-Lexikon Wikipedia. Ihr Aufkommen habe in direktem Zusammenhang mit der sich in dieser Zeit wandelnden deutschen Kolonialpolitik gestanden: Mit den Truppen kamen gleichzeitig die Missionare, die die Einheimischen zum christlichen Glauben bekehren sollten.

Missionsspardosen haben ihren Ursprung in der Kolonialzeit

Die Missionsspardosen dienten dabei der finanziellen Unterstützung der Missionsarbeit. Die Figur stellte meistens einen Schwarzen dar, wurde aber auch als Abbildung eines Chinesen, Indianers (eine Fremdbezeichnung, die ebenfalls als diskriminierend gilt), Mexikaners, Inders oder auch eines Engels gearbeitet.

Zeitgenössisch wurden in den Einheimischen kindliche, unterentwickelte Völker gesehen, die man zu einer „höheren Gesinnung“ habe führen müssen. Durch die Symbolik der Sammeldosen habe man ihnen eine untergeordnete und hilfsbedürftige Position zugewiesen, bei der sie als Bittsteller den überlegenen Kolonialherren Dankbarkeit zeigten. Wegen dieses Aspekts sprechen Kritiker heute von einer rassistischen Darstellung.

„Wir wollen nicht dadurch provozieren, dass wir die Figur auch in diesem Jahr wieder aufgestellt haben“, betont Regina Schruff. Es gehe allein um das Sammeln von Spenden. „In der Gemeinde sind auch zahlreiche junge Mütter engagiert. Uns allen war es wichtig zu zeigen, dass es viele Menschen und Kinder auf der Welt gibt, denen es nicht so gut geht wie uns“, so Schruff weiter.

Bistum Aachen macht keine Vorgaben zur Krippen-Gestaltung

Pater Wieslaw Kaczor von der GdG Steinfeld, der als Pfarradministrator auch für die Nettersheimer Kirche zuständig ist, ist die Problematik durchaus bewusst: „Wir haben da bereits drüber gesprochen. Aber bei der Gestaltung der Krippen lasse ich den Helfern vor Ort absolut freie Hand.“ Ihm sei nicht bekannt, ob es eine Regelung des Bistums zur Verwendung der „Nick-Männchen“ gebe.

„Es gibt keine Vorgaben seitens des Bistums Aachen bezüglich der Gestaltung von Krippen“, erklärt dann auch Anja Klingbeil, stellvertretende Pressesprecherin des Bischöflichen Generalvikariats in Aachen auf Anfrage dieser Zeitung: „Vielfach werden die Krippen in den Kirchen von Ehrenamtlichen in mühevoller Kleinarbeit aufgebaut, für dieses ehrenamtliche Engagement sind wir sehr dankbar. Inhaltlich zuständig sind die Kirchengemeinden, die sicherlich sehr verantwortlich damit umgehen.“

Kindermissionswerk sammelt Spenden heute mit Papierkrippen

Mit der fraglichen Figur sei in der Nachkriegszeit die Kollekte für den sogenannten Weltmissionstag der Kinder gesammelt worden, so Klingbeil weiter: „Diese Kollekte gibt es bis heute. Das Geld kommt über das Kindermissionswerk Die Sternsinger Kinderhilfsprojekten weltweit zugute.“

Seit vielen Jahren erstelle das Kindermissionswerk bereits Papierkrippen oder Opferkästchen, „die die benannte Figur abgelöst haben, so dass diese nur noch äußerst selten zu sehen ist“, so die Bistumssprecherin.

Auch in Marmagen steht ein „Nick-Männchen“ an der Kirchenkrippe

Nur wenige Kilometer von Nettersheim entfernt findet sich in diesen Tagen jedoch eine weitere Figur: In der Pfarrkirche St. Laurentius in Marmagen steht ebenfalls ein „Nick-Männchen“ an der Krippe – im Gegensatz zur Nettersheimer Figur ist sie allerdings hellhäutig und sie trägt eine Kette mit einem Kreuz um den Hals.

Missionsspardose aus der Marmagener Pfarrkirche, die am Rand der Weihnachtskrippe steht.

Auch in der Marmagener Pfarrkirche gibt es ein „Nick-Männchen“, das am Rand der Weihnachtskrippe steht. Im Gegensatz zur Nettersheimer Figur ist sie jedoch hellhäutig.

„Wir werden prüfen, ob der Einsatz einer solchen Figur generell überhaupt noch zeitgemäß ist, oder ob es nicht zumindest einer begleitenden historischen Einordnung bedarf“, sagt Klingbeil mit Blick auf die Nettersheimer Darstellung.

Und auch Regina Schruff will nicht um jeden Preis an der Figur festhalten, wie sie sagt: „Wir sind ja nur Laien. Wir würden uns nicht gegen eine Weisung des Bistums stellen“, so die Pfarreirats-Chefin: „Die Kirche hat ganz sicher noch andere Probleme, die wichtiger sind als das Aufstellen einer Krippenfigur.“