HilfstransportMarmagener bringt ukrainische Familie nach Deutschland
Nettersheim-Marmagen – Die Anstrengungen sind ihnen noch anzusehen, auch wenn Thomas Claßen, Ralf Oetinger und Silas Furchert geschlafen haben. In der Nacht sind sie, nachdem sie mit zwei Transportern Hilfsgüter an die ukrainisch-polnische Grenze gefahren haben, in ihre Heimatorte zurückgekehrt: Claßen nach Marmagen, Oetinger und Furchert nach Düsseldorf, um kurz auszuruhen und die nächste Tour vorzubereiten.
Bereits am Vorabend hatte sich wieder ein Transport auf den Weg gemacht, denn das provisorische Spendenlager in Stall, Garage und auf der Terrasse der Marmagener Burg ist immer noch übervoll. „Wir nehmen auch nichts mehr an“, kündigt Claßen an. Denn ihre Transportkapazitäten sind erschöpft. Oetinger und Furchert werden wieder auf ihrer Dienststelle bei der Düsseldorfer Polizei erwartet, Claßen muss am Montag auf der Polizeiwache in Schleiden seine Arbeit aufnehmen. Der vierte Mann vom privaten Spendenkonvoi, Clemens Herold, geht bereits wieder seiner Arbeit nach. Claßen fährt noch eine weitere Tour: Am Donnerstagabend hat er sich mit dem Sprinter, der ihm kostenlos zur Verfügung gestellt wird, wieder auf den Weg nach Polen gemacht.
Organisation von Hilfsgütern in Polen läuft gut
Wieder ist eine Flut von Spenden in Marmagen angekommen, nachdem Claßens Mann Bernd Thrum eine Liste mit Gütern veröffentlicht hatte, die benötigt werden. „Danach sind Leute losgegangen und haben die Baumärkte leergekauft. Da war kein einziger Verbandskasten mehr zu bekommen“, sagt Claßen schmunzelnd. Die Menge an Spenden sei nicht mehr zu bewältigen. „Wir brauchen einen Lkw, um die Sachen wegzubekommen“, so Claßen. „Bei uns habe ich die Garage vom Nachbarn vollgeräumt, der weiß noch gar nichts davon“, fügt Oetinger hinzu. „Ich sammele nicht mehr weiter“, kündigt Claßen an.
Weitere Hilfslieferung
Frauenberger sucht Transporter
Hilfslieferungen für die Ukraine organisiert auch der Bundespolizist Tobias Weber. Unter anderem Babykleidung, Medikamente, Tourniquets zum Abbinden von Wunden und Isomatten lagert Weber in Frauenberg, um sie zunächst ins polnische Breslau und dann zur ukrainischen Grenze zu bringen.
Gedacht sind die Hilfsgüter für Menschen in Iwano-Frankiwsk. Der Ort im Westen der Ukraine und sein Militärflughafen sind bereits Ziel von Luftangriffen der russischen Armee geworden. Laut Weber wird dort mehrmals täglich durch Sirenen vor Angriffen gewarnt.
Für das Vorhaben benötigt Weber noch ein großes Fahrzeug. „Wir haben so viel Material, dass wir noch nicht hundertprozentig wissen, wie wir es in die Ukraine kriegen“, sagt der 34-Jährige. Er sucht deshalb nach einem Anbieter aus dem Kreis Euskirchen, der einen Transporter für die Hilfslieferung zur Verfügung stellen kann. Erreichbar ist Weber unter Tel. 0172/1 33 53 16. (maf)
„Es muss keiner Angst haben, die Region Korczowa an der Grenze zur Ukraine ist vollkommen sicher“, betont Furchert. Die Polen seien gut organisiert. „Wir haben unsere Sprinter hingestellt, dann wurden die Hilfsgüter sofort in bereitstehende Transporter umgeladen und in die Ukraine gefahren“, beschreibt Oetinger das Prozedere.
Flüchtlinge aus Ukraine warten in Messehallen
Zwei riesige Messehallen seien von der Betreiberin leergeräumt und für die Flüchtlinge zur Verfügung gestellt worden. In der einen werden Hilfsgüter gelagert, in der anderen warten die Geflüchteten auf Feldbetten auf ihre Weiterfahrt. Unter anderem seien Auslandsstudenten von den ukrainischen Universitäten dort. „Es war überwältigend“, sagt Claßen. Hundertschaften von Polizei und Militär seien vor Ort. „Viele Kinder, viel Geschrei, weinende Frauen“, schildert Oetinger die Geräuschkulisse.
Vor Ort seien mehrsprachige Volontäre tätig, die sich um die Verschickung der Flüchtlinge ins Landesinnere kümmern. Wer von der Grenze wegwolle, könne sein Ziel angeben. Über Lautsprecher werde, wenn wieder ein Bus bereitstehe, das Fahrtziel bekanntgegeben. „Das ist gut organisiert. Und in Polen stehen auch viele Wohnungen zur Verfügung“, berichtet Furchert. Das Problem sei aber, dass Kapazitäten für Transporte nach Deutschland fehlten. In ihren leeren Transportern haben die vier Helfer deshalb eine ukrainische Familie nach Hannover mitgenommen, wo Verwandte sehnlichst auf sie warteten.
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„Die Moral ist ungebrochen“, skizziert Furchert die Stimmung unter den Flüchtlingen. „Die wollen kämpfen“, ergänzt Oetinger. Die Polizisten sind der Ansicht, dass ein militärisches Eingreifen des Westens notwendig sei. „Ich würde da reingehen“, sagt Claßen. „Wir kennen uns mit Gewalt aus, ein Krieg ist nichts anderes als ein Raubüberfall“, findet Oetinger. „Wir stehen am Anfang eines Guerillakrieges“, befürchtet Claßen. Wenn die Zivilbevölkerung in die Kampfhandlungen eingreife, werde es mehr Verletzte geben, also würden Verbandsmaterial und medizinisches Material dringend gebraucht. Kleidung sei dagegen überflüssig.