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Jugend in der NS-ZeitDie neue Ausstellung in Vogelsang zeigt, wie es in der Eifel war

Lesezeit 4 Minuten
Drei Jungen in Uniformen der Hitlerjugend ziehen einen Wagen.

Jungen der Hitlerjugend ziehen anlässlich der Feierlichkeiten zum 1. Mai in Schleiden einen Festwagen durch die Straßen.

Die Sonderausstellung „Auch du gehörst dem Führer!? – Kinder und Jugendliche in der Region 1918-1945“ wird am Montag in Vogelsang eröffnet.

„Das Regime wollte möglichst alle Kinder und Jugendlichen erreichen und indoktrinieren. Auf dem Land stoßen diese Bemühungen aber an Grenzen“, erklärt Marc Meyer. Der Historiker hat mit seinen Kollegen Stefan Wunsch, Christoph Brüll und Reinhold Weitz sowie dem Journalist und Buchautor Franz Albert Heinen untersucht, welchen Einfluss die Propaganda der Nationalsozialisten auf die heranwachsende Generation hatte.

Als Kurator präsentiert Meyer nun die Erkenntnisse in der Sonderausstellung „Auch du gehörst dem Führer!? – Kinder und Jugendliche in der Region 1918-1945“ im Besucherzentrum von Vogelsang IP. Eröffnet wird sie am Montag, 25. September, von Gonca Türkeli-Dehnert, Staatssekretärin im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

Jungen und Mädchen marschierten in Reih und Glied

Um die Themen Erziehung und Schulung im Sinne des NS-Regimes ging es auch in der ehemaligen „Ordensburg“ Vogelsang. Dort sollte die zukünftige Elite des nationalsozialistischen Staates geformt werden. Doch die Indoktrination begann schon im Kindesalter mit der Hitlerjugend (HJ) und dem Bund Deutscher Mädel (BDM), deren Aktivitäten in vielen Filmen, Dokumentationen, Büchern und Zeitschriften zu sehen sind.

„Oft sieht man Jungen und Mädchen, die diszipliniert in Reih und Glied stehen, die marschieren, Sport treiben und in Lagern geschult werden. In vielen dieser Bilder spiegelt sich die nationalsozialistische Propaganda wider“, betont Meyer.

Neue Fächer wie Rassenlehre kamen in den Schulunterricht

Die Sonderausstellung will aufzeigen, wie Kinder und Jugendliche in der Region um Monschau, Schleiden und Euskirchen die Zeit des Nationalsozialismus erlebten und wie sich ihr Alltag im Vergleich zur Weimarer Republik änderte. „Für den Schulunterricht gab es zuerst nur sporadisch, ab 1938 dann aber umfassende Richtlinien und neue Fächer wie beispielsweise Rassenlehre“, berichtet Meyer.

Hefte mit entsprechenden Inhalten seien auch an die Schulen verteilt worden. „Da werden dann kindliche Geschichten erzählt wie die von dem Bauern, der eine große Zahl von Hühnern hat und einige kranke Tiere aussortieren muss, um nicht die ganze Schar zu gefährden“, erzählt der Historiker.

Aufgaben für Euskirchener Abiturienten in den 1930er-Jahren

Inwieweit diese Inhalte wirklich tagtäglich im Unterricht behandelt worden seien, könne man nicht sagen: „Wir wissen nicht, was die Lehrer gemacht haben, wenn niemand draufschaute.“ In der Ausstellung erfahren die Besucher, welche Aufgaben Euskirchener Abiturienten Mitte der 1930er-Jahre gestellt wurden und womit sich die Schüler an den Volksschulen auseinandersetzen mussten.

In der Eifel habe aber, wie in anderen ländlichen Regionen auch, die katholische Kirche als Gegenspieler der Nazis noch eine große Rolle gespielt. „Es gibt Beschwerden von lokalen NS-Vertretern, dass Pfarrer Jugendliche zum Austritt aus der Hitlerjugend bewegt haben.“ Manchmal hätten auch geeignete HJ-Führer gefehlt, die das zur Verfügung gestellte Propagandamaterial vermitteln konnten.

Kommando ermordete im März 1945 den Aachener Oberbürgermeister

Für manche sei die Hitlerjugend ein spannendes Freizeitvergnügen gewesen, für andere eine lästige Pflicht. Der Alltag in HJ und BDM habe für viele Kinder und Jugendliche mit Sport, Schulungen, Fahrten und Lagern begonnen und in der Endphase des Zweiten Weltkrieges beim Ausheben von Panzergräben geendet. Nicht erwartet hatte er auch, dass die Jungen wesentlich stärker organisiert waren als die Mädchen.

Ein Beispiel für eine fanatische Anhängerin des Regimes sei Ilse Hirsch, die in Monschau BDM-Führerin gewesen sei: „Sie hat zu dem Kommando gehört, das im März 1945 den Aachener Oberbürgermeister Franz Oppenhoff ermordet hat. Hirsch hatte den Wohnort des Rechtsanwalts ausgekundschaftet.“

Unliebsame Bücher wurden auch aus kleinen Bibliotheken entfernt

Überrascht war Historiker Meyer auch, auf wie vielen Ebenen das Regime tätig war, um den Menschen seine Weltanschauung einzuimpfen: „Da wurden sogar kleine Bibliotheken irgendwo auf dem Land kontrolliert und unliebsame Bücher entfernt.“

Die Quellenlage zu dem Themenbereich ist nach Angaben des Kurators gut: „Wir haben viel Material in lokalen Archiven in Blankenheim oder Euskirchen gefunden, waren aber auch im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen.“ Für Fotos sei die Sammlung Heinen/Wollgarten eine wertvolle Quelle.

„Erfreulich war die Resonanz auf unseren Aufruf, uns Zeitzeugnisse und Originaldokumente zur Verfügung zu stellen. Vieles, wie beispielsweise das Leistungsbuch des BDM, das zeigt, welche sportlichen Anforderungen an Mädchen gestellt wurden, konnten wir für die Ausstellung nutzen“, erläutert Thomas Kreyes, Geschäftsführer von Vogelsang IP. Finanziert wurde die Ausstellung, die täglich von 10 bis 17 Uhr im Besucherzentrum von Vogelsang IP zu sehen ist, von der Landeszentrale für politische Bildung NRW. Der Eintritt ist frei.