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Alles eine Frage der PerspektiveArchitekturpreis für „Scheunen-Haus“ in Nettersheim

Lesezeit 3 Minuten

Schon wenige Meter entfernt und leicht erhöht stehend ändert sich die Perspektive auf die „Scheune“.

  1. 130 Quadratmeter Wohnfläche, 70 Quadratmeter Nutzfläche und 600 Quadratmeter Garten.
  2. Für eine fünfköpfige Familie doch scheinbar ganz normal, oder?
  3. Doch für seine Normalität hat das Haus keinen Architekturpreis gewonnen – vielmehr für seine verblüffende Außen-Innen-Außen-Perspektive.

Nettersheim – Diese „Scheune“ ist preiswürdig. Mit einem Preis in Höhe von 2500 Euro beim diesjährigen Wettbewerb „Das Goldene Haus“ der LBS West und der Zeitschrift „Das Haus“ wurde jetzt der Neubau des Ehepaares Gottschling in Nettersheim ausgezeichnet. Die Marmagener Architekten Andrea Denzer und Georg Poensgen haben das Gebäude entworfen – und es erinnert von außen eben an eine Feldscheune.

Jürgen und Viktoria Gottschling (v. l.), Andrea Denzer und Georg Poensgen sowie Markus Wagner, Gebietsleiter der LBS Euskirchen-Rheinbach.

130 Quadratmeter Wohnfläche, 70 Quadratmeter Nutzfläche und 600 Quadratmeter Garten: Das hört sich für eine fünfköpfige Familie nicht gerade überdimensioniert an. Doch die Größe ihres neuen Eigenheims ist vermutlich auch das einzige auf den ersten Blick Normale im Haus, das Viktoria und Jürgen Gottschling mit ihren drei Kindern am Ortsrand von Nettersheim im Neubaugebiet bewohnen. Dorthin ist die Familie aus Nettersheim Ende Januar umgezogen.

Wo Scheunen waren, sollen auch Scheunen bleiben

„Hier standen früher nur ein paar Scheunen, aus denen die Felder bewirtschaftet wurden“, berichtet Architekt Georg Poensgen aus Marmagen. Er und Andrea Denzer sind spezialisiert darauf, in ihren Neubauten die regionalen Bautraditionen zu interpretieren und weiterzuentwickeln. Warum also nicht auf dem einstigen Feld eine „Scheune“ bauen?

Den Prototyp des historischen Vorläufers an Wirtschaftsgebäuden außerhalb des Bauernhofes entdeckten die Marmagener in der Nähe von Zingsheim. Dann galt es, die Bauherren von der Idee zu überzeugen, den geplanten Raumbedarf darin unterbringen und ein Budget einhalten zu können, das zum Beispiel den Bau eines Kellers ausschloss.

Außen-Innen-Außen-Perspektive

„Wir haben das, was die beiden wollten, sofort verstanden und mitgetragen“, berichtet Bauherr Jürgen Gottschling. Aus lasierter Lärche entstand ein von der Straßenseite auf den ersten Blick abweisend geschlossen wirkender Kubus, zugänglich durch eine Tür in der Außenwand. „Genau die Rückzugsmöglichkeit, die wir uns gewünscht haben“, so Viktoria Gottschling.

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Doch betritt man diesen Kubus, ändert sich der Eindruck völlig: Ein Innenhof tut sich auf, von wo aus der Blick durch bodentiefe Fenster des Wohnraums hindurch und durch ebensolche Fenstertüren auf der gegenüberliegenden Seite über den Garten bis zum angrenzenden Wald reicht. Je nach Tageszeit ist diese Außen-Innen-Außen-Perspektive von Sonnenlicht durchflutet. Das Konzept setzt so verblüffend klar um, was den beiden Architekten wichtig ist. „Wir trennen die Bereiche ganz bewusst: öffentlich, halb-öffentlich, privat“, erklärt Andrea Denzer.

Weitere Blick-Überraschungen

Auch im ersten Obergeschoss, wo alle Schlafzimmer und zwei der drei Badezimmer sind, wartet der Bau mit solchen Blick-Überraschungen auf: Die kleinen Zimmer der drei schulpflichtigen Kinder haben Fenster nach hinten zum Garten, aber vor den Zimmern ist eine Arbeitsplatte über die ganze Flurbreite vor einem Fensterband gebaut. Durch die Scheiben geht der Blick über die Straße und eine Wiese bis zum Waldrand hinüber.

Im Neubaugebiet Auf Bennfeld wird mit dieser Scheune nun an die einstigen Nutzgebäude erinnert. Doch so wohnlich waren die Schuppen früher kaum. Auf kleinem Raum mit Ideen und geschickten Tricks viel erreichen – dieses Konzept haben die beiden Marmagener Architekten für ihre Bauherren auch nach der Meinung der Jury des Wettbewerbs „Das Goldene Haus“ preiswürdig umgesetzt.